#Gastbeitrag

Diese 5 Entscheidungen bringen uns als SaaS-Startup sicher durch den Marktabschwung

Wir leben in schwierigen Zeiten. Natürlich gehen diese Entwicklungen nicht an der Startup-Landschaft vorbei. Heute möchte ich euch mitnehmen in die vergangenen Monate bei uns. In die Zeit, in der der Abschwung bereits zu sehen war und dann tatsächlich kam. Ein Gastbeitrag von Sebastian Schlecht.
Diese 5 Entscheidungen bringen uns als SaaS-Startup sicher durch den Marktabschwung
Donnerstag, 8. September 2022VonTeam

Russisch-ukrainischer Krieg, Corona, Inflation: Wir leben in schwierigen Zeiten und die Weltwirtschaft leidet. Natürlich gehen diese Entwicklungen nicht an der Startup-Landschaft vorbei. Ende 2021 erlebten wir noch ein Allzeithoch an Bewertungen und Finanzierungsrunden. Doch bereits kurz darauf sorgten die unsicheren Marktbedingungen für starke Zurückhaltung bei den Investoren. Bald gingen die ersten Start-ups pleite.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Artikel: 

  • Wir haben Risiken vorhergesehen und kurzfristig seine letzte Finanzierungsrunde verlängert.
  • Um gut durch diese Zeiten zu kommen, ist es unabdingbar, die Strategie anzupassen. In unserem Fall: Starker Fokus auf Produktentwicklung und interne Effizienz ohne Mitarbeiter zu entlassen.
  • Die Bauindustrie braucht Lösungen wie unsere, da die Baubranche einer der am wenigsten digitalisierten ist. 

Heute möchte ich euch mitnehmen in die vergangenen Monate bei uns. In die Zeit, in der der Abschwung am Horizont bereits zu sehen war und dann auch tatsächlich kam. Unser Ziel war es, die Bauwirtschaft weiter zu digitalisieren und zeitgleich ein sicherer Arbeitgeber zu bleiben.

Beobachtet die Risiken und handelt – schnell!

Gehen wir zurück in den Dezember 2021: Die Startup-Bewertungen erreichten neue Rekorde. Bei gleichbleibendem Umsatz konnten Unternehmen im Vergleich zu den Vorjahren deutlich höhere Bewertungen erreichen. Wir dachten: Das ist nicht normal. Die Finanzmärkte korrigieren solche Ungereimtheiten normalerweise im Laufe der Zeit. Bei uns haben wir dies als Risiko erkannt und eine Entscheidung getroffen: zusätzliches Geld aufnehmen. Brauchten wir es zu diesem Zeitpunkt? Nein. War es die richtige Entscheidung? Definitiv ja. 

Wir wollten zusätzliches Geld auf dem Konto haben für den Fall, dass die Märkte einbrechen würden. Also haben wir zusätzlich zu unserer Serie-B-Runde von 30 Millionen Euro weitere 10 Millionen Euro aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Bedingungen dafür noch gut.

Zwei Monate später kam der Winter. Steigende Zinssätze führten zu einem Abschwung am Aktienmarkt, der sich schließlich auf die Venture-Capital-Märkte ausweitete. Die Euphorie im Dezember 2021 hatte sich bereits im Februar darauf in eine Durststrecke verwandelt.

“Wir mussten mehr als je zuvor auf die Kapitaleffizienz achten, ohne das Produkt zu gefährden.”

Wenn die Märkte einen Abschwung erleben, ist es für ein VC-finanziertes Unternehmen äußerst wichtig, schnell zu handeln. Wer mit schwierigen Entscheidungen zu lange zögert, findet sich schnell in einer Abwärtsspirale aus Kostenakkumulation, Cash-Burn und schließlich Konkurs wieder. Daher haben wir beim ersten Anzeichen des Abschwungs den Vorstand und das Führungsteam zusammengerufen und die Situation bewertet. Unser Ziel war es, innerhalb der nächsten 48 Stunden eine Entscheidung zu treffen.

