ichó: Ein emotionales Thema, aber schwierige Zahlen
Ein prominenter Fürsprecher und Investor, ein hoch-emotionales und wichtiges Thema, das gleich mehrere Löwen zu Tränen rührt, und vielversprechende erste Ergebnisse: das Trainingssystem von ichó, das Demenzkranken helfen soll, die Krankheit zumindest zu verzögern, ließ bei seinem Auftritt in “Die Höhle der Löwen” wirklich niemanden kalt. Am Ende gab es jedoch nicht einmal ein Angebot, geschweige denn einen Deal. Was hat nicht gepasst?
Schon der Anfang war sehr ungewöhnlich, denn nicht ein Gründer oder eine Gründerin, sondern ein Investor eröffnet den Pitch von ichó in der Höhle. TV-Hundetrainer und Autor Martin Rütter trat auf, denn er hat durch seine an Demenz erkrankte Mutter ein besonderes Verhältnis zum Thema, mit dem sich das Startup, um das es gehen soll, beschäftigt. Der Prominente hat aber eben auch in das Startup investiert, was die gesamte Konstellation direkt einmal zu etwas Besonderem macht.
Für andere Startups mag das direkt einmal die Frage aufwerfen, ob man seine Alt-Investoren mit zu Gesprächen für das nächste anstehende Fundraising nehmen sollte. Das ist in der Tat ein heikles Thema, und wie so oft lautet die Antwort: es kommt darauf an.
Nämlich zum einen auf die Persönlichkeit des Investors. Eine Person außerhalb des GründerInnen-Kernteams – egal ob nun Investor, wichtiger Mitarbeiter oder sonstiger Experte – sollte wenn nur als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, aber auf keinen Fall das Gespräch allzu sehr leiten. Denn dann könnte schnell der Eindruck entstehen, dass es einen “heimlichen Chef” des Unternehmens gibt, der oder die aber nicht operativ tätig ist. Auch lässt es die eigentlichen GründerInnen ungewollt und oft unverhältnismäßig schwach dastehen. Die Rollen sollten also klar verteilt sein: Der Alt-Investor oder die Alt-Investorin ist unterstützender Berater, steht zur Verfügung, wenn die potenziellen neuen Investoren bestimmte Fragen haben sollten, versucht aber, möglichst im Hintergrund zu bleiben und die GründerInnen das Gespräch führen zu lassen.
Und daraus ergibt sich direkt die nächste Frage: warum sollten BestandsinvestorInnen überhaupt bei einem solchen Gespräch dabei sein? Oder noch konkreter: Welche speziellen Fragen könnten ein neuer Investor an sie haben?
Im Fall bei “Die Höhle der Löwen” war Martin Rütter stark involviert, hatte eine persönliche Verbindung zum Thema und seine Mutter hatte auch an einer entsprechenden Reportage teilgenommen. Eine solch starke Fürsprache beeindruckt natürlich.
Tatsächlich kann es auch dann wichtig sein, einen solchen Investor mit zum Gespräch zu nehmen, wenn er entsprechen viele Anteile hat. Das erfahren wir in diesem Fall nicht konkret, allerdings legt das Startup auf Carsten Maschmeyers Frage hin die grobe Struktur der Beteiligten am Unternehmen offen: es gibt insgesamt 5 Investoren, die als “strategisch” bezeichnet werden. Die GründerInnen halten noch 64% zusammen. Gibt es nun einen Investor mit zum Beispiel 20%, kann es neuen Investoren schon wichtig sein, mit ihm oder ihr genauer ins Gespräch zu kommen, um zu schauen, wer da so viel Einfluss hat.
Auf die Eröffnung des Cap Tables hin steigt Nils Glagau aus, weil dieser ihm zu unübersichtlich erscheint. Tatsächlich kommt so etwas auch gar nicht so selten vor und ist auch absolut nachvollziehbar. Denn jeder Beteiligte, jede Person mehr in der Gesellschafterversammlung, könnte, wenn es hart auf hart kommt und eine wichtige Entscheidung getroffen werden muss, ein Risiko darstellen. Denn zu einer Gesellschafterversammlung müssen alle Gesellschafter unter Einhaltung einer Frist eingeladen werden. Ist das Thema dafür jedoch zu dringend, müssen alle der form- und fristlosen Einladung zustimmen. Erreicht man also auch nur einen Einzelnen Gesellschafter nicht, ist es völlig egal, ob dieser nur 1% hält: sämtliche so gefassten Beschlüsse sind nicht gültig. Das Risiko dafür steigt also mit der Anzahl der Gesellschafter, das kann man nicht wegargumentieren.
Tatsächlich war hier auch das Signal-Wort “strategisch” unter Umständen gar nicht so schlau gewählt. Denn unter einem strategischen Investor versteht jeder etwas anderes. Viele GründerInnen wollen damit nur ausdrücken, dass ihre Investoren noch irgendeinen Vorteil abseits des Geldes bringen, für Investoren kann es im Extremfall aber auch bedeuten: Da mischt sich noch jemand ein, da hat eventuell jemand seine eigene Agenda. Tatsächlich gibt es in der Startup-Welt einige solcher Begriffe, die für verschiedene Beteiligte unterschiedliche Bedeutungen haben könnten, wenn man sich also nicht ganz sicher ist, sollte man bei solchen Adjektiven etwas aufpassen.
Insgesamt führten die Löwen verschieden Ausstiegsgründe an, ein großer war auch der hohe Grad an Ungewissheit, denn es gab noch keine eigenen Studien und der geplante Weg zur Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen ist normalerweise unglaublich lang. Auch waren sich alle Beteiligten einig, dass das junge Unternehmen noch wesentlich mehr Geld benötige würde, wie viel genau, war aber wegen der Unsicherheitsfaktoren noch schwer abzuschätzen. Carsten Maschmeyer war dann schließlich nicht so ganz überzeugt von der Team-Zusammensetzung, vor allem die medizinische Fachkompetenz fehlte ihm hier.
So musste ichó am Ende ohne Angebot das Studio verlassen, und es zeigte sich wieder einmal, dass Emotionen und Sinn hinter einem Startup-Vorhaben zwar für viel Lob und ungeteilte Aufmerksamkeit sorgen können, dass aber auch hier jegliches Abweichen von einer klaren Planung, einem detaillierten Risiko-Management und einem klaren Cap Table gut argumentiert werden müssen.
Wie die Löwen kann man dem Team und seinen Investoren aber nur wünschen, dass das Thema die Aufmerksamkeit und Unterstützung, die es verdient, auch weiterhin bekommt.
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