#Gastbeitrag
Ich bin Gründerin – keine weibliche Gründerin
Ich wusste erst nicht, ob ich einen Gastbeitrag darüber schreiben möchte, wie es ist, als Frau zu gründen. Warum sollte es ein großer Unterschied sein? Weil ich zweifache Mutter bin und ein anderes Geschlecht habe als der Großteil der IT-Gründer unseres Landes?! Und dennoch ist auch 2022 die knappe, ernüchternde Antwort: Ja.
Für mich selbst war und ist das nie eine große Sache gewesen. Vielleicht weil ich es nicht anders gewohnt war. Während meines Informatik-Studiums war der Frauenanteil klischeebestätigend deutlich geringer. Medieninformatik war zumindest bei den Frauen etwas beliebter, etwa 30 Prozent meiner Kommilitonen waren weiblich. Und auch später, bei meiner ersten Gründung 2014, war der Businesstisch oft männlich besetzt.
Meine Erfahrungen sind nicht exklusiv: Wenn es um allgemeine Existenzgründungen geht, hat sich der Frauenanteil auf 38 Prozent hochgearbeitet. Wenn wir über Startups sprechen, standen wir 2021 bei 17,7 %. Wenn sich also zwölf Gründer:innen zum Netzwerken treffen, sind zwei Frauen dabei. Die Zahl an weiblichen CEOs in börsennotierten Unternehmen liegt aktuell bei mageren 5 %. Traurig, aber wahr: Im September 2019 gab es erstmals(!) in den deutschen Vorständen mehr Frauen (66) als Vorstandsmitglieder, die Thomas oder Michael heißen (58).
Ich als “weibliche Gründerin”– aus PR-Sicht super
Jetzt könnte ich mich ja eigentlich aus PR-Sicht freuen, dass ich a) Gründerin b) zweifache Mutter c) Informatikerin und d) Geschäftsführerin eines Tech-Startups bin. Denn ich bekomme in letzter Zeit vermehrt Einladungen zu Panels, Podcasts, Interviews und Gastbeiträgen wie diesem. Freut mich das? Auf jeden Fall. Möchte ich mehr über Digitalisierung an Schulen, über Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte und unser Bildungsrückgrat sprechen? Unbedingt! Möchte ich Gehör finden, weil ich WEIBLICHE Gründerin bin? Auf gar keinen Fall.
“Wir brauchen noch eine Frau in unserem Panel. Haben Sie Zeit?”
Letztens erreichte mich diese Anfrage und es hat mich unfassbar geärgert. Ich verstehe einerseits, was – positiv unterstellt – mit der Anfrage gemeint war: Wir haben hier nur Männer sitzen, eine Frau wäre nett. Diversität und so. Damit Frauen gehört werden. Frauen, wie Sie. Aber muss es so plump sein? Wie kann ich bei der Anfrage denken, dass es um mein Know-How, meine Erfahrung und meine Persönlichkeit und nicht stumpf um den Faktor Frau geht?! Hauptsache irgendeine Frau. Dann halt die Knodel.
Wie gesagt, ich war oft die einzige Frau im Raum. Denn auch wenn Schule und Bildung eher „weibliche Themen“ sind, sobald es um wichtige Entscheidungen geht, wird es schlagartig männlich. Hat mich das gestört? Nein. Mir persönlich ist es egal, ob ich mit Männern oder Frauen über unser Bildungssystem und unsere schulischen Digitalisierungslücken diskutiere. Dennoch macht dieser Umstand etwas mit mir. Also ja: Ich freue mich, wenn es mehr Gründerinnen gibt. Wenn noch mehr Frauen das Risiko auf sich nehmen und etwas Eigenes aufbauen. Wenn mehr Frauen in Führungspositionen, in Vorständen, in Chefinnensesseln sitzen – in der Bildung, IT, aber auch im Finanzbereich, überall. Verschiedene Perspektiven und verschiedene Lebensläufe sorgen für kreativen Output. Der “Thomas-Kreislauf” kann nicht die Zukunft sein.
Die Mischung macht’s – oder doch nicht?!
Wenn es um das Thema Durchmischung geht, müsste ich auch bei uns, in unserem Unternehmen etwas ändern. Aktuell sind in unserem Team 22 Frauen und 8 Männer. Suchen wir jetzt also krampfhaft nach neuen Männern? Nein. Denn wir haben diese Frauen nicht angestellt, weil sie Frauen sind, sondern weil sie gut sind. Die Stimmung ist super, wir sind ein tolles Team, alle sind intrinsisch motiviert und glauben an die Vision und Mission unseres Unternehmens. Es wäre also durchaus fragwürdig, wenn wir jetzt fortan nur noch auf Geschlechter schauen würden. Und dennoch erkennt sich hier auch ein Trend, wenngleich ein umgekehrter.
Denn ja, bisher haben sich bei uns vor allem Frauen beworben. Und nicht wenige sagen, dass es daran liegt, dass Theresa und ich fobizz gründeten. Dass sie lieber unter Frauen in der Leitung arbeiten möchten. Das freut mich einerseits, gleichzeitig ist es aber auch ein kleiner Fingerzeig der aktuellen Startup- und Unternehmenslandschaft. Wir können eine gehörige Portion Diversität gut gebrauchen. Und deshalb freue ich mich auch wieder über die nächste Einladung zu einem Gastbeitrag. Damit die 17,7 Prozent sichtbarer werden.
Über die Autorin
Diana Knodel ist Mitgründerin von fobizz, der größten deutschsprachigen Weiterbildungsplattform für Lehrkräfte. Diana Knodel hat einen Hintergrund in Informatik, Psychologie und Bildungsforschung. Sie arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Produktmanagerin bei XING und Teamleiterin in der IT-Branche, bevor sie 2014 das Nonprofit App Camps und 2018 fobizz gründete. Mit ihrer Leidenschaft für Bildung möchte sie digitale Kompetenzen in die Klassenzimmer bringen und Schulen bei der digitalen Transformation unterstützen. Von 2016-2017 war sie zudem Gastprofessorin an der Technischen Universität Berlin. 2017 und 2020 sind ihre Kinderbücher zum Thema Programmieren lernen im Carlsen Verlag erschienen. Edition F ernannten Diana zu einer der 25 führenden Frauen in Deutschland für die digitale Zukunft. 2019 erhielt sie vom Hamburger Senat den Hamburger Ehrenpreis für besonderes Engagement.
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