Standsome: Produkt vor Zahlen zahlt sich nicht aus
Das Gründerteam von Standsome machte etwas, das man in der Gründer-Show bisher nur selten gesehen hat. Denn wo normalerweise im Pitch selbst nur Problem und Lösung von den Startups vorgestellt werden, nannte das Dreiergespann direkt einmal eine wichtige Kennzahl. Die meisten KandidatInnen lassen dies für den Frage-Antwort-Teil nach dem Pitch, viele wohl auch deshalb, weil ihre bisherigen Zahlen oft noch nicht so wahnsinnig hoch ist.
Im Fall von Standsome werden jedoch 1,5 Millionen Euro Umsatz genannt, eine stattliche Summe für ein noch recht junges Unternehmen. Entgegen der Regel fragen die Löwen jedoch direkt schon nach, denn das wollen sie sich natürlich notieren. Vor allem Carsten Maschmeyer will es genau wissen, so erfahren die ZuschauerInnen noch die Gesamtzahl der KundeInnen und, dass der Umsatz des Vorjahres 900.000 Euro betragen hatte, der Gewinn in diesem ersten Jahr mit 120.000 Euro jedoch wesentlich höher war als mit 10.000 Euro im letzten Geschäftsjahr. Logisch, dass das weitere Fragen aufwirft, die die GründerInnen damit beantworten, dass man wohl in Personal investiert hätte und plane, den Umsatz in diesem Jahr gar nicht so groß weiter zu steigern, dafür aber profitabler zu werden.
Hier stecken direkt zwei Fehler, die man sich bei einem Investorenpitch besser nicht erlauben sollte: Zum einen ist die Begründung etwas sehr dünn. Denn in Personal zu investieren, um dann anschließend profitabler zu sein, obwohl man nicht viel mehr Umsatz einplant, klingt zunächst einmal wenig überzeugend. Personalkosten durch Neuanstellungen sind schließlich monatliche Kosten, die immer wiederkehren. Wächst die Mitarbeiterzahl im Unternehmen bei wenig wachsendem Umsatz, wird es zunächst also wohl eher weniger statt mehr profitabel werden. Hier sollte man also unbedingt etwas konkreter werden und vielleicht die Gebiete oder sogar konkreten Stellen nennen, die man neu geschaffen hat, und wie diese dann mehr zur Profitabilität beitragen, als sie kosten.
Zum anderen ist es nun wirklich keine gute Idee, so klar zu sagen, dass man nicht wirklich weiter an einer Umsatzsteigerung arbeitet. Das Argument, dass man in die eigenen Strukturen investiert hat, um profitabler zu werden, kann zwar Sinn machen, in aller Regel zeichnen sich die wirklich deutlichen Effekte einer erfolgreichen Skalierung erst nach einem weiteren kräftigen Wachstum ab. Ohne weitere Erläuterungen wirken die Ausführungen des Gründers also zunächst einmal eher wie Ausreden, was angesichts des eigentlich tollen finanziellen Erfolgs doch sehr schade ist.
Doch das Team ist noch längst nicht vom Haken: Nachdem Nico Rosberg ihr Produkt, eine Art Mini-Möbelstück, um bequem im Stehen zu arbeiten, ausprobiert hat, legt Carsten Maschmeyer erneut einen Finger in die Zahlenwunde: er geht auf die Bewertung ein und rechnet den Multiple auf den Gewinn aus. Tatsächlich stehen so die GründerInnen plötzlich gar nicht mehr so gut da: Ihr vorgeschlagener Deal von 400.000 Euro für 15% ergibt eine Unternehmensbewertung von etwas über 2,6 Millionen Euro. Das ist etwas 1,7 Mal der Umsatz in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Tatsächlich ist dies keine besonders hohe Zahl, allerdings rechnet der Löwe nicht diesen, sondern den Gewinn-Multiple aus. Dieser liegt bei den zuletzt erzielten 10.000 Euro Gewinn beim satten Faktor 260. Kurz danach steigt er aus.
Nun kann man natürlich sagen, dass die wenigsten Startups in frühen Phasen überhaupt Gewinn machen, und dass es daher unfair ist, diesen überhaupt in die Berechnungen in dieser Tragweite mit einzubeziehen. Prinzipiell ist dem auch so, allerdings könnte dem Team hier wieder das vorherige Argument des nur geringfügig geplanten Wachstums auf die Füße gefallen sein: Denn wenn man Gewinn statt Umsatzwachstum erzielen will, kann es gut sein, dass Investoren einen schnell mal daran messen. Startups sollten in solchen Situationen so zahlensicher sein, dass sie hier widersprechen oder zumindest genauer erklären, wie ihre Bewertung zu Stande kommt und warum sie diese Methode oder Berechnungsart für angemessener halten.
Die Antwort der GründerInnen fiel anscheinend jedoch dem Schnitt zum Opfer, falls dieses Thema noch vertieft wurde. Doch Ralf Dümmel schneidet noch ein weiteres Zahlenthema an, schließlich waren Verkaufs- und Herstellungspreise noch gar nicht zu Sprache gekommen. Hierbei kommt dann auch heraus, dass das für die Herstellung der Möbel verwendete Holz aus Russland kommt, man aber schon einen neuen Lieferanten in Finnland ausfindig gemacht hat. Dies sorgt generell für Sorge, denn die Löwen befürchten arge Lieferschwierigkeiten für Holz. Leider stimmt das Standsome-Team hier nur zu – falls es weitere Ausführungen gab, erfahren die ZuschauerInnen diese ebenfalls nicht. An dieser Stelle hätte man zum Beispiel noch Chancen gehabt, wenn man zugesicherte Holzmengen oder bereits vertraglich vereinbarte Lieferungen hätte nennen können, um die Befürchtungen etwas abzuschwächen.
Stattdessen wirkt es so, als ob man nun wieder auf das Produkt zurück kommt, denn es werden die Vorteile des Zusammenklappens und später auch noch ein Folgeprodukt vorgestellt. Was in diesem Fall wahrscheinlich dem Schnitt geschuldet ist, kommt in der Realität leider viel zu häufig vor: GründerInnen erzählen immer wieder über ihr Produkt und wie toll es ist, statt auf die Kritikpunkte der Investoren einzugehen, die auf Geschäftsmodell und Zahlen abzielen.
Denn auch, wenn es viele nicht wahr haben wollen: auch das überzeugendste, schönste und beste Produkt kann nicht ausbügeln, wenn man seine Zahlen nicht schlüssig argumentieren kann. Nicht einmal, wenn man zusätzlich sogar eine wirklich gute Kennzahl nennen kann.
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