Lucky Plant: (Nicht nur) Michael Ballack kennt den wahren Wert der Löwen
Immer wieder müssen sich die Zuschauer von “Die Höhle der Löwen” über extrem hohe Bewertungen wundern. GründerInnen erklären das oft damit, dass sie schon höhere Angebote hatten, dass sie sich “nicht unter Wert verkaufen” wollen. Eine interessante Aussage, wenn sie gleichzeitig zugeben, dass der Wert eines Startups in frühen Phase sehr schwierig zu berechnen ist und Mühe haben, ihre eigenen Behauptung zu argumentieren. In der vierten Folge der 11. Staffel bekamen die Gründer von Lucky Plant unglaublich viel Lob und einen Deal – allerdings nicht zu einer Millionenbewertung. Haben sie sich etwa unter Wert verkauft?
Nicht nur Fußball-Fan Ralf Dümmel freute sich sehr, den ehemaligen Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft in der Höhle zu begrüßen – und outete spontan seine früheren, fußballerischen Ambitionen.
Doch das Startup Lucky Plant hatte weit mehr zu bieten als einen prominenten Mitgründer. Das rein natürliche Düngemittel, das auch die Fußball-Rasen dieser Welt vor allem für Kinder ungefährlicher machen soll, bekam von allen fünf anwesenden InvestorInnen viel Zuspruch. Um die Ungefährlichkeit zu beweisen, tranken es die Gründer sogar – und sollten dafür später noch ein extra-Lob von Judith Williams bekommen.
Auch die ersten Verkaufszahlen konnten sich durchaus sehen lassen. Zwar sollten die Marge und die Konkurrenzsituation im Markt für Düngemittel später noch der Boden für die beiden einzigen Kritikpunkte darstellen, aber der Grundton der absoluten Begeisterung konnte und wollte nicht vertrieben werden. Denn in dem Unternehmen steckt auch reichlich fachliche Expertise, und die Produktionsmöglichkeiten sind wohl auch noch stark skalierbar.
Bei den bis dato 110.000 Euro erreichten Umsatzes hätten wohl einige GründerInnen mit der Bewertung etwas höher gestapelt. Doch die drei Gründer fragten nach 100.000 Euro für 20 % – eine Post-Money-Bewertung von 500.000 Euro.
Carsten Maschmeyer sprach dann auch aus, was sich viele ZuschauerInnen wohl bis dahin schon längst gedacht haben: einem ehemaligen Fußballprofi dieses Kalibers sollte es doch ein Leichtes sein, 100.000 Euro aufzubringen. Doch wer bei der Formulierung genauer hinhörte, konnte die Antwort direkt mit erahnen. Denn in einem weiteren Satz deutete der Venture Capitalist an, dass sie gerade deshalb wohl nicht des Geldes wegen in die Höhle gekommen waren. Und wollte natürlich direkt wissen, was sie sich denn von einem Löwen erwarteten.
Zur Bestätigung bekam er dann auch erklärt, dass das Team sich vor allem Unterstützung wünschte, um in die richtigen Läden hineinzubekommen, da sie hier den hauptsächlichen Hemmer ihres Wachstums sahen. Ein starker Partner sollte also vor allem Türen öffnen.
Und genau das erkannte das Lucky Plant Team besser als viele andere Teams, die vor die Löwen treten: der eigentliche Wert eines solchen Investors besteht nicht in der Investmentsumme, sondern in dem, was darüber hinaus noch passiert, wenn der Deal gemacht wurde. Das Netzwerk, die Vertriebswegen, das Branchen-, Produkt- oder Marktwissen: diese Dinge können viel wertvoller sein als einmalige 100.000 Euro.
Doch wenn der Wert nicht in der Investment-Summe steckt, wie kann man dann die per Dreisatz errechnete Post-Money-Bewertung als wirklichen Wert des Startups ansehen? Und davon sprechen, man hätte sich “unter Wert verkauft” wenn diese nicht 7-stellig ist?
Die Antwort ist schlicht und einfach: gar nicht. Es macht einfach keinen Sinn. Das wäre ziemlich unfair gegenüber dem Investor. Man denke den Fall einmal weiter: wenn ein reiner Finanzinvestor 100.000 Euro in ein Startup investiert, dann hofft er, dass die GründerInnen mit dem Geld in der Lage sein werden, den Wert des Startups zu vervielfachen. Sollte er jetzt z.B. 1 Million Bewertung gezahlt haben, könnte das Unternehmen in ein paar Jahren 2 oder 3 Millionen wert sein. Der Wert seiner Anteile hätte sich also verdoppelt oder verdreifacht.
Investiert er nun noch weitere Ressourcen, wie seine Zeit oder die seines Teams, könnte man hier ja einen Gegenwert veranschlagen. So wären sein Investment dann nicht mehr “nur” die 100.000 Cash, sondern insgesamt ein Gegenwert von vielleicht 200.000 oder 300.000 Euro – oder sogar noch mehr. Entsprechend will er natürlich auch mehr Anteile haben. Legt man nur eine Bewertung von 1 Million Euro zu Grunde, möchte er vielleicht eher 20 oder 30 % der Anteile haben.
Aus Startup-Sicht kann das Sinn machen, wenn diese Mehrwerte das Unternehmen auch entsprechend weit bringen können. Vielleicht hofft man also, mit der Öffnung der wertvollen Vertriebskanäle in ein paar Jahren nicht nur 2 oder 3, sondern 5 oder vielleicht sogar 10 Millionen Euro wert sein zu können. Und 80 % von 5 Millionen sind immer noch mehr als 90 % von 3.
Gerade die Löwen haben schließlich schon häufig gezeigt, dass sie Verkaufszahlen von ein paar 1000 schon innerhalb weniger Monate in die Millionen bringen können.
Mit einer solch extremen Umsatz- und Wertsteigerung “überspringt” so manches Startup dann auch gerne mal die ein oder andere geplante Finanzierungsrunde. Andere erzielen in der Anschlussrunde eine wesentlich höhere Bewertung, als sie ursprünglich für möglich gehalten hatten, denn sie sind ja nun viel weiter als erhofft. Ob später, zu einer höheren Bewertung oder sogar beides – sie müssen dann auch weniger Anteile abgeben als im Vergleichsfall. Das heißt, die ursprünglich an den strategischen Investor mehr abgegebenen Anteile haben sie somit locker wieder “herausgeholt”.
Der Discount in der Bewertung für eine Löwen oder ähnlich starken Partner wirkt damit gar nicht mal so unfair – im Gegenteil. Schließlich will sich auch ein Löwe nicht “unter Wert verkaufen”.
Und Ralf Dümmel, für den sich die Lucky-Plant-Gründer schließlich entschieden, da sie glaubten, dass er sie am meisten weiterbringen konnte, sollte dieser Deal wohl endgültig mit seinen begrabenen Fußballer-Träumen versöhnt haben.
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