Clash of the Unicorns: Bumble vs. Tinder vs. OKCupid
Für Singlebörsen, Partnervermittlungen und Casual-Dating-Plattformen waren die coronabedingten Offline-Kontaktbeschränkungen Dünger fürs Geschäftsmodell. Laut einer Bitcom-Studie waren für 7 von 10 Nutzern von Online-Dating-Diensten die Portale und Apps der einzige Weg, Menschen kennenzulernen, und schon mehr als 10 % der Deutschen nutzen Matchmaking-Services. Gute Startbedingungen also für gleich drei Spielerinnen, um die Rückkehr der Freizügigkeit und den Einzug der Frühlingsgefühle mit gezielten Kampagnen zu feiern und zum Markenaufbau zu nutzen. Denn sowohl Bumble als auch Tinder als auch OKCupid wollen uns zeigen, wie Liebe, Lust und Leidenschaft 2022 so funktionieren..
Tinder: Vorsprung durch Technik
Wenn Siri für dich Sprechgesang auf einen Kirmes-Beat macht, musst du wohl gerade die neue Kampagne von Tinder schauen. Technolastig wie Musik und Stimme ist auch die Benefit-Kommunikation in den Spots. Ob Ex-Blocker, Video-Chat oder Verifizierung: Hier geht es nicht mehr darum, zu erklären, was Online-Dating ist, sondern um echte, Customer-zentrierte Zusatznutzen. Quasi der Quattro Vierradantrieb für dein Liebeslieben. Einfach. Verständlich. Echte Innovation, statt bloßer Haltung . Hier wurde wirklich in Produkt und Kampagne Hirnschmalz investiert. Um das nur mit einem Beispiel zu untermauern: Allein in den USA wurden von Love-Scammern aka „Tinder-Schwindlern“ in den vergangenen fünf Jahren 1,3 Milliarden Dollar erbeutet – die ernsthaften psychischen und physischen gesundheitlichen Folgen für die Opfer noch nicht mal betrachtet. Da wird ein Feature wie „Verification” schnell zu einem echten Benefit. Also: Siri, sag Tinder und CPB: We love It!
OKCupid: Für Tortenheber
OKCupids Plakatkampagne sieht ein bisschen so aus, als hätte sich das Marketing David LaChapelle als Art Director geleistet. Oder Shirin David. Man weiß das nicht so genau. Was man, also in diesem Fall ich selbst, auch nicht so genau wusste, war eine gute Antwort auf die Frage unserer siebenjährigen Tochter, nachdem sie auf dem Schulweg ein OKCupid-Motiv betrachtet hatte, um versonnen nachzuhaken: „Papa, warum sitzt die Frau auf dem Kuchen?“ Leider vermochte ich außer einem lahmen „Die findet das schön“, nicht viel Kluges dazu von mir geben und kann es auch heute nicht, obwohl ich ein paar Tage über die Frage nachgedacht habe. Auf jeden Fall unterstreichen die Motive die Spontaneität, die die Marke verspricht. Der Kitkat Club in Berlin heißt ja auch irgendwie wie ein Schokoriegel, da sind die bildlichen Essensmetaphern vielleicht gerechtfertigt und machen auf eine subtile Art Sinn.
Was auf jeden Fall ausgezeichnet an der Kampagne ist: Es werden Paare gezeigt, die offensichtlich eine gute Zeit miteinander haben. Klingt erstmal wie ein No-Brainer. Ist aber in einer instagrammigen Welt der wenigen Worte sauschlau. Denn wie ein Kunde bei Mercedes-Benz mir einmal bei der ersten Präsentation, bei der ich Junior-Copywriter dabei sein durfte, verschwörerisch-ermutigend zuraunte: „Junger Mann, niemand liest die Copy.“
Das positive Resultat der OKCupid Nutzung repitiliengehirngerecht zu zeigen: Sehr gut.
Bumble: Go woke, go broke.
Ok, ich verstehe: Daten ist kompliziert. Die Kampagne von Bumble auch. Ein bisschen erinnert der manifesto-artige Ansatz mit dem Anspruch, die Regeln des Dating neu zu schreiben, an Parship. Doch während es der „Lass uns Dating neu erfinden”-Kampagne von Parship gelingt, eine Revolution auszurufen, die von Freude, Hoffnung und Liebe getragen wird, dominiert bei Bumble aufdringlich die politische Agenda einer rücksichtslosen Gleichmacherei, die auch vor persönlichen Dating.Präferenzen nicht halt macht. Wenn eh alles das Gleiche ist – warum sich dann überhaupt die Mühe machen, auf ein Date zu gehen? Warum noch aufbrezeln? Warum noch Nervenkitzel? Wäre doch viel sicherer, wenn die Liebe auf Zuteilung per Bezugsschein erfolgt. Wie die Ausgabe von Spanplatten in der DDR. Jede muss Jede gleich attraktiv finden, weil es ja sonst unequal wäre? Und was bitteschön ist eine „Romance Gap”? Bekommen Männer wirklich mehr von dem, was sie wollen, auf Datingplattformen? Und wie beabsichtigt Bumble, das zu ändern? Wer auch immer mit dieser verkopften Strategie um die Ecke kam: Der erste Schritt zu besseren Dates wäre einer, der in Richtung Selbstliebe führt und weg von der Vorwurfshaltung. Denn die macht unattraktiv. Nicht deine Einzigartigkeit. Liebe soll nicht gleich machen, sondern glücklicher.
Schluss machen
Die Tinder-Kampagne gewinnt hier dank klar und modern kommunizierter technischer Benefits das Tête-à-Tête mit grün fliegenden Fahnen. Dicht gefolgt von der OKCupid-Kampagne, die Sinnlichkeit und Spontaneität zeitgemäß in Szene setzt. Schlusslicht ist die ideologisch-verbrämte Kopfgeburt von Bumble, die so gar nicht ins Herz geht. Ein weiteres Exempel – nach Pleiten wie CNN+ oder 50 Milliarden Dollar Kursverlusten bei Netflix – wie man Werte ganz einfach vernichten kann, indem man Ideologie vor die Wünsche der Kundin stellt. Werbung soll Menschen dazu verführen, freiwillig etwas Neues, Schönes zu probieren. Das unterscheidet sie von marxistisch-leninistischer Propaganda.
Über den Autoren
Friedrich Tromm ist Gründer und Geschäftsführer von TryNoAgency. Getrieben von dem Anspruch, die überkommene Werbewelt mit einem disruptiven Geschäftsmodell anzugreifen, gründete er 2012 zusammen mit Stefan Nagel die Creative Company. Nach Stationen als Freelancer in über 50 namhaften nationalen und internationalen Agenturen (Jung von Matt, BBDO, Media Arts Lab uvm.) sowie diverser internationaler Apple Launch-Kampagnen kümmert er sich heute mit seinem Partner Stefan Nagel und 30 Mitarbeitern um das Besondere von Marken wie HP, McMakler, PlusDental oder Strato.