“Es ist verrückt, wie abhängig man von Behörden und Banken ist”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Martin Peters, Gründer von DropFriends. Das Kölner Startup positioniert sich als Paket-Community.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Als Gründer habe ich festgestellt, dass man die aktuellen Nachrichten, die nicht zwingend etwas mit dem eigenen Unternehmen zu tun haben, schon mal völlig aus den Augen verlieren kann. Daher habe ich beim Start und am Ende des Tages die Routine, mich über das Weltgeschehen zu informieren, um einen klaren Ausgangspunkt beziehungsweise Endpunkt für den Tag für den Menschen Martin zu definieren. Natürlich benötigt der Hund des Hauses auch noch sein Frühstück und ich baue mein 2-Minuten-Set-up für die Remote Work im Wohnzimmer auf. Als Remote-Company sind Videocalls zentral. Da habe ich bei begrenztem Wohnraum ein mobiles Streaming-Equipment, dass flott auf- & abgebaut ist.
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Das ist nicht immer leicht, doch das Abschalten gelingt mir nur mit der Familie. Gemeinsam mit meiner Partnerin gehen wir unserer abendlichen Routine nach. Wir kochen oder wir bestellen uns etwas zu essen, gehen zusammen mit dem Hund spazieren und genießen Serien oder Filme. Wir sind ein Nerdhaushalt und da bietet die moderne Popkultur genug Stoff zum Ablenken. Wobei darin auch oft sehr viel Inspiration zu finden ist. Ein paar DropFriends-Prozessschrauben bewegen sich aber eigentlich auch am Abend im Kopf. Geht es nicht allen Eltern mit ihren Babys so?
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Man kann sich so gut vorbereiten, wie man möchte, es geschehen immer unvorhergesehene Dinge. Das kann ein weltweiter Virus sein oder die Tatsache, dass es immer Menschen gibt, die meinen, es besser zu wissen oder dekonstruktiv kritisch sind. Das kann einen durchaus verunsichern. Uns ist auch aufgefallen, dass es zahlreiche Förderprogramme für GründerInnen gibt, sofern sie aus der Uni heraus agieren oder gerade fertig geworden sind. Wir haben den Eindruck gewonnen, dass der Start einer Plattform-Unternehmung von ehemaligen Arbeitnehmern nicht so stark durch Organisationen und Behörden gefördert wird. Das hat uns doch arg erstaunt.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Es ist verrückt, wie abhängig man von Behörden und Banken ist. Natürlich war der Weg zum Notar nicht komplex. Aber die Tatsache, dass es ein Business-Bankkonto benötigt, um die Einzahlung einer Stammeinlage nachzuweisen, dass man aber erst erhält, wenn man bereits ein Unternehmen führt – das hat uns sprachlos gemacht. Das System baut im Grunde aktuell nur auf Duldung auf und kostet so viel Zeit. Und wir haben die Erfahrung machen müssen, dass sowohl Hausbanken wie auch Neobanken einem rasche Eröffnungsprozesse versprechen, – aber letztlich doch Tage ins Land gehen. Hinzu kommt, dass man keinen Einfluss auf die Schnelligkeit des Handelsregistereintrags hat. Die Vergabe einer Steuernummer hängt schließlich davon ab. Und solange man keine Steuernummer hat, da ist das Ausstellen von liquiditätssichernden Rechnungen schwierig, wenn man eine komplexe Nacharbeit vermeiden will. Drei Monate mussten wir darauf warten. Dadurch ist uns ein Jahr später sogar die Möglichkeit genommen worden, an einem Wettbewerb teilzunehmen, weil das Datum des Handelsregistereintrags als Gründungsdatum zählt und nicht das Datum des Notartermins. Da fielen wir dann tatsächlich aus den Teilnahmekriterien raus, obwohl wir als GründerInnen-Team darauf gar keinen Einfluss hatten.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
In gewissen Fragen ist der schlaueste Mentor tatsächlich der eigene Bauch. Wenn da irgendetwas schon zwickt, dann hat das sicherlich seine Gründe. Da hätte ich zu Beginn in zwei Situationen schneller drauf hören sollen. Nichts Kritisches, aber ich hätte uns Aufwand erspart. Ich musste mich auch loslösen vom Glauben des kaufmännischen Handschlags und von der Selbstverständlichkeit des Einhaltens üblicher gesellschaftlicher Konventionen. Das war beim Start schon naiv von mir. Ghosting ist da ein ganz großes Thema, mit dem ich mich auseinandersetzen musste. Ich habe aber gelernt damit umzugehen, wenn Gesprächspartner nach Wochen oder Monaten den Kontakt wortlos abbrechen. Das hat mich zu Beginn wirklich wahnsinnig gemacht. Ich kannte den Begriff Ghosting bisher tatsächlich nur von Freunden aus dem Bereich „Dating“.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Uns war es von Anfang an wichtig, dass wir ehrlich und authentisch rüberkommen. Daher sind wir mit einem Blog ins Rennen gegangen. Dort berichten unsere MitarbeiterInnen über ihren Alltag, über Dinge, die sie bewegen und auch über Erfolge und Hürden. Das gibt BewerberInnen einen ersten Eindruck über unsere Arbeitsweise und wie wir interagieren.
