#Interview

“Wir wollten zu früh Geld raisen und sind an die falschen Investoren geraten”

Expresssteuer, 2019 gegründet, arbeitete im Januar zum ersten Mal profitabel. "Wir sind im Laufe der letzten zwölf Monaten um 2.000 % gewachsen", sagt Gründer Maximilian Lambsdorff. Nun steht die Expansion in weitere europäische Länder an.
“Wir wollten zu früh Geld raisen und sind an die falschen Investoren geraten”
Montag, 14. März 2022VonAlexander Hüsing

Das Hamburger TaxTech Expresssteuer, das 2019 von Maximilian Lambsdorff, Konstantin Loebner, Mehdi Afridi und Dennis Konrad gegründet wurde, hilft Onliner:innen bei der Steuererklärung. “Wir helfen den Leuten dabei, ihre Steuererklärung mit minimalem Zeitaufwand zu erledigen. In Deutschland gibt es nämlich immer noch 12 Millionen Arbeitnehmer, die es nicht schaffen ihre Steuererklärung zu machen”, sagt Gründer Lambsdorff zum Konzept.

Business Angels wie momox-Gründer Christian Wegner, Lieferando-Gründer Kai Hansen und Tim Stracke (Chrono24) investierten zuletzt 4,3 Millionen Euro in Expresssteuer. Der Weg dahin war steinig! “Wir wollten zu früh viel Geld raisen und sind dabei an die falschen Investoren geraten. Nachdem uns von einem Investor übel mitgespielt wurde, waren wir Anfang 2021 nahezu handlungsunfähig. Zum Glück haben Angel Investoren aus unserem Netzwerk erkannt, wie gut unsere Vision und das Produkt” , erzählt Lambsdorff.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Expresssteuer-Gründer außerdem über Code, Rückerstattungen und Nutzerfokus.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Expresssteuer erklären?
Wir helfen den Leuten dabei, ihre Steuererklärung mit minimalem Zeitaufwand zu erledigen. In Deutschland gibt es nämlich immer noch 12 Millionen Arbeitnehmer, die es nicht schaffen ihre Steuererklärung zu machen. Dabei erhält man als normaler Arbeitnehmer durchschnittlich mehr als 1.000 Euro vom Finanzamt zurück. Viele Menschen lassen dieses Geld einfach beim Finanzamt liegen. Registriert man sich online bei ExpressSteuer, was nur fünf bis zehn Minuten dauert, wird einem alles abgenommen. Man muss sich um nichts mehr kümmern und kann sich auf die Rückerstattung freuen.

War dies von Anfang an euer Konzept, oder hat sich euer Modell seit dem Start irgendwie verändert?
Wir haben 2019 erkannt, dass es für unsere größte Zielgruppe, die Arbeiter, noch kein vernünftiges Produkt auf dem Markt gibt. Mit dieser Einschätzung lagen wir richtig. Die Produktvision stand schnell fest. Der Weg ans Ziel verlief jedoch anders als ursprünglich gedacht. Wir haben fast zwei Jahre hunderttausende Zeilen Code geschrieben, um den notwendigen Automatisierungsgrad in unserer Backend-Software hinzubekommen.

Wie ist überhaupt die Idee zu Expresssteuer entstanden?
Als wir erkannt haben, dass derzeit knapp 50 Milliarden Euro beim Finanzamt liegen, die sich Arbeitnehmer zurückholen können, war unser Interesse geweckt. Als dann klar wurde, dass dies vor allem jene Menschen betrifft, die kein großes Einkommen haben, wussten wir auch, auf welche Zielgruppe wir uns fokussieren müssen, um den größten Mehrwert zu generieren.

Wer genau ist denn eure Zielgruppe und wo holt ihr diese ab?
Unsere Zielgruppe sind einfache Arbeitnehmer ohne Einkünfte aus selbstständiger Arbeit oder Vermietung und Verpachtung. Unsere Nutzer schlagen sich nicht gerne mit Zahlen und Dokumenten rum und arbeiten selten in Bürojobs. Wir erreichen unsere Nutzer über Social Media Plattformen und unsere Partner – große Arbeitgeber, Gewerkschaften und Startups.

Wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Wir gehen mit unseren Kunden ins Risiko. Wir erhalten 20 % der Rückerstattung, sobald sie ausgezahlt wird. Wenn wir für unsere Kunden eine hohe Rückerstattung rausholen, profitieren wir also auch davon.

Wie hat sich Expresssteuer seit der Gründung entwickelt?
Wir sind im Laufe der letzten zwölf Monaten um 2.000 % gewachsen. Im Januar wieder um 60 %, womit wir die Außenumsatz Run Rate von 50 Millionen Euro geknackt haben. Des Weiteren waren wir im Januar das erste Mal profitabel.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schiefgegangen?
Wir wollten zu früh viel Geld raisen und sind dabei an die falschen Investoren geraten. Nachdem uns von einem Investor übel mitgespielt wurde, waren wir Anfang 2021 nahezu handlungsunfähig. Zum Glück haben Angel Investoren aus unserem Netzwerk erkannt, wie gut unsere Vision und das Produkt sind und haben uns noch einmal aus der Patsche geholfen. Wir hatten uns zu sehr auf das Wort eines großen Investors verlassen: “Zeigt uns, dass ihr X€ Marketing zu gleichen CAC hinbekommt und wir investieren sofort”. Als diese Aussage dann Last Minute revidiert wurde, hatten wir zu viel ins Marketing investiert. Wir haben daraus gelernt, dass wir Entscheidungen immer für das Unternehmen und nie für Investoren treffen.

Und wo hat Ihr bisher alles richtiggemacht?
Von Tag eins versuchen wir jede Entscheidung für die Kunden zu treffen. Unser provisionsbezogenes Geschäftsmodell hilft uns dabei: Wenn der Kunde gewinnt, dann gewinnen auch wir. Dieser radikale Nutzerfokus hat dazu geführt, dass unsere Kunden das Produkt lieben. Nur dadurch konnten wir so enorm schnell und gleichzeitig nachhaltig wachsen.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründern mit auf den Weg?
Sucht euch von Anfang an jemanden, der das Ganze schon mal erfolgreich durchgemacht hat. Jemand, der eng mit euch zusammenarbeitet und euch vor folgenschweren Fehlern bewahren kann. Jemand, dem man vertraut und mit dem man anstehende Entscheidungen reflektieren kann. Solche Mentor*innen sind extrem schwer zu finden und kosten oft einiges – besonders Equity. Aber das ist es wert. Es gibt fast nie den einen großen Wurf. Gute Dinge entstehen schrittweise durch harte Arbeit und konstante Optimierung. Schlechte Dinge hingegen kommen dagegen oft schnell und unverhofft. Diese gilt es zu vermeiden oder zumindest abzufedern.

Wo steht ExpressSteuer in einem Jahr?
In einem Jahr haben wir unsere Nutzerzahl verachtfacht und sind in zwei weiteren europäischen Ländern vertreten. Wir ermöglichen es auch Rentnern ihre Steuererklärung bei ExpressSteuer zu machen und bieten unseren Nutzern neben der Steuererklärung auch weitere Fintech-Produkte an.

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Foto (oben): Expresssteuer

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.