“Im fünften Accelerator rumhängen bringt einem keine Kunden”
Mit Cleanhub kämpfen Bosse Rothe, Joel Tasche und Florin Dinga gegen Plastikmüll. “Unternehmen, die sich für weniger Plastik in der Umwelt einsetzen wollen, können bei uns Sammel-Volumen in Auftrag geben. Wenn die Unternehmen genauso viel Plastik sammeln lassen, wie sie in Umlauf bringen, erhalten sie den Status: Plastik Neutral. Wir schließen in Indien und Indonesien Verträge mit Abfallunternehmen und geben fixe Abnahmegarantien für den Plastikmüll”, erklärt Gründer Tasche das Konzept.
Investoren wie 468 Capital, Lakestar, Pirate Impact Capital, das Investment-Vehikel der Heilemann-Brüder, und Übermogen Ventures investierten bereits in das Berliner ClimateTech. “Wir haben die Sammlung von mehr als 1.200 Tonnen Plastik ermöglicht, haben damit Anteil am Gehalt von 270 Menschen. Das alles ist ermöglicht durch ca. 160 Marken aus der ganzen Welt”, sagt Gründer Tasche zum Stand der Dinge bei Cleanhub.
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Jungunternehmen außerdem über Taschengeld, Chipstüten und Sinnkrisen.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Cleanhub erklären?
Oma, dir war bei der Erziehung immer wichtig, dass ich verantwortungsvoll durchs Leben gehe. Das bedeutet nicht perfekt zu sein, aber wenn man Schaden verursacht, gibt man es zu und schaut, dass man es wieder gut macht. Viele Menschen, wie du und ich auch, wollen nicht mehr zum Krämerladen gehen und alles frisch und ohne Verpackung kaufen. Wir wollen Dinge vorrätig haben und dass sie lange halten. Dazu eignet sich Plastik als Verpackungsmaterial sehr gut. Aber Plastik kann auch großen Schaden anrichten. Es gibt leider viele Unternehmen auf der Welt, die Lebensmittel und andere Konsumgüter in Plastik verpacken und in Länder verkaufen, wo es keine Müllabfuhr gibt. Das führt dazu, dass der Müll einfach in die Natur geschmissen wird oder vor der Tür verbrannt wird. Den Unternehmen, die das verkaufen, ist das aber oftmals egal, sie entziehen sich ihrer Verantwortung. Es gibt aber zum Glück viele Unternehmen, denen das nicht egal ist. Teilweise ist das nicht mal ihr Müll, der in den Ländern in der Umwelt landet. Diese Unternehmer wollen verantwortungsbewusst handeln und ermöglichen, dass wir auch morgen noch auf einem sauberen Planeten leben und in sauberen Meeren schwimmen können. Ich kenne wiederum viele Unternehmen in Indien und Indonesien, die den Müll gerne einsammeln würden. Ihnen fehlt es aber an finanziellen Mitteln die Gehälter für Sammler, Sortierer, Transport und Infrastruktur zu bezahlen, um diesen Service zu erbringen. Ich verknüpfe die Unternehmen in Europa die Verantwortung für den Müll übernehmen möchten, mit den Unternehmen in Asien, die den Müll einsammeln wollen. Wenn ich früher deinen Rasen gemäht habe, hab ich mein Taschengeld erst bekommen, wenn du zufrieden mit meiner Arbeit warst. Da die Europäer nicht immer nach Asien reisen können, um zu schauen, dass der Müll den sie bezahlt haben auch wirklich gesammelt wurde, haben wir eine Plattform entwickelt, die das Problem löst. In Asien müssen die Unternehmen Fotos als Beweis machen, dass Müll gesammelt wurde. Diese Fotos können wir den Unternehmen in Europa zeigen, als Beweis, dass ihr Geld auch sinnvoll genutzt wurde.
War dies von Anfang an euer Konzept?
