Netzbeweis: Eine Ausnahme für nebenberufliche Unternehmer
Das Team aus zwei AnwältInnen und zwei Software-Entwicklern traf mit seinem Vorhaben wohl nicht nur bei den Löwen einen Nerv: Hass im Netz sollte endlich besser bekämpft werden können. Denn das Problem ist häufig, das rechtliche Schritte gar nicht möglich sind, weil die Belege für die Hetze oder das Cyber-Mobbing nur unzureichend dokumentiert sind. So ist zum Beispiel häufig zu wenig vom Verlauf der Kommentare zu sehen oder es kann nicht mehr festgestellt werden, wann und wo der fragliche Inhalt aufgetaucht ist. Vor allem, wenn er zwischenzeitlich wieder gelöscht wurde.
Dass virtuelle Beleidigungen Menschen schwer treffen und sogar in den Selbstmord treiben können, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. In der Sendung fielen dann auch ungewöhnlich drastische Sätze, als die GründerInnen Judith Williams baten, ein paar ihrer gesammelten echten Hass-Kommentare vorzulesen. Doch Dagmar Wöhrl hakte direkt ein, und ergänzte, dass Dinge wie “Nimm mal ab Du fette Sau!” oder “Stirb! Jeder wäre glücklich darüber!” noch längst nicht die Spitze des Eisbergs wären. Als Politikerin hat sie Erfahrungen bis hin zu virtuellen Morddrohungen gemacht.
Das Thema lässt wohl niemanden kalt. Und so waren auch die Löwen ganz Ohr, doch schon bald kippte das Gespräch, als es um das Geschäftsmodell ging. Denn Carsten Maschmeyer wollte wissen, ob es das Modell der GründerInnen sei, mit ihrem Online-Tool Leads für die eigene Anwaltskanzlei zu generieren. Hierauf bestätigten die beiden JuristInnen im Team zwar, dass sie durchaus daraus Mandate bekämen, dass aber auch alle anderen AnwältInnen das Tool nutzen könnten, und so 5 Euro pro Beweis bezahlen müssten, den ein Nutzer generiert. Kosten entstehen, einmal vollständig programmiert, dem Startup dann keine mehr.
Zwar kristallisierte sich so zwar das Geschäftsmodell schon ein wenig heraus, doch das warf eine neue Frage auf. Venture Capitalist Carsten Maschmeyer wollte nun wissen, ob die GründerInnen denn bei Erfolg in Vollzeit für ihr neues Unternehmen da sein würden, ihre Tätigkeiten als zum Beispiel AnwältInnen also aufgeben würden. Und bekam zum ersten Mal in “Die Höhle der Löwen” die Antwort, dass dies auch bei größerem Erfolg keine wirklich Option wäre.
Dies führte sehr schnell zum Ausstieg der beiden weiblichen Investorinnen, und auch Nachhaltigkeits-Unternehmer Nico Rosberg versprach zwar, seine Reichweite in den sozialen Medien zur Bekanntmachung von Netzbeweis zu nutzen, aber für ein Investment war im das zu geringe Engagement, das frühe Stadium und die Bewertung nicht passend.
Doch warum stört die Löwen hier so sehr, was sonst oft gar nicht so ein großes Thema wird? Netzbeweis ist ein hoch skalierbares, rein digitales Vorhaben. Ein Investor, der vor allem beim Vertrieb eines physischen Produkts helfen kann, könnte noch einmal ein Auge zudrücken, wenn die GründerInnen nicht oder nicht direkt Vollzeit für das Unternehmen zur Verfügung stehen würden. Denn sobald das Produkt fertig ist und in den Handel geht, läuft – insofern die entsprechenden Strukturen vorhanden sind – eine Art Maschinerie an, die bei erfahrenen strategischen Investoren gut geölt ist und keiner rund-um-die-Uhr-Betreuung durch die GründerInnen bedarf.
Ein digitales Produkt ist nie fertig, zumal Netzbeweis hier auch noch in einem recht frühen Stadium war. Es mussten noch weitere soziale Medien integriert werden, das Geschäftsmodell stand noch nicht ganz, nicht einmal einen konkreten Business Plan hatten die GründerInnen.
Und obwohl fehlende Zahlen für Investoren – und gerade auch oft für die Löwen – ein Dealbreaker sind, machten Nils Glagau und Carsten Maschmeyer in diesem Fall eine Ausnahme. Zwar betont Letzterer zwar, dass es sich hier nicht um einen Fall für einen Venture Capitalist handelt, doch er schreibt eine Vorab-Check über 90.000 € aus – im Vertrauen darauf, dass der Deal zu den 15% Anteile, die die GründerInnen angeboten hatten, zu Stande kommt. Eine deutliche Geste des Vertrauens, aber auch ein Zeichen mehr, dass es sich – zumindest zu diesem Zeitpunkt – noch nicht um einen wirklichen Investment-Case für ihn handelt.
Wie sehr das Thema bei den Löwen Anklang findet, zeigt dann auch Nico Rosberg mit seinem Zuschuss von 10.000 Euro, für die er keine Anteile haben will.
Also ist Netzbeweis bloß ein Hobby-Projekt, eine Art Spende für die beiden investierenden Löwen? Vielleicht könnte man das zum Zeitpunkt der Aufzeichnung so sehen, denn ein Fall ohne konkrete Planung und mit auch weiterhin nebenberuflichen GründerInnen ist tatsächlich kein VC-Case. Denn selbst bei hoher Skalierbarkeit ist das Ganze so erst einmal zu unkalkulierbar, mit einem zu großen Risiko behaftet, dass in reiferen Phasen vielleicht vermeidbar ist.
Doch das muss so nicht bleiben. Carsten Maschmeyer deutete bereits an, dass noch viel Arbeit vor allen Beteiligten liegt. Vielleicht hat er vor, es zu einem VC-Case zu machen. Vielleicht denkt er an ein Lead-Generation-Modell oder einen B2B- und B2G-Vertrieb, also an andere Unternehmen und öffentliche Stellen als Kunden.
Wir werden es hoffentlich bald erfahren, denn mit einem soliden Geschäftsmodell und den beiden Löwen an seiner Seite wird Netzbeweis hoffentlich das Wachstum erfahren, das das Thema verdient.
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