“Kund:innen mit massivem Rabatt sind besser als kostenfreie Pilotphasen”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Tobias Bäumler, Gründer von Vitas. Das Unternehmen aus Nürnberg entwickelt KI-basierte
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Es gelingt mir leider nicht immer, aber ich starte gerne etwas früher in den Tag. Für mich persönlich ist es angenehmer morgens Zeit für mich selbst zu nehmen, um nicht direkt in die Arbeit springen zu müssen. Danach verschaffe ich mir erstmal einen Überblick über den Tag. Anstehende Termine werden vorbereitet und ich versuche außerdem meine vielen Gedanken und Notizen des vorherigen Tages zu ordnen und zu strukturieren. Dafür blocke ich mir auch extra die Morgenstunden in meinem Kalender, um mich vollends darauf konzentrieren zu können.
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Ganz klassisch am liebsten draußen in der Natur und einem Podcast. Die meiste Arbeitszeit verbringe ich – wie viele andere vermutlich auch – im Büro vor meinem Bildschirm. Da ist es eine gelungene Abwechslung die frische Luft genießen zu können und weit abseits des Büroalltags zu sein. Das hilft mir enorm, um den Kopf frei zu bekommen und Platz für neue Ideen zu schaffen. Ansonsten bin ich auch gerne unterwegs und mache viele Kurztrips. Dadurch wechsle ich meinen Blickwinkel und finde den passenden Ausgleich. Hier kann ich auch die Vorteile des digitalen Arbeitens für mich nutzen.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Ich hätte gerne überhaupt früher den Kontakt zur Gründerszene gehabt. In Nürnberg ging das Thema gefühlt erst 2017 so richtig los, da habe ich die Hochschule gerade verlassen. Wahrscheinlich hätte ich schon früher mal etwas gestartet, wenn es die ganzen Programme, Einrichtungen und Coachings schon gegeben hätte, als ich mitten im Bachelor war. Eine weitere Erkenntnis auf dem Weg war, dass man nie wirklich vorbereitet ist auf das, was kommt. Es macht also keinen Sinn sich vorher verrückt zu machen oder es aufgrund scheinbar mangelnder Kenntnisse sein zu lassen. Man löst die Probleme auf dem Weg und nicht schon alles vorneweg – und findet dafür auch immer Unterstützung!
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Definitiv die Bürokratie. Seien es staatliche Förderprogramme oder die Gründungsvorbereitung für den Notar – der deutsche Weg eines Startups ist gepflastert mit Formularen, Anträgen und Zusatzblättern. Am Ende geht es dann darum, dranzubleiben und sich einfach durchzubeißen bis man jemanden einstellen kann, dem/der das Ganze sogar Spaß macht.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Fehler lassen sich nie vollends vermeiden und gehören dazu. Die größten Lehren haben wir aus fehlendem Fokus und den dadurch zu starken Kursänderungen in unserer Strategie gezogen. Wir haben uns anfangs noch sehr von einzelnen Kundenstimmen beeinflussen lassen und vieles neu umgeworfen. Mit steigendem Selbstbewusstsein und wachsendem Team haben wir das aber sehr gut eingestellt. Natürlich legen wir immer noch sehr großen Wert auf die Meinung und das Feedback unserer Kunden, jedoch haben wir gelernt strukturierter damit umzugehen, um nicht permanente Unruhe ins Unternehmen zu bringen.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Neben der fachlichen Expertise achten wir vor allem darauf, dass die potentiellen Mitarbeitenden gut ins Team passen. Wir suchen also gezielt nach Kolleg:innen, mit denen man auch in den Urlaub fahren würde. Der eigenen Motivation hilft es extrem, wenn man persönlich auf einer Linie ist, denn wir verbringen sehr viel Zeit miteinander. Da fällt die Arbeit viel leichter, wenn man weiß, dass alle Gas geben, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Probiert eure Idee so schnell wie möglich am Markt aus! Kund:innen mit massivem Rabatt sind besser als kostenfreie Pilotphasen, weil man leider kein echtes Feedback erhält – das mussten wir selbst auch erst lernen. Es wird immer viele individuelle Kundenwünsche geben, jedoch sollten diese auch preislich berücksichtigt werden, um nicht in eine völlige Wunschkiste abzudriften. Und ansonsten hab ich immer das Zitat von Reid Hoffman, einem der Gründer von LinkedIn im Hinterkopf: „Wenn dir die erste Version deines Produktes nicht peinlich ist, hast du es zu spät auf den Markt gebracht“.
Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Hubspot und ArchBee. Alle anderen Kommunikationstools könnte man – widerwillig aber kurzfristig – ersetzen, aber in diesen beiden Tools liegt unser gesamtes Wissen und in ersterem auch der Großteil unserer automatisierten SalesOps.
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Bei uns spielen verschiedene Faktoren eine wichtige Rolle, um die Mitarbeitenden motiviert und bei guter Laune zu halten. Ein wichtiger Punkt ist die Begrenzung des minimal notwendigen Ernstes in der jeweiligen Situation. Außerhalb von kritischen Themen albern wir im Team schon viel und gerne rum und veranstalten auch regelmäßig Teamevents oder Workations, die ihr Übriges dazu beitragen, dass alle miteinander klar kommen und morgens Bock auf die Arbeit haben. Auch die Möglichkeit trotz flexibler HomeOffice-Regelung wieder gemeinsam im Büro an unserer Vision zu arbeiten hilft da natürlich sehr, ein gutes Teamgefühl zu etablieren.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Da ist es wirklich schwer sich auf eines festzulegen. Anfangs ging schon einiges drunter und drüber: Zeitgleich zu unserem Marktstart in der Gastronomie begann die Corona-Pandemie – ein denkbar schlechtes Timing für uns. In dieser Zeit sind wir auch in ein neues Büro mit unserem Inkubator gezogen und standen vor einer sehr knappen Finanzierungsrunde. Wenn ich mich jedoch festlegen müsste, würde ich sagen der Umschwung von den Branchenlösungen auf die branchenunabhängige Plattform-Lösung. Vorher waren immer mehrere Projekte aktiv, Business und Technik hatten andere Prioritäten – erst seit dieser Entscheidung ziehen wir alle am selben Strang. Wir haben in unglaublich kurzer Zeit einen MVP der Plattform entwickelt und ein halbes Jahr später schon das erste Redesign und die ersten 100 Kunden gehabt, das ist im Nachhinein gesehen unser Grundstein für die Skalierung unseres Startups.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.