Nein, ehrlich gesagt sind wir das Thema mit einer gewissen Welt-Verbesser-Ignoranz angegangen und haben gedacht, wir müssen den Leuten nur klarmachen, dass Plastik auch ein Rohstoff ist. Wir wollten ursprünglich als Marktplatz für Rezyklate in den Markt gehen. Haben dann aber schnell festgestellt, dass das eigentliche Problem nicht die Plastikflaschen sind, die recycelt werden können. In Ländern wo das Haushaltseinkommen häufig bei 150 US-Dollar liegt, werden keine Wertstoffe weggeschmissen. Alles was irgendwie verkauft werden kann, wird heute schon verkauft. Wenn man durch die Straßen Indiens läuft, findet man schlicht keine Wasserflaschen am Straßenrand. Auch in anderen Statistiken spiegelt sich das wieder. Nur 20 % der Kunststoffe, die ins Meer gehen, sind Hartkunststoffe, obwohl diese fast die Hälfte der produzierten Verpackungen ausmachen. Das Problem sind flexible – Folien und Mehrschichtkunststoffe – Chipstüten -, die nicht recycled werden können und daher keinen Marktwert haben. Daher das Plastic-Credit Modell, um diesem Abfall erstmal genug Wert zu geben, um gesammelt und sicher entsorgt zu werden.
Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Unternehmen, die sich für weniger Plastik in der Umwelt einsetzen wollen, können bei uns Sammel-Volumen in Auftrag geben. Wenn die Unternehmen genauso viel Plastik sammeln lassen, wie sie in Umlauf bringen, erhalten sie den Status: Plastik Neutral. Wir schließen in Indien und Indonesien Verträge mit Abfallunternehmen und geben fixe Abnahmegarantien für den Plastikmüll. Die Differenz zwischen dem Preis, den wir von den Unternehmen erhalten und dem Preis den wir pro Tonne bezahlen, ist unsere Marge. Dafür entwickeln wir die Software, die im Hintergrund sicherstellt, dass die in Auftrag gegebene Sammlung auch erfüllt wird und unser Code of Conduct eingehalten wird.
Wie ist überhaupt die Idee zu Cleanhub entstanden?
Ich bin am Bodensee aufgewachsen und habe meine Kindheit im und auf dem Wasser verbracht. Als Jugendlicher habe ich angefangen zu surfen und hatte durch den Sport das Privileg viele schöne Orte und Kulturen kennenzulernen. Immer Präsent war: Plastikmüll. Egal, ob am Strand im Senegal oder auf einem Vulkan in Indonesien. Das hat mich schon immer genervt, noch bevor das Thema hier nach dem Importbann Chinas für unseren Plastikmüll groß rauskam. Aus eigener Erfahrung weiß ich auch, dass einzelne Cleanups nichts helfen. 2018 hatte ich eine Sinnkrise und hab mich gefragt, wie ich meine Privilegien effektiver nutzen kann. Also habe ich meinen Job in einem Schweizer Startup gekündigt und habe mich ein Jahr mit dem Thema Abfallwirtschaft beschäftigt, wurde in Indien von wilden Hunden von Müllkippen gejagt, saß in den Büros informeller Abfallsammler und durfte der Sri Lankischen Müllmafia mit meinem Mitgründer freundlich erklären, dass wir kein Interesse an Containern voll illegalem Abfall haben. Diese Erfahrungen haben geholfen, die zugrundeliegenden Probleme zu verstehen und eine Lösung zu entwickeln.
Wie hat sich Cleanhub seit der Gründung entwickelt?
Wir haben die Sammlung von mehr als 1.200 Tonnen Plastik ermöglicht, haben damit Anteil am Gehalt von 270 Menschen. Das alles ist ermöglicht durch ca. 160 Marken aus der ganzen Welt.
Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
So platt es klingt, build things and talk to users. Auf Startup-Konferenzen oder im fünften Accelerator rumhängen bringt einem keine Kunden. Umsatz ist die beste Validierung für eine Idee, auch wenn es unangenehm ist wenn es fast noch nichts gibt, nehmt das Telefon in die Hand und verkauft.
Wo steht Cleanhub in einem Jahr?
Vor den Türen internationaler Konsumgutunternehmen, die sich weiterhin hinter inhaltslosen Nachhaltigkeitsseiten verstecken. Es gibt keinen Grund, nicht jetzt schon Verantwortung für den Müll zu übernehmen, den wir heute produzieren.
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