“So ist aus einem Nebenprojekt eine Firma gewachsen”
Mit MeinBafög digitalisieren Philipp Leitzke, Pascal Heinrichs und Alexander Rodosek seit 2017 den BAföG-Antrag. “Wir wollten im ersten Moment, dass dieser Antrag einfach leichter von der Hand geht und besser funktioniert. Um das zu ermöglichen, haben wir ein zugrunde liegendes System entwickelt, mit wem wir solche Anträge, die letztlich nichts anderes sind als Entscheidungsbäume, einfach digitalisieren können”, erklärt Gründer Leitzke das Konzept.
Später starteten hievten die Kölner dann noch dasElterngeld.de ins Netz. “Aktuell haben wir über 401.967 Studierende und Eltern, die über uns einen Antrag erstellt haben, wir schaffen mit unserem Content monatlich über eine Millionen Impressionen auf Google und haben 17 wunderbare Personen die an unserer Firma arbeiten, davon acht in Festanstellung”, sagt MeinBafög-Macher Leitzke zum Stand der Dinge in seinem Unternehmen.
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Leitzke außerdem über Bootstrapping, Lehrgeld und Remote First.
Wie würdest Du Deiner Großmutter MeinBafög bzw. dasElterngeld.de erklären?
Mit meinBafög.de helfen wir Studierenden innerhalb von 30 Minuten, ihr Studium durch BAföG und Studienkredite finanzieren zu können. Mit dasElterngeld.de helfen wir – werdenden – Eltern innerhalb von 30 Minuten, statt dreieinhalb Stunden mit Stift und Papier, Elterngeld online zu beantragen. Zu Beginn haben wir einfach den BAföG-Antrag digitalisiert. Wir wollten im ersten Moment, dass dieser Antrag einfach leichter von der Hand geht und besser funktioniert. Um das zu ermöglichen, haben wir ein zugrunde liegendes System entwickelt, mit wem wir solche Anträge, die letztlich nichts anderes sind als Entscheidungsbäume, einfach digitalisieren können. Ein recht ähnlicher Antrag den wir uns dann als nächstes vorgenommen haben, war dann der Antrag auf Elterngeld. Das Spiel könnte man weitertreiben und jede Menge weitere Anträge digitalisieren, wie etwa Wohngeld, wir haben aber auch gelernt, dass unsere Zielgruppen noch andere Bedürfnisse neben genau diesen beiden Anträgen haben. Beispielsweise finanzieren die wenigsten Studis ihr Studium nur über BAföG, meistens handelt es sich um eine Mischfinanzierung beispielsweise in Kombination mit einem Nebenjob oder einem Studienkredit. Wir wollen erreichen, dass Studierende die zu uns kommen ihr Studium komplett aber auch sinnvoll und zu möglichst günstigen Konditionen finanzieren können. Daher kann man mittlerweile auch den KfW-Studienkredit bei uns beantragen und wir werden unser Angebot noch weiter ausbauen. Das gleiche gilt dann auch für die frisch gebackenen Eltern.
Wie ist die Idee zu MeinBafög entstanden?
Wir waren zu Beginn des Studiums selber in der Situation, dass wir unser Studium finanzieren mussten. Wir haben zwar neben dem Studium auch gearbeitet, aber zwei von uns haben auch BAföG beantragt. Darunter war Pascal, unser Programmierer, der sich auch direkt gefragt hat, warum das noch nicht besser geht – es war anno 2011. Daher kam die Idee, und im Jahr 2014 ist aus der Idee der handfeste Plan geworden, das Ganze selber anzugehen und diesen Antrag doch mal zu digitalisieren und zu vereinfachen, mit einfacher Sprache, besserer Zugänglichkeit und massiver Zeitersparnis für die Antragsteller.
Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Auch das hat sich natürlich in den mittlerweile fünf Jahren seit Gründung gewandelt. Aber erstmal grundsätzlich: Für den Antrag auf BAföG müssen Studierende einmalig eine Service-Gebühr von 24,99 Euro zahlen, das gleiche gilt für Eltern und den Elterngeldantrag. Für erfolgreich vermittelte KfW-Studienkredite werden wir direkt von der KfW vergütet. Zu Beginn haben wir uns als reine Online-Plattform verstanden, auf der alles komplett automatisiert laufen soll, ohne dass irgendwer bei uns manuellen Aufwand mit der Bearbeitung von Anträgen hat. Im Kern stimmt das auch, die Anträge sollen unsere Nutzer komplett selbstständig und ohne unser Zutun erledigen können. Aber gerade wenn wir darüber sprechen, dass junge Menschen ihr Studium finanzieren wollen, dann stellt man schnell fest dass es auch einen hohen Beratungsbedarf gibt. Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es überhaupt, welche davon sind sinnvoll, welche davon passen ganz individuell zu der Person, die sich gerade auf unserer Plattform bewegt? Wir haben mittlerweile viel Informations-Content dazu aufgebaut und werden auch in dem Bereich weiterwachsen, allerdings sind die Themen sehr komplex und jemand der gerade die Schule verlässt wird quasi erschlagen mit Informationen aus Themenbereichen, mit denen man sich vorher noch die beschäftigen musste. Deshalb stehen wir auch beratend zur Seite, sozusagen als Studienfinanzierungsberatung, wo wir den Fokus darauf legen, wie hoch der Finanzierungsbedarf überhaupt ist und welche die günstigsten Optionen sind. Und ehrlicherweise muss man mit diesem Ansatz immer zuerst BAföG empfehlen, weil die Hälfte des Auszahlungsbetrags ein Zuschuss vom Staat und damit geschenkt ist, womit es keine günstigere Finanzierungsform gibt. Allerdings ist nicht jeder BAföG-berechtigt und oft reicht das BAföG allein nicht aus, und für diese Fälle wollen wir natürlich auch passende Lösungen bieten.
Wie hat sich MeinBafög seit der Gründung entwickelt?
An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass wir komplett eigenfinanziert sind. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, den Weg ohne Investoren zu gehen und das Unternehmen aus eigenen Mitteln aufzubauen. Als wir die Plattform meinBafög.de im Januar 2017 live genommen haben, hatten wir nach den ganzen Gründungskosten etc. ein Restbudget von 600 Euro, dass wir für Marketing via Google genutzt haben. So waren wir natürlich gezwungen, jeden Pfennig umzudrehen und immer nur das Geld zu reinvestieren, dass wir bereits eingenommen haben. Dann passiert Wachstum natürlich auch etwas langsamer als mit größerem Kapital im Rücken, dafür aber vielleicht einfach nachhaltiger. Und so ist aus einem Nebenprojekt, das wir zu dritt neben unseren Jobs betrieben haben, eine Firma gewachsen, bei der wir uns nach und nach selber anstellen und auch neue Stellen schaffen konnten. Wir werden unseren Umsatz in diesem Jahr einmal mehr verdoppeln können. Aktuell haben wir über 401.967 Studierende und Eltern, die über uns einen Antrag erstellt haben, wir schaffen mit unserem Content monatlich über eine Millionen Impressionen auf Google und haben 17 wunderbare Personen die an unserer Firma arbeiten, davon acht in Festanstellung.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Also so richtig katastrophal schiefgelaufen ist eigentlich nichts, sonst wären wir vermutlich nicht mehr hier. Aber natürlich gibt es Dinge, wo wir rückblickend betrachtet die falschen Entscheidungen getroffen haben, unnötig Geld für Sachen ausgegeben haben, die uns nicht voran bringen oder schlicht zur falschen Zeit an den falschen Ansätzen gearbeitet haben.
