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Hyrise Academy: Wenn Startups die (Aus-)Bildungslücke füllen

So lange unsere Ausbildungssysteme zu behäbig sind, gibt es Möglichkeiten für Unternehmer. Wie für Hyrise Academy, die mit einem Umsatz von 300.000 Euro bereits ein ordentlich Wachstum hinlegten und vor allem den Vertriebs-Löwen Williams und Maschmeyer Lust auf mehr machten.
Hyrise Academy: Wenn Startups die (Aus-)Bildungslücke füllen
Donnerstag, 22. September 2022VonRuth Cremer

Unser Schul- und Berufsausbildungssystem geht leider sehr oft am tatsächlichen Bedarf vorbei. Mittlerweile gibt es in vielen Bereichen einen eklatanten Mangel an Fachkräften einerseits, aber keine schnelle und qualitativ hochwertige Ausbildungs- oder Schulungsmöglichkeit für Interessierte. So wie bei Software-Vertrieblern. Dominic Blank und Michael Land von Hyrise Academy schaffen hier Abhilfe. Und das offensichtlich hoch erfolgreich.

Es ist nicht der erste Fall dieser Art und es sind auch nicht die ersten Gründer, die aus einer solchen Idee ein skalierbares Geschäftsmodell entwickeln. Aber es ist ein hervorragender Fall um zu demonstrieren, dass auch kleine Startups große wirtschaftliche Probleme lösen können.

Dominik und Michael sind keine ganz unbedarften Unternehmer mehr, beide haben bereits  Startup-Erfahrung, Dominik hatte vor Hyrise Academy sogar schon mehrere Unternehmen gegründet. Und immer wieder festgestellt, dass gute Vertriebler gerade im Software-Bereich schwer zu bekommen waren. Es fehlte schlicht und einfach die Ausbildung. Vertriebler haben vielleicht oft ein wirtschaftswissenschaftliches Studium, aber nicht unbedingt, und es ist auch nicht Voraussetzung, wie gerade auch die Löwin Judith Williams zeigt. Irgendwann während der Diskussion erzählt sie auch ein wenig aus ihrer Geschichte, wie sie als ehemalige Sängerin auf Verkäuferin umsattelte und wie sich ihr Weg hier gestaltete.

Auch Ralf Dümmel und Carsten Maschmeyer werden noch ihre Erfahrungen einstreuen, und es wird schnell klar: Vertrieb kann man nicht einfach lernen, vor allem, weil das Angebot dazu praktisch nicht existiert. Viele entdecken ihre Leidenschaft fürs Verkaufen irgendwann, der Rest ist dann “Learning by Doing”. Eine bestimmte Vorbildung ist auch gar nicht so notwendig, es kommt eher darauf an, welche Persönlichkeit ein Mensch hat. Zum Erfolg ist aber das richtige Wissen unabdingbar.

Auch hätten Mitarbeiter wie Unternehmen ein wahrscheinlich riesiges Interesse, die wichtigsten Dinge schneller und früher zu lernen, um schneller erfolgreich zu sein oder sich lange und teure Einarbeitungszeiten zu sparen. Aus Unternehmenssicht kommt noch hinzu, das sie schlicht Probleme haben, überhaupt passende Vertriebler zu finden. Gerade kleine Unternehmen haben aber auch nicht die Mittel und Möglichkeiten, motivierte, aber völlig fachfremde Menschen selbst auszubilden. Das schreit schon förmlich nach einem Vermittler-Geschäftsmodell.

Hyrise Academy setzt daher genau hier an: in teilweise völlig anderen Jobs unzufriedene Mitarbeiter oder einfach Menschen auf der Suche nach einem neuen Karriereweg werden auf ihre grundsätzliche Eignung überprüft. Sollten sie sich als Match auf eine ausgeschriebenen Stelle erweisen, wird ihnen eine Online-Vertriebsausbildung angeboten, ein großer Teil davon erfolgt dann auch parallel zum neuen Job. Die Unternehmen zahlen gut dafür: 5000 € für die Vermittlung und noch einmal 3000 € für das Ausbildungsprogramm – zumindest zur Zeit der Aufzeichnung von “Die Höhle der Löwen”. Im Vergleich zu Headhuntern, wie auch Ralf Dümmel bemerkt, verhältnismäßig günstig.

