“Wir wollen nervige Arbeitsprozesse erleichtern”
Das Berliner FinTech Nelly, das von Lukas Eicher, Niklas Radner, Rasmus Schults und Laurids Seibel gegründet wurde, positioniert sich als “Signatur- & Abrechnungstool für Arztpraxen”. Mit der Software lassen sich Dokumente, Unterschriften und Zahlungen in Praxen digitalisieren. Embedded Capital, btov Partners, Global Founders Capital (GFC), Calm/Storm, Gaingels sowie Business Angels wie Verena Pausder und Diana zur Löwen investierten bereits 4 Millionen Euro in den Arztpraxen-Dienstleister.
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Nelly-Gründer Radner über Fachkräftemangel, Briefe und Fundraising.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Nelly erklären?
Heute ist es so, dass Patient:innen beim Arzt erstmal sehr viele Dokumente ausfüllen und unterschreiben müssen. Diese müssen vom Praxispersonal gedruckt, gescanned, abgetippt, archiviert und vernichtet werden. Bei der Bezahlung werden Patient:innen meist nicht gefragt wie sie Bezahlen möchten und die Abrechnung erfolgt in der Regel auch nicht durch den/die Arzt:in. Dadurch ergibt sich für die Praxisverwaltung sehr viel Aufwand, der durch Nelly eingespart wird. Patient:innen müssen nicht mehr auf Papierrechnungen warten, um dann umständliche Überweisungen tätigen zu müssen. Mit Nelly laufen die Patient:innenaufnahme und die Zahlungsabwicklung über das eigene Handy. Dadurch haben medizinische Fachangestellte endlich wieder mehr Zeit sich um die Patient:innen zu kümmern. Auch für Ärzt:innen ist das wichtig, denn es herrscht in Arztpraxen ein akuter Fachkräftemangel womit jede Minute, die dem Personal erspart bleibt, zählt. Außerdem unterstützt Nelly die Ärztin oder den Arzt dabei, ihren/seinen Arbeitsplatz für medizinisches Fachpersonal deutlich attraktiver zu gestalten.
Welches Problem genau wollt Ihr mit Nelly lösen?
Bürokratie, zeitintensive Prozesse sowie den Fachkräftemangel in Arztpraxen: 89 % aller Mitarbeiter:innen in Heilberufen sehen den Dokumentations- und Verwaltungsaufwand als größtes Problem. Hier setzen wir an, indem wir zeitfressende, bürokratische Prozesse optimieren und automatisieren. Wir wollen nicht als ein weiteres Tool wahrgenommen werden, das bedient werden muss, sondern von Tag eins an nervige Arbeitsprozesse erleichtern. Hierfür sind eine einfache Bedienbarkeit und eine Integration in bestehende Praxisverwaltungssysteme ausschlaggebend. Durch die fehlende Zeit haben sich derzeit gängige Zahlungslösungen zu Recht auf eine möglichst einfache Abwicklung für die Praxen konzentriert, hierbei aber das Patient:innen-Erlebnis aus dem Auge verloren. Dadurch, dass wir bereits bei der Patient:innenaufnahme ansetzen, können wir diese beiden Interessen wieder vereinen. So fragen wir z.B. Patient:innen aktiv wie sie bezahlen möchten und setzen auf zeitgemäße Abrechnungsprozesse, anstatt Briefe durch die halbe Republik zu verschicken. Durch unsere langjährige Erfahrung im Fintech-Bereich können wir auch für das Praxispersonal Aufwand bei der Abrechnung reduzieren, in dem wir Best-Practices aus dem Online-Bereich adaptieren.
Wie ist die Idee zu Nelly entstanden?
Beim klassischen Arztbesuch während der Corona-Zeit sind uns die nicht mehr zeitgemäßen, papierbasierten Prozesse aufgefallen. In Restaurants und beim Reisen ging alles über das Smartphone und die QR/Code Adaption ist rasant gestiegen, nur beim Arzt blieb alles beim Alten – obwohl gerade dort eine Notwendigkeit für einen hygienischeren Prozess mit dem eigenen Gerät besteht. Als dann auch noch Wochen später eine Rechnung von einem bis dahin unbekannten Zahlungsdienstleister für die Behandlung per Post eintrudelte, war uns klar: das können wir besser.
Wie wollt Ihr Geld verdienen, also wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Wir bieten unser Produkt in mehreren Modulen an: Einerseits bezahlen unsere Kund:innen eine monatliche Software as a Service Gebühr. Diese variiert je nachdem, ob nur die Patient:innenaufnahme über Nelly läuft oder auch weitere nicht standardisierte Dokumente über Nelly übermittelt werden. Darüber hinaus erhalten wir eine Zahlungsgebühr, die vom Transaktionsvolumen und der gewählten Zahlungsmethode abhängt. Dementsprechend steht unser Geschäftsmodell vor allem auf zwei Säulen. Erstens: Eine monatliche Software as a Service Gebühr. Zweitens: Zahlungsgebühren.
Ihr konntet bereits 4 Millionen Euro einsammeln. Wie seid ihr mit euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
Die ersten Angel-Investor:innen kannten wir bereits vor der Gründung und waren somit also bereits Teil unseres Netzwerks. Von diesen haben wir dann auch die ersten Intros zu passenden VCs bekommen, mit denen wir dann unsere Pre-Seed-Runde gemacht haben. Für die Seed-Runde hatten wir schon deutlich mehr Sichtbarkeit, was dazu geführt hat, dass tatsächlich alle weiteren Investor:innen initial auf uns zugekommen sind. In vielen Gesprächen, die wir vor dem eigentlichen Fundraising geführt haben, wurde dann klar mit wem wir zusammenarbeiten wollen, so dass wir schlussendlich auch gar nicht richtig damit anfangen mussten.
Wo steht Nelly in einem Jahr?
Wir wollen neue Märkte innerhalb der EU erschließen und unser Produktportfolio mit einem noch stärkeren Team und erweiterten. Wir haben es uns als Ziel gesetzt, das am stärksten wachsende Fintech im europäischen Gesundheitswesen zu sein.
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