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The Plant Box: Haben Investoren Angst vor Pflanzen?
Nicht nur in “Die Höhle der Löwen” kann es passieren, auch GründerInnen außerhalb des TVs mussten es oft schon kennenlernen: Alles kommt super an, eigentlich kassiert man nur Lob – und dann doch die Absage des Investors. Wegen irgendetwas, das unbestreitbar Teil des Geschäftsmodells ist, aber für Investoren ein zu großes Risiko darstellen könnte. Bedeutet so etwas wirklich das unverrückbare Aus oder lässt sich da noch etwas machen?
Auch im Fall von The Plant Box startete alles ziemlich gut. Wenn man von den konstant mähenden Schafen, die die beiden Gründerinnen mit in die Höhle brachten, einmal absah. So geriet der Pitch leider fast schon etwas ins Hintertreffen, doch für die Fragen der Löwen war für die beiden wollenen Gäste zum Glück ein kleiner Stall vorbereitet worden, so dass sie fortan Ruhe gaben und Löwen wie Gründerinnen ihre Verhandlungen führen ließen.
Effekte wie dieser – insbesondere unter Beteiligung lebender Wesen – sollten wohl auch weiterhin dem Fernsehen vorbehalten bleiben, schließlich ist es auch so schon selten genug, dass ein Startup-Pitch wirklich reibungslos abläuft.
Die Eckpunkte waren aber trotz der Geräuschkulisse hängen geblieben, und das Versandmodell für Balkonpflanzen weckte Interesse. Das Besondere (und nebenbei die Verbindung zu den außergewöhnlichen Gästen): die Pflanzen werden als komplettes Arrangement in einer Schafsocke verschickt. So können sie ohne viel Arbeit und Schmutz zu verursachen in den Pflanzkasten eingesetzt werden, den das Unternehmen ebenfalls anbietet.
Doch das scheint gar nicht so günstig: Der Kasten kostet ca. 60 Euro, eine Füllung zum Beispiel 65 Euro. Im Jahresabo gibt es dann vier solcher “Socken” pro Jahr für 289 bis 329 Euro. Den schönen Balkon muss man sich also auch leisten können.
Doch die Gründerinnen scheinen sich die richtige Zielgruppe ausgesucht zu haben: viel beschäftigte Stadtbewohner, für die der Balkon oft die einzige zur Wohnung gehörige Außenfläche darstellt. Leider erfahren wir in der ausgestrahlten Zusammenfassung auch nicht, ob es Möglichkeiten im B2B-Bereich gibt, denn speziell das Gastgewerbe könnte als Kundengruppe sicherlich noch interessant sein.
Was dann aber so fast nebenbei abgehakt wird, ist der Umsatz. Judith Williams stellt die Frage nach dem bisherigen Erfolg. Die Antwort könnte so manchen Zweifler an Preispunkt und Geschäftsmodell dann wohl überrascht haben: in einem einzelnen Monat setzte das junge Startup 50.000 Euro um! Natürlich kommt es hier darauf an, wie das gerechnet ist, ob zum Beispiel bereits abgeschlossene Jahresabos voll mit eingerechnet werden. In diesem Fall bekommen die ZuschauerInnen die genaueren Erklärungen leider nicht mit, als GründerIn sollte man sich aber darauf gefasst machen, dass Investoren hier genau nachfragen: Wie setzt sich der Umsatz zusammen? Wie viele Kunden gibt es, wie viele davon sind Jahresabos, wie viele (zunächst) Einmal-Käufer? Wie hoch ist der durchschnittliche Warenkorb, werden Pflanzkasten und erstes Arrangement oft zusammen gekauft? All diese Dinge – und oft auch noch mehr – sollte man parat haben, wenn man wirklich beeindrucken will.
Den Gründerinnen von The Plant Box ist das wohl gelungen, praktisch alle Löwen loben den kompetenten Auftritt und finden es spannend. Doch zunächst steigt Georg Kofler aus, weil es wohl thematisch nicht so gut in sein Portfolio passt. Ralf Dümmel empfindet ein Risiko bei der Besorgung der Pflanzen, und Nico Rosberg sieht zu viel Arbeit auf sich und sein Team zukommen bei dem, was die Gründerinnen sich von einem Investor wünschen.
