#Gastbeitrag

Überzeuge und gewinne die besten Führungskräfte – mit Reverse Recruiting!

Spitzentalente und C-Level-Führungskräfte bewerben sich nicht aktiv. Doch wenn du dich geschickt mit deinem Start-up bei ihnen bewirbst, kannst du sie für deine Mission gewinnen. Ein Gastbeitrag von Julian von Blücher.
Überzeuge und gewinne die besten Führungskräfte – mit Reverse Recruiting!
Donnerstag, 27. Oktober 2022VonTeam

Herausragende Führungskräfte und Spezialist:innen im Tech-Sektor sind mehr denn je gesucht. Arbeitgeber:innen und Recruiter:innen müssen sie proaktiv von sich überzeugen, um sie für ihr Start-up oder Scale-up zu gewinnen. Um Top-Talente für sich zu begeistern, können Unternehmen Reverse Recruiting anwenden. Hinter der umgekehrten Personalsuche steht die Idee, den Prozess umzudrehen – nicht die Bewerber:innen werben für sich beim entsprechenden Unternehmen, sondern das Unternehmen wirbt aktiv für sich bei potenziellen Kandidat:innen. Dabei erstellen manche Unternehmen sogar einen Unternehmens-Lebenslauf oder ein attraktives Pitch-Deck, um sich bei Kandidat:innen in den Fokus zu rücken. Dieser enthält unter anderem Key Facts zur Gründung des Unternehmens (“Geburtsjahr”), über das Unternehmen („Warum gibt es uns?“), das Geschäftsmodell („Was machen wir?“), die Vision („Wo wollen wir hin?“), die Kultur (Core Values oder: „Wie ticken wir?“) sowie Team-Angaben („Mit wem werde ich arbeiten?“), Marktinformationen, USPs („Was macht es besonders, bei uns zu arbeiten?“) und einen persönlichen Ausblick bzw. eine Job Scorecard für den/die Kandidat:in („Warum wird die Rolle geschaffen und wie verändert sie sich über die Zeit?”).

Aktuell herrscht Verunsicherung am Kandidat:innenmarkt

Durch die Korrektur der Techwerte an der Börse 2021/2022 und die geopolitische Situation, herrscht Verunsicherung am Arbeitsmarkt – und zwar auf Seiten der Kandidat:innen. Arbeitnehmer:innen verhalten sich vorsichtig und überlegen gründlich, bevor sie einen Jobwechsel vornehmen und den „Sprung” in eine neue Rolle wagen. Auch dann, wenn diese neue Rolle deutlich attraktiver als die aktuelle Position ist. Denn die Massenentlassungen Anfang des Jahres im FoodTech-, FinTech- und E-Commerce-Bereich schrecken Top-Talente teilweise ab, einen Wechsel in dieser Lage in Betracht zu ziehen. Diese Sorge ist grundsätzlich nicht unbegründet: Auch wir konnten bereits beobachten, wie Top-Führungskräfte innerhalb der Probezeit unverschuldet gekündigt wurden, weil die Firma in finanzielle Schieflage geriet. 

Die Massenentlassungen deckten zudem auch ein Paradoxon auf: Die in den Medien kursierenden Massenentlassungen im Tech-Sektor haben dafür gesorgt, dass bei einigen Unternehmen der Eindruck entstand, es seien nun zahlreiche Mitarbeiter:innen am Markt, die leicht zu gewinnen sind. Es mag zwar stimmen, dass es nun ein paar mehr sind – die Auswahl an Möglichkeiten für ausgezeichnete Fach- und Führungskräfte jedoch ist und bleibt fundamental so groß, dass es nach wie vor nötig ist, sich aktiv um sie zu bemühen. Und daran wird sich mit angrenzender Sicherheit in den kommenden fünf bis zehn Jahren nichts ändern. Im Gegenteil! Hier ist definitiv ein Umdenken auf Seiten der Unternehmen nötig – verständlich, da das Rekrutieren Jahrzehnte lang andersherum funktionierte. Dafür müssen nun Prozesse neu gestaltet, verschlankt und umgedacht werden.

Besonders gut geeignet, um passive Talente zu gewinnen

Reverse Recruiting eignet sich besonders für sogenannte „passive Talente“, denn C-Level-Führungskräfte und rare Expert:innen bewerben sich selten aktiv auf offene Positionen. Sie haben in ihrer bisherigen Firma Karriere gemacht, sitzen meist im sicheren Sattel und haben im Laufe der Zeit ein starkes Netzwerk und Track-Record aufgebaut – nicht jede(r) möchte hier also das Risiko eingehen, sich auf eine neue, wenn auch womöglich attraktivere Rolle bzw. Perspektive einzulassen. Weshalb sollten sie Zeit in einen oftmals aufwendigen und intransparenten Recruiting-Prozess investieren? Dafür müssen Unternehmen dann schon wirklich gute Gründe bieten! Abgesehen davon, dass C-Level-Führungskräfte oft direkt über das vorhandene Netzwerk abgeworben oder von Personalberater:innen vermittelt werden und somit weniger eigenen, aktiven Suchaufwand betreiben müssen. 