Zudem lassen wir unsere MitarbeiterInnen wählen, ob sie lieber Heilig Abend oder eben am Zuckerfest bzw. Opferfest Urlaub haben möchten. Auch ist natürlich Weiberfastnacht und Rosenmontag bei uns als Kölner Startup frei. Trotz Remote Work. Besonders legen wir aber Wert auf den 04. Mai, den jeder im Kalender unter „Frei“ notiert hat. Das ist der Star Wars Day. Wir sind eine nerdige Truppe und ein Filmmarathon benötigt Zeit. Mit solchen Mitteln heben wir uns aus der Masse positiv ab.
Auch hilft es, Kooperationen mit Startups aus der Umgebung einzugehen, die im Recruitment Sektor unterwegs sind. Dort kann man einfachste Fragen beantwortet bekommen und sich auch gegenseitig unter die Arme greifen. Das hat wirklich sehr geholfen. Aber auch Networking Events sollte man wahrnehmen.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Habt den Mut zur Lücke. Ihr könnt so viel lesen wie ihr wollt, die tollsten Mentoren um euch haben und den IQ von Einstein vorweisen. Aber ihr könnt niemals alles wissen. Gesteht euch ein, dass zum Lernen mindestens eine Frage gehört. Antworten gibt es nur auf Fragen. Wenn ihr nicht weiterwisst, dann ziert euch nicht in der Startup Community, bei Inkubatoren oder im Co-Workingspace fremde UnternehmerInnen aus bestimmten Bereichen nach ihrer Meinung oder Hilfe zu fragen. Das gilt auch für Linkedin. Schreibt Experten an und fragt. Man bekommt tatsächlich positive Nachrichten zurück.
Ohne welches externe Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Zu Beginn war es MS Teams, dass unsere Kommunikation zentralisierte. Das war ungemein wichtig. Inzwischen sind wir zu Google Workspace gewechselt. Kommunikation ist immer DER Schlüssel. Vor allem wenn man ein virtuelles Office betreibt. Entsprechend ist aber auch Transparenz unglaublich wichtig für uns. Das schaffen wir, indem jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter, aber auch das gesamte GründerInnen-Team Tickets in Trello über tägliche und wöchentliche Aufgaben platziert. So sieht jedes Team-Member welche Aufgaben anstehen, welche Tasks abgearbeitet worden sind oder wo ein Feedback benötigt wird. Pure faire Transparenz. Und die Softwareentwicklung wird per Jira abgebildet. Auch Git ist natürlich hier klar zu benennen. Ohne gehts bei uns nicht.
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Unser Organisationsleben ist an Scrum angelehnt. Entsprechend starten wir die Woche mit einem Planning und beenden es mit einer Retrospektive. Heißt: Wir planen die Woche am Montag und tauschen uns freitags sowohl über privates wie auch über geschäftliche Dinge aus. Was hat einen wütend, traurig oder glücklich gemacht? Da lernt man die Menschen bei einem kühlen Getränk auch virtuell wirklich kennen. Zudem spielen wir zum Abschluss meistens noch gemeinsam Minigames. Miteinander und gegeneinander. Das schweißt über Ehrgeiz und Humor sehr zusammen. Unsere Teammitglieder hatten beim letzten Messebesuch davon geschwärmt, dass sie den Eindruck haben, dass man sich durch die Arbeit im gemeinsamen Office so richtig kennt. Dabei sitzen sie während der klassischen Arbeitszeit alle auf der heimischen Couch, auf dem Balkon oder in einem Café. Bei der Messe haben sich MitarbeiterInnen das erste Mal in Person gesehen. Nach über einem Jahr. Es war wie eine Klassenfahrt. Richtig toll.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Da gab es viele Momente. Tatsächlich war es aber die Adventszeit 2020. Wir hatten die Gelegenheit, unter Pandemiebedingungen für die Teilnahme beim startport Accelerator des Duisburger Hafens zu pitchen und kurz darauf bei den Winter Finals des Rheinland-Pitches anzutreten. Da bereitet man sich natürlich vor. Nebenbei entwickelten wir unsere SaaS Lösungen und API.
Einen Tag vorm startport Pitch wurde ich darüber informiert, dass es meiner Mutter unerwartet sehr schlecht gehen würde und ich mich verabschieden sollte. Eine Woche später verstarb sie. Zwei Wochen später gewannen wir den Rheinland Pitch #98 und launchten die SaaS Lösungen und die API. Auch zum 1-Jahres-Startport Accelerator haben wir es geschafft. Mehr Berg- und Talfahrt kann ich mir nicht vorstellen.
Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness
In unserem Themenschwerpunkt Köln werfen wir einen Blick auf das Startup-Ökosystem der Rheinmetropole. Wie sind dort die Voraussetzungen für Gründer:innen, wie sieht es mit Investitionen aus und welche Startups machen von sich reden? Mehr als 550 Startups haben Köln mittlerweile zu ihrer Basis gemacht. Mit zahlreichen potenziellen Investoren, Coworking-Spaces, Messen und Netzwerkevents bietet Köln ein spannendes Umfeld für junge Unternehmen. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderung. #Koelnbusiness auf LinkedIn, Facebook und Instagram.