#Gastbeitrag
Wachstum ohne große Schmerzen? So skalieren Startups richtig
Jedes Startup, das erfolgreich wächst, steht früher oder später vor einer großen Herausforderung: In schnellen Wachstumsphasen beschäftigt das Unternehmen zwar immer mehr Mitarbeitende – bringt deshalb aber nicht unbedingt schneller bessere Produkte auf den Markt. Wie also können Gründer:innen ihr Startup skalieren, ohne dass Effizienz oder Qualität leiden?
Die Produkte sollen schneller vom Band gehen und immer besser werden, das Team in kürzester Zeit rasant wachsen – und das alles am besten gleichzeitig. Der Weg vom Start-up zum Scale-up ist eine ganz schöne Herausforderung und für viele Unternehmen mit einigen Wachstumsschmerzen verbunden. Denn die Gleichung “mehr Mitarbeitende = mehr Wachstum” funktioniert ab einer bestimmten Unternehmensgröße nicht mehr – sind über 30 Mitarbeitende im Unternehmen beschäftigt, nimmt die individuelle Umsetzungskraft ab. Viele Start-ups, die an diesen Punkt kommen, machen einen Denkfehler: Sie gehen intuitiv davon aus, dass es lediglich neue Prozesse braucht, um zur (ehemaligen) Effizienz zurückzukehren. Allerdings ist dies ein Trugschluss. Warum? Weil Prozesse nicht skalierbar sind. Mehr noch: Statt Effizienz wiederherzustellen, führen neue Prozesse in der Regel zum Gegenteil – nämlich zu mehr Bürokratie, einem höheren Zeitaufwand und schlechterer Qualität.
Prozesse lassen sich nicht skalieren – Wissen dagegen schon
Wie lässt sich also ein Start-up skalieren, ohne groß an den Prozessen zu schrauben? Bei uns ist die Antwort klar: Wir skalieren Wissen statt Prozesse. In starken Wachstumsphasen setzen wir uns konkret mit den Problemen auseinander, die uns in dieser Phase des Wachstums begegnen – und skalieren unsere Erkenntnisse. Das Resultat: Unsere Mitarbeitenden entwickeln sich schnell weiter, werden immer besser in dem, was sie tun und liefern immer schneller immer bessere Produkte.
Vorbereitungszeit braucht es dazu kaum, denn beginnen können Start-ups mit nur einem Team oder auch einer Person. Einmal begonnen, lässt sich diese Methode einfach übertragen und mit immer mehr Mitarbeitenden und einer wachsenden Anzahl von Teams anwenden. Ein weiterer Vorteil: Mitarbeitende, die etwas Neues lernen, geben dieses Wissen meist selbstverständlich an andere Mitarbeitende weiter. Um diesen Vorgang zu fördern und zu verfestigen, gibt es drei Praktiken, die wir bei uns nutzen:
Eine “bad news first”-Kultur
“Having no problems is the biggest problem of all”, sagte einst Taiichi Ohno, der Erfinder des Toyota-Produktionssystems. Recht hat er – wer sich nicht mit seinen Problemen auseinandersetzt oder gar glaubt, keine zu haben, kann sich nicht weiterentwickeln. Statt die Augen vor Problemen zu verschließen, nutzen wir diese gezielt, um daraus neues Wissen zu generieren.
Auch die Tools, die wir nutzen, sind so gebaut, dass sie Konflikte hervorheben. Mit einem Blick auf unsere Projektpläne können wir deshalb feststellen, wo sich Probleme anbahnen oder bereits entstanden sind. Aber nicht nur Tools sollten Probleme anzeigen – sondern auch die Menschen, die mit ihnen arbeiten. Deshalb schaffen wir eine Atmosphäre, die Mitarbeitende ermutigt, Probleme direkt anzusprechen, statt sie zu ignorieren.
Der Gemba-Walk
Natürlich reicht es nicht aus, nur mit dem Finger auf Probleme zu zeigen – am Ende braucht es Lösungen. Um diese zu finden, nutzen wir den Gemba-Walk. Entwickelt wurde diese Methode ebenfalls von Toyota – und ihr Ursprung zeigt, dass sie ebenso genial wie einfach ist: Toyota-Manager:innen wurden zu den Fabrikarbeiter:innen geführt und in einen auf den Boden gezeichneten Kreis gestellt. Diesen durften die Manager:innen erst verlassen, als sie die Probleme der Arbeiter:innen gelöst hatten.
Die Idee hinter dieser Methode ist die Grundlage für die Führungspraxis bei uns. In gemeinsamen Gemba-Walks sorgen unsere Manager:innen dafür, dass die wichtigen Themen, Probleme oder auch Unsicherheiten der Mitarbeitenden schnell gelöst werden. So wird die Effektivität des Teams gewährleistet – und nebenbei wertvolle Zeit gespart. Denn anstatt von einem 1-to-1-Meeting zum anderen zu hetzen, kommen Manager:innen mit ihren Mitarbeitenden zusammen, analysieren konkrete Probleme und erarbeiten gemeinsam Lösungen. Das Resultat: neues Wissen, das anschließend im Team geteilt werden kann.
Trainingseinheiten
Ist der Wissensfluss zwischen Manager:in und Teammitglied dank funktionierender Gemba-Walks aufgebaut, geht es im nächsten Schritt darum, das Wissen zu verstärken und innerhalb des Teams zu vervielfältigen. Der große Vorteil: Nach einer Reihe von Gembas mit einzelnen Teammitgliedern ergibt sich nach und nach ein Bild bzw. ein Muster – und es wird sichtbar, was das Team gut beherrscht und wo sich noch (Wissens-)Lücken befinden. Für diese Wissenslücken lassen sich Trainingseinheiten entwickeln. Bei uns durchläuft jede:r neue Mitarbeiter:in diese Trainingseinheiten und gerade in Skalierungsphasen tragen diese Einheiten maßgeblich zum Erfolg bei – und reduzieren Wachstumsschmerzen. Aber auch bestehende Mitarbeitende nehmen regelmäßig an den Trainings teil, denn schließlich entwickelt sich auch Wissen ständig weiter – besonders in starken Wachstumsphasen.
Über den Autor
Marc-Antoine Lacroix startete 2018 als CTO bei Qonto. Seit 2020 unterstützt er in seiner Rolle als Chief Product Officer mit einem 160-köpfigen Produktteam die erfolgreiche Entwicklung Qonto’s vom Start-up zum Scale-up. Zuvor war Lacroix Gründer von und CTO bei Ding Dong und Sportdub, sowie CTO bei Sponsorise.me. Als Lean Coach ist er außerdem Experte für skalierbare und hochperformante Unternehmen.
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