Das Setup ist nicht unbedingt neu: gerade auch im IT-Sektor, in dem es Deutschland seit Jahren nicht schafft, bedarfsgerechte Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen, haben sich Startups wie Codecademy etablieren können. Zwar ist in diesem Fall das Geschäftsmodell ein anderes, denn interessierte Menschen erlernen hier komplett aus eigenem Antrieb eine Programmiersprache, während Hyrise Academy mit einem gut bezahlten Job nach Absolvierung des Programms winkt. Bei letzterem verspricht gerade das auch gute Wachstumszahlen, denn bei den Unternehmen gibt es entsprechend Zahlungsbereitschaft. Solange die vorhanden ist, bietet sich gerade Startups ein großartiges Wirkungsfeld, um dem Missstand entgegenzuwirken. Denn, wie auch die Gründer in der Sendung selbst bemerkten, der Vertrieb ist nun einmal der Wachstumsmotor eines Unternehmens. Findet es keine Vertriebler, verkauft es nicht mehr und tritt auf der Stelle. Wenn überhaupt.

Schwieriger wird es, wenn der Mangel eher auf einer noch abstrakteren Ebene besteht, wie zum Beispiel bei den GründerInnen. Zwar haben Deutschlands Universitäten – hier allerdings vor allem die privaten – sich mittlerweile modernisiert und bieten Gründerwissen oder sogar ganze Studiengänge in “Entrepreneurship” oder ähnlichen Disziplinen an. Mit teilweise eher gemischter Qualität, da viele Lehrende den Bereich zwar spannend finden, selbst aber einen klassischeren betriebswirtschaftlichen Hintergrund haben und den Unterschied nicht sehen. Fairerweise muss man aber sagen, einige wenige machen es auch ziemlich gut.

Doch bis in die klassischen BWL-Studiengänge oder gar die Schulen hat es grundlegendes Wissen für GründerInnen noch fast gar nicht gebracht, späte Umsteiger haben auch fast keine Chance, sich schnell relevantes Wissen anzueignen. Vielleicht ist es nicht gewollt, dass junge Menschen schon früh ihren Hang und ihre Befähigung zur Selbstständigkeit entdecken?

Ebenso wenig haben sie eine Chance, ihren hang zum Verkaufen früh zu entdecken und mit entsprechendem Wissen zu untermauern. Zwar ist hier der Bedarf gigantisch und auch eine Zahlungsbereitschaft vorhanden, aber um ihn zu decken und Menschen an dieses Feld heranzuführen, braucht es immer noch sehr oft die Hilfe des Zufalls, da es irgendwie in eine Art Unterkategorie gesteckt wird.

Auch beim Programmieren war es so, hier hat der extreme Über-Bedarf aber langsam Bewegung in die starren deutschen Systeme gebracht. Ganz langsam.

Man kann natürlich auch das Gute daran sehen: So lange unsere Ausbildungssysteme zu behäbig sind, gibt es Möglichkeiten für pfiffige Unternehmer. Wie für Hyrise Academy, die mit einem Umsatz von circa 300.000 Euro in den ersten 12 Monaten bereits ein ordentlich Wachstum hinlegten und vor allem den Vertriebs-Löwen Judith Williams und Carsten Maschmeyer Lust auf mehr machten. Nach längerer Verhandlung kam dann der Deal zwischen allen zu Stande: 750.000 Euro für 20 % sollten die Gründer erhalten. Ursprünglich hatten sie 500.000 Euro für 10 % angefragt.

Durch eine Umstellung des Geschäftsmodells seitens der Gründer, die im Pitch leider nicht kommuniziert wurde, kam das Investment schlussendlich zwar nicht zu Stande, da sie nun wohl das Geld der Löwen nicht mehr benötigten und die Bewertung daher nicht mehr fair fanden. Die Vermittlung neuer Vertriebstalente wird aber wohl noch eine ganze Weile weitergehen. Es gibt aber noch viele weitere Bereich zu bedienen, man darf also gespannt sein, was da noch so kommt.

Tipp: Alles über die Vox-Gründershow gibt es in unserer großen DHDL-Rubrik.

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Foto (oben):  TVNOW / Bernd-Michael Maurer

Ruth Cremer

Ruth Cremer ist Mathematikerin und als Beraterin, Coach und Speaker tätig. Außerdem ist sie Hochschuldozentin im Bereich Unternehmertum und eCommerce. Die ehemalige Investment-Managerin kennt die Szene in- und auswendig und hilft Startups insbesondere dabei, Pitches vorzubereiten und Investment- sowie Akquisitionsprozesse zu meistern. Ruth Cremer ist bereits seit der fünften Staffel als externe Beraterin für das Format „Die Höhle der Löwen“ tätig und unterstützt die Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten. Mehr zu ihr auch unter www.ruthcremer.de.