Eine Entscheidung, die uns damals weh getan hat und bei der wir direkt mehrere Fehler gemacht haben, war uns ein TÜV-Siegel für Datenschutz zuzulegen. Unsere ungeprüfte These war, dass unseren Nutzern Datenschutz extrem wichtig ist und das vielleicht viele Leute, die unsere Plattform finden, ihren Antrag aus Datenschutzbedenken nicht bei uns Stellen, weil ja sehr sensible Angaben getätigt werden müssen. Wir dachten wir würden mit einem entsprechenden Siegel unsere Conversion-Rate enorm steigern. Also haben wir uns im ersten Gründungsjahr vom TÜV für Datenschutz zertifizieren lassen, was uns neben viel Arbeitsaufwand auch ca. 20.000 Euro gekostet hat, was damals enorm viel Geld für uns war. Als wir dieses Siegel dann hatten, haben wir das natürlich prominent auf unserer Seite eingebunden, um unseren Nutzern ein gutes Gefühl zu geben, um zu zeigen dass die so sensiblen Daten bei uns sicher sind und um damit verbundene Bedenken zu zerstreuen. Der Effekt des Siegels auf Lead- und Conversion-Rates oder sonstige relevante KPIs lag letztlich aber bei Null – also wirklich bei Null. Wir haben einfach für unser Wachstum sehr wichtiges Kapital verpulvert, weil wir unsere These vorher nicht ausreichend validiert haben, was umso verrückter ist, weil wir eigentlich sonst jede Änderung auf unserer Plattform beispielsweise über A/B-Tests validiert haben. Rückblickend bin ich aber der Überzeugung, dass uns das viel gebracht hat. Wir haben früh teures Lehrgeld gezahlt und damit gelernt, noch besser zu wirtschaften und unsere Thesen zu prüfen. Außerdem haben wir mittlerweile eine Datenschützerin bestellt. Ihrer Aussage nach hat sie noch nie ein Startup gesehen, das bereits zu Beginn ihrer Arbeit so gut im Bereich Datenschutz aufgestellt war was uns dann natürlich in jüngerer Vergangenheit wieder Zeit, Mühe und Geld gespart hat.
Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Alles richtig gemacht ist hart formuliert, aber viel richtig gemacht haben wir an mehreren Stellen. Wir haben es bisher immer geschafft, zur richtigen Zeit die richtigen Maßnahmen zu treffen, um den nächsten Wachstumsschritt zu machen. Beispielsweise der Zeitpunkt, wann wir den nächsten Marketingkanal erschließen, über den wir wachsen, oder welche Features uns ein essentielles Wachstum bescheren können und wann wir diese implementieren. Unser Wachstum ist immer darauf ausgerichtet, nachhaltig zu sein. Wir suchen ganz bewusst Partnerschaften und Kooperationen auf Augenhöhe, damit diese längerfristig Bestand haben und von einer gewissen Kontinuität leben können, damit wir nicht mit einmal Arbeitsleistung einmal Geld verdienen, sondern aus einmaliger Arbeitsleistung ein stetiges Umsatzplus generieren. Ich glaube das zeichnet uns aus und macht uns erfolgreich.
Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Es schadet nicht, viele Dinge zu Beginn selber zu machen. Ich habe auf einigen Startup-Veranstaltungen den sicher gut gemeinten Rat gehört, möglichst viele Dinge an Experten auszulagern. Klar, jemand der sich beispielsweise täglich mit SEO beschäftigt, hat sicher mehr Ahnung davon als ich, wenn ich mich ein paar Wochen mal darin einlese und das bei mir eine von vielen Aufgaben ist. Wir sind mittlerweile auch an dem Punkt, an dem wir eine SEO-Agentur beschäftigen, die nichts anderes machen als unser SEO auf Vordermann zu bringen. Aber ich bin auch der Überzeugung, dass es unternehmerisch absolut wertvoll ist, wenn ich als Gründer für das Gros der Aufgabenbereiche, die es in meinem Unternehmen gibt, zumindest ein Grundverständnis habe. Das hilft mir die Arbeit besser zu schätzen, einzuschätzen und zu bewerten.