Und auch Judith William hat Bedenken wegen der Komponente der frischen Pflanzen, die nun einmal fest zum Geschäftsmodell gehört. Selbst die extra entwickelte Box, die man sogar auf den Kopf stellen kann, ohne dass die Pflanzen Schaden nehmen, kann diese nicht ganz ausräumen. Ein bisschen erinnert das an Ralf Dümmels Ausstiegsargument.
Und tatsächlich ist dies auch keine Seltenheit in anderen Investorenverhandlungen: Manchmal hat das Geschäftsmodell eine Komponente, die für Unsicherheit und ein erhöhtes Risikoempfinden beim Investor sorgt. Wie eben die Beschaffung, Nutzung und Versendung frischer Pflanzen. So etwas erfordert spezielles Wissen, das die Wenigsten haben und das gerade bei Investoren mit nicht allzu großem Portfolio ihnen wohl auch noch nicht begegnet sein wird. So wird also der Risikofaktor aus Sicht des Investors erhöht, ohne dass man als GründerIn etwas dagegen tun kann – schließlich kann man ja nicht einfach sein Geschäftsmodell über den Haufen werfen. Trotzdem muss man an dieser Stelle nicht einfach aufgeben. Denn manchmal gibt es Wege, das wahrgenommene Risiko für den Investor wieder zu senken.
Häufig geschieht dies durch die belegbare Expertise und Erfahrung des Gründerteams. Gerade reifere Unternehmen, die das Geschäftsmodell schon eine Weile ausüben und z.B. dann im Detail ihre Lieferkette und Prozesse darlegen, haben so gute Chancen.
Manche haben auch einen Partner an der Hand, wie z.B. einen spezialisierten Logistiker, der die Risiken vielleicht sogar ein Stück weit übernimmt.
Und schließlich, und diese Möglichkeit verrät im Fall von The Plant Box Judith Williams selbst, kann man noch einen weiteren Investor suchen, der Expertise in diesem Bereich hat und das Modell für machbar hält. Besonders, wenn sich die beiden Investoren bereits kennen, kann das ein riesiger Vertrauensfaktor sein.
In diesem Fall ist das Carsten Maschmeyer, der ein ausgewiesener Hobby-Gärtner und Pflanzenfan ist. Und als solcher beteiligt er sich auch an dem Dealangebot, dass den Gründerinnen allerdings 20% statt 10% für die gewünschten 150.000 Euro abverlangt. Warum er betont, dass er als Venture Capitalist raus ist und den Deal nur als Pflanzenliebhaber machen will, erfahren die ZuschauerInnen leider nicht. Vielleicht sieht er die Skalierbarkeit nicht, oder die Zielgruppe der besser verdienenden StadtbewohnerInnen mit Balkon ist ihm ein wenig zu spitz.
Doch die GründerInnen schlagen ein und werden bestimmt alles geben, um auch den Venture Capitalist Carsten Maschmeyer in Zukunft voll von ihrem Geschäftsmodell überzeugen zu können.
Die Höhle der Löwen – Vom Pitch zum Deal
Startup-Expertin Ruth Cremer (die für uns regelmäßig über die Gründer-Show schreibt) berät in “Die Höhle der Löwen”, Gründer*innen bei der Vorbereitung auf ihren großen Auftritt. In ihrem Buch nimmt sie alle, die sich für die faszinierende Welt der Startups interessieren, selbst gründen wollen oder überlegen, erstmals zu investieren, mit hinter die Kulissen der erfolgreichen TV-Show. Sie zeigt, worauf es bei einem Pitch ankommt, entschlüsselt die Codes von Investoren und verrät, wie man vor ihnen besteht..
Ruth Cremer: “Die Höhle der Löwen – Vom Pitch zum Deal”, Goldmann, 336 Seiten, ab 12,99 Euro. Jetzt bei amazon.de bestellen