Wenn die Märkte abkühlen, wird Kapitaleffizienz wichtig. Für ein Start-up ist es wichtig, sich Gedanken zu machen, wie lange die Finanzierung gesichert ist (runway). Ziel sollte sein, eine weitere Kapitalbeschaffung so weit wie möglich hinauszuzögern, bis sich die Märkte erholen. Wir modellierten also verschiedene konservative und optimistische Szenarien.

Alle Ideen sind willkommen, Entlassungen sind ausgeschlossen

Wir haben uns einige hochgesteckte Ziele gesetzt. Wir wussten, dass wir die Kapitaleffizienz in den nächsten Monaten verbessern mussten. Dennoch wollten wir weiter daran arbeiten, unseren Kunden einen noch größeren Mehrwert zu bieten. Sprich: Fokus aufs Produkt. Aber gleichzeitig war es uns auch wichtig, weiter ein sicherer Arbeitsplatz für das gesamte Team zu bleiben. Also haben wir unsere Wachstumsszenarien ausschließlich ohne Entlassungen modelliert.

Runway verlängern – und zwar so

Da wir ausreichend Kapita hatten, konnten wir die Runway auf drei bis vier Jahre verlängern, ohne jemanden entlassen zu müssen. Wir erreichten dies ohne Kostensenkungen. Stattdessen haben wir die Kosten in bestimmten Bereichen eingefroren.

Ziel war es, das Umsatzwachstum zu steigern und gleichzeitig nur die Mitarbeiterzahl im Bereich Product & Engineering zu erhöhen. Der Grund dafür ist leicht zu erklären: Man kann nur mit einem hervorragenden Produkt einen Mehrwert schaffen und eine ganze Branche verändern. Im Bausektor ist dies sogar besonders wichtig. Warum?

Konzentration auf das, was unsere Kunden weiterbringt

Die Baubranche ist heute eine der am wenigsten digitalisierten Branchen. Zusätzlich ist die Produktivität in den vergangenen 20 Jahren um nur 1% jährlich gestiegen. Das geht auch anders. Wir sehen ein riesiges Potenzial, analoge Arbeitsabläufe zu digitalisieren und so zu optimieren. Letzten Endes sparen wir unseren Kunden unzählige Stunden mühsamer Arbeit. Die Fokussierung auf die “Menge an eingesparter Zeit” als zentrales Wertversprechen wird einer der Schlüsselfaktoren für den Produkterfolg von uns sein.  

Kein Kostenstopp bei Product & Engineering

Ich bin davon überzeugt, dass nur eine Software mit hohem Anspruch an die Benutzerfreundlichkeit die angestrebte Zeitersparnis bringen kann. Und das Potenzial dafür ist da. Wie unser CEO Florian Biller zu sagen pflegt: “Schaut einfach aus dem Fenster und zählt die Baustellen, die ihr seht – das ist unsere Spielwiese, um die Art und Weise, wie dort gearbeitet wird, zu verändern.”

Um wirklich einen Mehrwert zu schaffen, ist es wichtig, auf das Feedback unserer Kunden zu hören und unsere Software schnell anzupassen. Deshalb konzentrieren wir uns jetzt auf die Einstellung von Team-Mitgliedern im Bereich Product & Engineering.

“Wir gewinnen als Team – alles andere ist keine Option.” 

Es sind einige Monate vergangen, seit wir diese Entscheidungen getroffen haben. Und unsere heutige Entwicklung bestätigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Um herauszufinden, welche Maßnahmen für uns die richtigen sind, bildeten unsere Unternehmenswerte stets die Leitplanken. Baiserend auf unserem Kernwert “win as a team”, haben wir sichergestellt, dass wir unsere Mission fortsetzen können, die Baubranche gemeinsam in eine digitalere Zukunft zu führen.

Über den Autor
Sebastian Schlecht ist Co-Founder & CTO bei Capmo, einem Technologie-Startup aus München. Mit der gleichnamigen Software digitalisiert das Unternehmen zeitraubende analoge Prozesse auf Baustellen. Schlecht, selbst Software-Entwickler, gründete Capmo im Jahr 2018 gemeinsam mit Florian Biller. Heute beschäftigt Capmo 100 Mitarbeiter, von denen ungefähr die Hälfte im Product & Engineering arbeitet.

Foto (oben): Shutterstock