Reverse Recruiting fängt die Bedürfnisse von Kandidat:innen auf

In der aktuellen Marktsituation hilft Reverse Recruiting Unternehmen entsprechend enorm dabei, genau die Mitarbeiter:innen anzuwerben, die sie benötigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben – das gilt im Tech-Sektor genauso wie für bestimmte Positionen, wie des/der CFO. CFOs sind entscheidend für ein Grown-up oder Scale-up, um deren Liquidität bzw. Profitabilität sicherzustellen. Da VCs derzeit mit ihren Investitionen vorsichtig geworden sind, kann ein:e gute:r CFO sogar das Zünglein an der Waage für das Überleben eines Unternehmens sein. Oder auch die Voraussetzung für eine weitere Finanzierungsrunde. Auch sie lassen sich gerne von einem Unternehmen aktiv umwerben. Dies vermittelt natürlich auch ein Gefühl der Wertschätzung. Reverse Recruiting filtert im Prozess genauestens heraus, welche „Needs“ Kandidat:innen haben, sodass das Unternehmen genau auf diese Bedürfnisse eingehen und entsprechende Angebote offerieren kann. Dabei geht es vor allem auch darum, Benefits zu schaffen, die auf die neue Arbeitswelt einzahlen, insbesondere standortunabhängig(er) zu arbeiten. Darauf muss das jeweilige Unternehmen natürlich kulturell vorbereitet sein. 

In der aktuell angespannten Marktsituation ist darüber hinaus Sicherheit ein elementarer Hygienefaktor für Kandidat:innen. Hier können Unternehmen Arbeitsverträge so gestalten, dass diese den Kandidat:innen gewisse Sicherheiten garantieren; beispielsweise der Verzicht auf die Probezeit, einen Signing-Bonus oder verlängerte Kündigungsfristen. Alternativ: Stellt sich im Recruiting-Prozess heraus, dass Bewerber:innen Nachwuchs erwarten oder haben, kann aktiv auf die dadurch entstehenden Bedürfnisse eingegangen werden – z. B. indem eine Arbeitsumgebung geschaffen wird, die beiden Seiten optimal gerecht wird (z.B. “Kita-Zuschuss”). Die gezielte, individuelle Berücksichtigung von Bedürfnissen und Interessen steht bei Reverse Recruiting im Vordergrund und lässt ein Start-up oder Scale-up aus der Masse an Angeboten herausstechen. Kandidat:innen zuhören, flexibel und individuell sein sowie Wünsche erfüllen und Wertschätzung ausdrücken, lautet dabei die Devise.

Schnelle Prozesse sind immer entscheidend

Ein Erfolgskriterium für Reverse Recruiting ist jedoch universell: schnelle Bewerbungsprozesse. Häufig reichen schon minimale Änderungen, um das Prozesserlebnis deutlich kandidat:innenfreundlicher zu gestalten. Häufig werden beispielsweise Urlaube von Entscheider:innen noch nicht vor der Stellenausschreibung bedacht. Gerade in den Sommermonaten kann dies dann zu signifikant längeren und vor allem unnötigen Verzögerungen führen; unnötig dann, wenn man sie nicht rechtzeitig im Projektmanagement mit einplant. Hier ist es hilfreich, entscheidungsfähige Vertretungen überall dort festzulegen, wo möglich. Einige Schritte im Recruiting lassen sich zudem auch parallelisieren. Wir beobachten häufig, dass von oral Agreements bis zur Fertigstellung des Arbeitsvertrags Wochen vergehen. Eine gefährlich lange Zeit, in der die Kandidat:innen auch eine andere Ausfahrt nehmen können. 

Die aktuellen Mitarbeitenden mit bedenken

Genügend Fingerspitzengefühl im Umgang mit den bestehenden Mitarbeitenden ist gefragt. Sie sollten nicht das Gefühl bekommen, dass nur „Newbies“ begehrte Benefits bekommen können. Richtig angewandt, sorgt Reverse Recruiting somit für eine starke Bindung von neuen und bestehenden Arbeitskräften durch ein positives Arbeitsklima. Durch Reverse Recruiting werden auch die bestehenden Mitarbeitenden stärker in den Kennenlern-Prozess eingebunden, was im Übergang zum Onboarding schon oft einem „soft onboarding” nahe kommt. Hier eignen sich Team-Events ebenso wie ein Experience Day vor Ort. 

Über den Autor
Julian von Blücher ist CEO und Gründer der Personalberatung Talent Tree. Als studierter Wirtschaftsingenieur ist er ein erfolgreicher Quereinsteiger, der mittlerweile über mehr als acht Jahre Recruiting-Erfahrung verfügt. Mit Talent Tree unterstützt der ausgezeichnete Netzwerker bevorzugt Scale-ups und Tech-Pioniere dabei, die richtigen Persönlichkeiten zu finden, um ihren Purpose und ihre Unternehmensziele zu erreichen. Seine Diplomarbeit schrieb Julian über den CO2-Handel und er war Teil des Gründungsteams des Ecosummit, einer Netzwerk Veranstaltungsreihe für Climatetech-Start-ups. Julian verbindet sein Faible für grüne Themen auch mit Abenteuerlust: Er nahm im Rahmen einer Expedition zum Nordpol Eisdickenmessungen vor. Eine starke Hands-on-Mentalität und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft treiben ihn an.

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Foto (oben): Shutterstock