#Gastbeitrag
Es ist nie die erste Idee: Gründung auf Umwegen
„Es ist nicht immer gleich die erste Idee, die funktioniert. Wer ein Startup aufbaut, muss anpassungsfähig bleiben und gegebenenfalls umdenken.“ Wenn ich Gründer:innen einen ersten Rat mit auf den Weg soll, dann ist es dieser. Ich selbst ging 2019 zusammen mit meinem Co-Founder Kevin Freise mit Unchained Robotics an den Start. Inzwischen sind wir ein 20-köpfiges Team und bieten eine unabhängige und transparente Plattform für Automatisierungstechnik. Unserer Vision, Industrieautomatisierung zu vereinfachen und zu beschleunigen, blieben wir treu. Unsere erste Idee, wie wir das schaffen können, sah aber ganz anders aus.
Am Anfang war eine Vision
Initialzündung war 2018 mein Aufenthalt in China. In Beijing habe ich Logistikprozesse innerhalb der Fertigungshallen eines deutschchinesischen Joint Ventures optimiert. Mich hat beeindruckt, wie flexibel und einfach sie dort in die Automatisierung einsteigen. In Deutschland ist das ganz anders. Alles muss von A bis Z durchgeplant sein. Der Vorlauf ist länger, die Bedenken sind größer. Zu groß, denn: Robotik ist keine Raketenwissenschaft. In Deutschland wird sie aber immer noch als diese verkauft. Als elitäre Technologie, die nur den großen Konzernen vorbehalten ist. Und als Vernichter von Arbeitsplätzen. Dabei können Roboter vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels wichtige Aufgaben übernehmen oder solche, die für die Mitarbeitenden gesundheitsschädlich sind – wie das Heben schwerer Lasten. Unsere Ausgangsfragen waren also: Wie können wir die Automatisierung in Deutschland vorantreiben? Wie können wir Robotik allen zugänglich machen? Denn eines war klar: Um wettbewerbs- und zukunftsfähig zu bleiben, muss die deutsche Wirtschaft in puncto Automatisierung einen Gang höher schalten.
Die Kunst ist, immer wieder umzudenken, umzuschwenken
Unsere erste Geschäftsidee: Wir steigen in die Entwicklung ein und bringen intelligenten Robotern das Sehen und Denken bei, damit diese deutlich flexibler an die Arbeit gehen können als die starren, vorgeplanten Systeme. Dafür suchten wir Kunden in der Industrie, um unsere Idee zu validieren. Wir sahen aber, dass wir erst greifbare Technik liefern mussten, damit es potentielle Anwender verstehen, denn die Idee war für die meisten doch noch Science Fiction. Wir mussten also umdenken und so klein wie möglich starten. Denn: Wir waren noch Studenten. Wir konnten uns gerade mal einen „Spielzeugroboter“ leisten. Dem haben wir dann beigebracht, Sprachbefehle zu verstehen und Objekte zu erkennen, beispielsweise um sie anzureichen. Damit hatten wir bewiesen, dass die Kombination aus Sprachverarbeitung und Bilderkennung möglich ist. Für uns war das eine Riesenerkenntnis und ein Durchbruch. Der Dämpfer kam dann erst später. Zwar fanden wir viele potentielle Kunden und Interessenten, die die Technologie toll fanden, aber der Weg war noch sehr lang, um ihnen auch ein bezahlbares Produkt anzubieten.
Wir versuchten es also auf einem anderen Weg und schauten uns etliche Fabriken an, ob sich unsere Lösung dort anwenden lässt. Was wir vorfanden, hätten wir so nie erwartet. Von Industrie 4.0 keine Spur, auch wenn viel über die vernetzte Fabrik gesprochen wird. In der Realität werden gerade im breiten Mittelstand – immerhin dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft! – selbst monotone und einfachste Arbeiten immer noch von Hand gemacht. Wir erkannten: Die Welt ist noch gar nicht so weit, wie wir dachten. Mit unserem KI-gesteuerten Modell würden wir potentielle Kunden regelrecht überfordern. Diese Erkenntnis hat uns erneut zum Umdenken gebracht. Nun haben wir uns gefragt: Warum gibt es diesen großen Gap?
Die Unternehmen waren auf der Suche nach Klarheit
Bei Gesprächen stellen wir fest, dass sich eigentlich niemand für die Technologie interessiert. Die Kund:innen interessieren sich für den Return of Invest, für das Preis-Leistungsverhältnis. Gerade das ist der Knackpunkt: Für die meisten ist es schwierig, die einzelnen Technologien miteinander zu vergleichen, festzustellen, was es überhaupt auf dem Markt gibt und welche Lösung am besten passt. Der übliche Weg über das Einholen mehrerer Angebote dauert schon mal drei bis sechs Monate und bringt oft auch nicht mehr Klarheit. Die Unternehmen, die eigentlich automatisieren möchten, geraten in eine Zwickmühle und kommen nicht wirklich weiter. Damit war Unchained Robotics, so wie es heute ist, geboren. Wir wollen dem breiten Mittelstand einen leichten Zugang zur Automatisierung bieten.
Die Plattform war geboren
Unsere digitale Plattform dient der einfachen Suche, Auswahl und Integration von Robotern in Fertigungsprozessen. Intuitiv können Unternehmen Standardbausteine auswählen und diese so zusammensetzen, wie es für ihre Anforderung passt. Wie wenn man sich einen Sneaker individuell zusammenstellt. Inzwischen führen wir mehr als 300 Produkte führender Marken – immer mit transparenten Kosten. Und wenn unsere Kunden möchten, begleiten wir sie auf dem kompletten Weg der Einführung. Insgesamt kommen die Unternehmen so schneller in die Automatisierung.
Fazit
Wenn ihr eine Idee mit Impact habt, eine Vision, dann bleibt ihr treu. Verbeißt euch aber nicht in der ersten Umsetzungsidee. Bleibt offen, lernt aus dem, was euch begegnet, tauscht euch aus. Macht den Realitätscheck, justiert nach oder – wenn nötig – denkt in eine völlig neue Richtung.
Über den Autor
Robotik und Automatisierungstechnik allen zugänglich machen – das ist die Mission von Mladen Milicevic und Unchained Robotics. Der gelernte Wirtschaftsingenieur hat die unabhängige Plattform Unchained Robotics 2019 gemeinsam mit Kevin Freise in Paderborn gegründet. Bei einem deutsch-chinesischen Joint Venture hatte Mladen vor Ort in Beijing gesehen, wie kinderleicht Robotik in der Industrie eingesetzt werden kann. Zurück in Deutschland wusste er, damit Deutschland langfristig wettbewerbsfähig bleibt, braucht auch der hiesige Mittelstand eine große Robotik-Offensive. Unchained Robotics war geboren.