Pagopace: Die Macht der Use-Cases
Der erste Pitch der zwölften Staffel von “Die Höhle der Löwen” hatte direkt schon eine Menge zu bieten: ein technisches Produkt, eine nicht ganz eindeutige Marktlage, viel Begeisterung, viel Skepsis, und Löwen, die sich nicht entscheiden konnten.
Doch von vorne: Steffen, Lukas und Bernhard präsentierten einen Ring, der einfaches, kontaktloses Bezahlen ähnlich dem Handy oder der Kreditkarte möglich macht. Wenn man das jedoch so nüchtern beschreibt, klingt es ein wenig, als ob man eben jetzt statt Karte, Smart Phone oder Uhr eben einen Ring an das Kartenlesegerät hält. Eben ein bisschen langweilig.
Die drei Gründer waren aber schlauer und haben ihren Pitch über einen Use Case eingeführt, der die Vorteile klar herausstellt. Denn der Aufbau verwunderte vorher schon ein wenig, die Strandbar und das Logo mit dem WiFi-angelehnten Symbol schienen irgendwie nicht zusammen zu passen und hatten die Löwen schon im Vorfeld ein wenig verwirrt. Doch der Vorteil beim Bezahlen an der Strandbar war schnell und gut zu erklären: der Pagopace-Ring ist robust und wasserdicht, kann also beim Baden im Meer getragen werden, das Mitnehmen und aufwändige Verstecken von Geldbörse und Smart Phone am Strand sind also nicht mehr nötig.
Die Löwen waren sofort begeistert, und Carsten Maschmeyer selbst fügte noch einen zweiten Use Case hinzu: das Skifahren. Denn als Wintersportler muss man oft umständlich in den vielen Taschen seiner Sportbekleidung wühlen, bis man seine gut verstaute Geldbörse überhaupt findet – schließlich soll sie bei stürmischen Abfahrten nicht herausfallen können. Die Gründer schalteten schnell, und machten diesen Use Case gleich noch etwas spannender: sie erwähnten, dass ihr Ring sogar unter dem Handschuh funktionieren würde. Ski- und Snowboard-FahrerInnen werden also direkt das Bild vor Augen gehabt haben, wie sie einfach ihre Hand an ein Bezahlgerät halten und in einer vielleicht recht kalten Umgebung nicht einmal einen Handschuh ausziehen müssen, um zum Beispiel ein Getränk oder einen Snack zwischen zwei Abfahrten zu bezahlen.
Und genau das ist die Kraft von Use Cases: gut erzählt und dargestellt lassen sie Bilder im Kopf der Zuhörer entstehen, führen sie selbst in die Situation und lassen sie sie in Gedanken durchspielen. So spüren sie den Nutzen regelrecht am eigenen Leib, und oft fallen ihnen noch weitere Vorteile des Produktes auf oder andere Situationen, in denen es noch nützlicher wäre. So wie Carsten Maschmeyer im obigen Beispiel.
Lebendige Use Cases haben aber noch einen weiteren Vorteil als die reine Illustration der Anwendung. Wenn es so gut läuft wie bei den Gründern von Pagopace, werden die Zuhörer – und damit eben meistens die potenziellen Investoren – regelrecht zu Verbündeten des Startups, denn sie selbst finden plötzlich neue Argumente und Möglichkeiten der Anwendung für das Produkt. Dadurch kann der psychologische Abstand zwischen beiden zusammenschrumpfen, man fühlt sich verbundener, hat irgendwo etwas gemeinsam. Zur Wegbereitung eines Investments kann das ein sehr wertvoller Schritt sein, denn jemand, mit dem man sich verbunden fühlt, dem sagt man natürlich nur noch ungerne ab.
Natürlich ist das zur Verdeutlichung alles ein wenig überspitzt formuliert, aber unterschätzen sollte man diese Effekte auch nicht. Ein bis zwei gut ausgearbeitete Use Cases können gut präsentiert in einem Pitch durchaus eine Begeisterung auslösen, die einem weiterhilft. Es ist allerdings ein schmaler Grat, denn man muss die möglichst perfekte Balance zwischen gut vorstellbarer Beschreibung und gleichzeitiger Offenheit für die Ideen der Zuhörer finden. Wenn man seinen Use Case zu gut beschreibt, bleibt für die Fantasie der Zuhörer nichts mehr zu tun, beschreibt man ihn zu wenig, versetzen sie sich vielleicht gar nicht erst in die Situation hinein. Genauso viel sollte es also sein, dass das “Kopfkino” des Gegenübers angeht – und die Dinge dann selbst weiter ausschmückt.
Das hatten Pagopace bei den Löwen also geschafft, auch ihre ersten Verkaufszahlen – circa 3000 Stück und 250.000 Euro Umsatz in den ersten 4 Monaten – beeindruckten durchaus. Doch dann kam die Frage nach dem Wettbewerb, und irgendwie schien es, als ob es doch noch holprig werden sollte. Denn die Gründer mussten zugeben, dass es ähnliche Produkte aus anderen Ländern durchaus schon gab, aber davon anscheinend niemand große Stückzahlen hatte verkaufen können.
Das ließ die Löwen dann ein wenig zweifeln, ob es in diesem Fall wirklich anders werden konnte, und bald stiegen Nils Glagau und – heute ja als Duo auf einem Doppelsessel anwesend – Dr. Georg Kofler und Ralf Dümmel aus.
Doch Carsten Maschmeyer war nach wie vor interessiert und stieg in die Verhandlung ein, was die Gründer besonders begeisterte. Nach ein wenig Hin-und her einigten sie sich schließlich auf 200.000 Euro für 15 statt der angebotenen 10 % – allerdings soll der Löwe noch weitere 5 % bekommen, wenn er bestimmte Meilensteine zur Internationalisierung erfüllen hilft.
Ob es tatsächlich die Begeisterung aus den anfangs erwähnten Use-Cases war, die so lange gehalten hat, oder ob der Finanzexperte zum Beispiel neben dem reinen Verkauf der Ringe noch weitere Möglichkeiten im Geschäftsmodell des Kölner Teams gesehen hat, das ist so natürlich schwer zu sagen.
Pagopace und sein neuer Löwenpartner werden bald jedoch sehr viel mehr Menschen als nur Wasser- und Wintersportler ansprechen wollen, wir dürfen gespannt sein!
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