Finanzierung oder Verkauf: Was Gründer jetzt beachten sollten
Inflation, Ukrainekrieg, steigende Zinsen: auch die deutschen Start-ups spüren die Auswirkungen des aktuellen Umfelds. Das Geld sitzt bei vielen Kapitalgeber nicht mehr ganz so locker und immer wieder berichten Medien von Restrukturierungen. Was dabei besonders auffällt ist, dass vor allem VC-finanzierte Start-ups betroffen zu sein scheinen. Ein Grund ist sicherlich, dass sie derzeit schwieriger eine Anschlussfinanzierung erhalten und länger mit dem bestehenden Kapital auskommen müssen. Folglich versuchen sie durch Entlassungen die “Burn rate”, also vor allem die Personalkosten, zu senken.
Ungeachtet dessen sind etliche Start-ups auf der Suche nach einer Finanzierung. Damit Gründer auch in diesem schwierigeren Marktumfeld bei der Suche nach Geldgebern oder sogar potenziellen Käufern erfolgreich sind, sollten sie einige grundlegende Dinge beachten:
Generell gilt, dass gute Ideen weiterhin finanziert werden. Allerdings werden diese nun stärker hinterfragt. Daher kommt es im aktuellen Umfeld auf ein klar definiertes Geschäftsmodell an und Gründer müssen den Weg zur Monetarisierung kennen. Das heißt, sie sollten wissen, wie hoch ihr Finanzierungsbedarf ist und wofür sie das Geld ausgeben wollen. Zudem brauchen Start-ups ein engagiertes Managementteam, das voll und ganz hinter der Geschäftsidee steht.
Das Geschäftsmodell bestimmt den Kapitalbedarf
Wie viel Kapitalbedarf ein Start-up hat, hängt von der Unternehmensphase und vom jeweiligen Geschäftsmodell ab. Junge Unternehmen aus Bereichen wie E-Commerce oder Fast Delivery brauchen viel Geld, weil sie schnell wachsen und skalieren müssen. Zu diesem Bedarf passt ein VC besser als etwa ein Family Office. Hingegen haben beispielsweise Softwareunternehmen mit einem speziellen Angebot und einer spitzeren Zielgruppe einen vergleichsweise geringeren Wachstumsdruck und einen niedrigeren Kapitalbedarf. Für solche Geschäftsmodelle könnten daher alternative Finanzierungsformen oder, natürlich abhängig von den Konditionen, sogar ein Bankdarlehen eine Möglichkeit sein, um Zugang zu Kapital zu bekommen.
Folgen der Finanzierung kennen
Nicht nur ihre unternehmerischen Ziele müssen Gründer kennen, sondern sie sollten sich auch selbst realistisch einschätzen können. Zu wissen, wie man mit Druck von außen klarkommt, ist ein zentraler Aspekt. Wenn es in die Ansprache geht, gilt der Grundsatz: Der Druck von Wagniskapitalgebern ist entsprechend der Renditeerwartungen größer als etwa bei einem Family Office, das private Vermögen verwaltet. Und im derzeitigen Marktumfeld kann dieser sogar noch stärker sein. Den Renditedruck begründen dabei Fondstruktur und das Risiko eines Totalausfalls. Im Gegenzug erhalten Gründer neben dem Kapital auch viel operative Unterstützung, wie u. a. Zugang zum Netzwerk des VCs und seine Branchenerfahrung.
Weniger Renditedruck mit Family Offices oder Private-Equity
Ungeachtet der derzeitigen Rahmenbedingungen üben Family Offices oder Private Equity-Investoren (PE) deutlich weniger Druck auf ihre Portfoliounternehmen aus. Diese Partner sind weniger risikoaffin, was am langfristigeren Anlagehorizont und dem geringeren Renditedruck liegt. Während sich ein VC in der Regel nach fünf bis acht Jahren für einen Exit entscheidet, besteht bei einem Family Office keine vergleichbare zeitliche Beschränkung. Fairerweise muss man sagen, dass es für Start-ups deutlich schwieriger ist passende Vermögensverwalter zu finden als VCs. Genauso wie ihre vermögende Klientel sind sie meist unbekannt. Zudem sind sie nicht so einfach von einem Investment zu überzeugen. Hinzukommt, dass Family Offices in der Regel eher an einer stillen Beteiligung interessiert sind. Gründer müssen hier also mit weniger fachlicher Unterstützung rechnen.
Für Start-ups mit einer gewissen Größe und einem positiven Cashflow kann auch ein PE eine interessante Option bei der Investorensuche sein. Der Mehrwert ist schon sehr ähnlich zu einem VC, allerdings ist der Einstiegszeitpunkt in der Unternehmensphase ein anderer: VC investieren oft sehr früh in Start-ups, wenn das Risiko noch sehr hoch ist. PE starten erst, wenn die Unternehmen bereits etabliert sind, Umsätze erzielen und idealerweise profitabel sind. PE kann also für Gründer ein Exit-Kanal sein oder eine Möglichkeit für Late-Stage Growth.
Partnerschaften mit strategischen Investoren haben viel Potenzial
Neben den genannten Kapitalgebern ist eine Kooperation mit einem großen Unternehmen für immer mehr Start-ups eine interessante Option. So ist die Anzahl an Deals zwischen Start-ups und Corporate Venture Capital (CVC) ist den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Ähnlich wie bei PEs bedeutet die Zusammenarbeit mit so einem strategischen Investor für Start-ups einen geringen Renditedruck.
Für junge Unternehmen ist diese Partnerschaft attraktiv, weil sie Zugang zu einem großen Kundenstamm sowie zusätzlichen Vertriebskanälen und Märkten erhalten. Große etablierte Organisationen bekommen hingegen eine Chance Rendite zu erzielen, ihr Portfolio um neue Ideen zu erweitern und strategische Wachstumsoptionen zu heben. Wie solche Kooperationen in der Realität aussehen, zeigt sich übrigens sehr gut an der Finanzbranche, wo so manche Zusammenarbeit sogar in einer Übernahme mündete.
Exits an Corporates nehmen zu
Abhängig von der Motivation des Gründers ist in späteren Phasen auch ein Exit denkbar. Über einen Börsengang ist ein solcher im derzeitigen Marktumfeld für Techunternehmen allerdings schwierig. Ein Exit an Corporates kann daher eine denkbare Alternative sein. Sie kommt für immer mehr Gründer infrage: Im Vergleich zu 2020 stieg die Anzahl der M&A-Transaktionen im vergangenen Jahr um 90 Prozent auf 171. Besonders aktiv waren dabei strategische Investor aus dem Ausland. Wie sich diese M&A-Deals in diesem Jahr entwickeln, bleibt abzuwarten.
Generell sollten sich Gründer intensiv mit den verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten auseinandersetzen und sich möglicher Folgen bewusst sein, wenn externe Kapitalgeber investieren. Das gilt insbesondere mit Blick auf spätere Finanzierungsrunden oder mögliche Exitstrategien. Gleichzeitig müssen sie eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten treffen, schließlich sind Finanzierungsfragen ein komplexes Themenfeld. Neben dem Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmern sollten vor allem Start-ups in späteren Phasen, die nicht den Weg über eine VC-Finanzierung gehen wollen, sowie Gründer, die einen Exit erwägen, darüber nachdenken den Rat von Experten wie M&A-Beratern sowie Fachanwälten und Steuerberatern einzuholen.
Über den Autor
Kai Hesselmann, Gründer und Geschäftsführer der M&A-Plattform DealCircle aus Hamburg.
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