Wo steht MeinBafög in einem Jahr?
Wir werden eine oder zwei große neue Kooperationen haben, werden mindestens drei bis fünf neue Mitarbeiterinnen eingearbeitet haben und mindestens eine weitere neue Möglichkeit für die Studienfinanzierung anbieten können. Wir werden Eltern neben dem Elterngeldantrag bei mindestens einer weiteren typischen Problemstellung in diesem Lebensabschnitt helfen.
Reden wir zudem noch über Köln. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was macht den Reiz der Startup-Szene in Köln aus?
Keine Ahnung. Wir kommen aus der Region, haben ohnehin die Jahre vor der Gründung hier gelebt und daraus ganz natürlich unsere Firma hier gegründet. Wir sind ein Remote First-Unternehmen, also was den Arbeitsort betrifft sind wir ohnehin nicht standortgebunden, auch wenn wir uns natürlich freuen, wenn unsere Mitarbeiterinnen auch im Büro vorbeischauen. Aber weder politisch, noch steuerlich, noch infrastrukturell sehe ich große Vorteile, die die eine Stadt gegenüber der anderen hat. Was die Startup-Szene angeht: Wir haben schon auch coole Unternehmen hier, mit denen sich auch ganz hervorragend austauschen kann, von denen man auch lernen und viel mitnehmen kann. Was die Startup-Szene in Berlin angeht muss ich sagen, dass ich da keinen Blick drauf habe und das auch gar nicht bewerten möchte. Davon abgesehen: Köln ist halt einfach die bessere Stadt – et is en Jeföhl.
Was ist in Köln einfacher als in Berlin – und umgekehrt?
Kölner Nahverkehr ist für eine Großstadt einfach die Hölle. Weder zu Fuß gehen, noch Fahrrad fahren, noch Auto fahren, noch Bahnfahren funktionieren wirklich gut oder machen Spaß. Das macht Berlin besser, zumindest war mein Eindruck in Berlin immer, dass es einfacher ist von A nach B zu kommen. Dafür kann man in Köln leichter an gutes Bier kommen und wird nicht alle 10 Meter in ekligem Craft Bier ersäuft.
Zum Schluss hast Du drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Köln?
Erstens: Eine Politik, die Gründerinnen und Gründern hilft und diese unterstützt. Das verwaltungstechnische Hürden beim Gründen abgebaut werden. Schließlich schaffen die neue Unternehmen Arbeitsplätze und erwirtschaften Steuereinnahmen. Zweitens: Bessere Infrastruktur. Kein Witz: wir haben in unserem Büro und unmittelbar drumherum mitten in Köln bei einigen Mobilfunkanbietern kein Netz. Von meiner Wohnung in Ehrenfeld zum Büro in Kalk brauche ich mit den Öffis so lange, wie wenn ich nach Düsseldorf pendeln würde. Beides Beispiele für Infrastrukturthemen, auch wenn klar ist dass diese nicht innerhalb der nächsten 12 Monate aus der Welt geschafft werden können. Drittens: Einfach noch mehr Menschen, die sich trauen, was Neues aufzubauen, Ideen umzusetzen und Firmen zu gründen. Damit irgendwann nicht mehr Berlin, sondern Köln das Ballungszentrum für Startups ist.
Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness
In unserem Themenschwerpunkt Köln werfen wir einen genaueren Blick auf das Startup-Ökosystem der Rheinmetropole. Wie sind dort die Voraussetzungen für Gründerinnen und Gründer, wie sieht es mit Investitionen aus und welche Startups machen gerade von sich reden? Mehr als 550 Startups haben Köln mittlerweile zu ihrer Basis gemacht. Mit zahlreichen potenziellen Investoren, Coworking-Spaces, Messen und Netzwerkevents bietet Köln ein spannendes Umfeld für junge Unternehmen. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderung. #Koelnbusiness auf LinkedIn, Facebook und Instagram.