Von Alexander
Freitag, 11. März 2022

“Ich sehe die Idee als Zündschnur, die nur mit dem richtigen Team weiterbrennt”

"Durch unseren einzigartigen Mix aus Family Office und institutionellem Investor, bieten wir Startups Zugang zu unserem breiten Netzwerk an Co-Investoren, Industrie-Partnern und Immobilienpartnern", sagt Alexander Hoffmann von Kingstone Schweizer Ventures.

Der Schweizer Geldgeber Kingstone Schweizer Ventures (KSV). Der junge Geldgeber, hinter dem Umut Ertan, Philipp Schomberg und Tim Schomberg stecken möchte “innerhalb des Impact-Universums jene radikalen Strategien durch Investitionen fördern, die sich besonders durch Pioniergeist und disruptive Ansätze auszeichnen”. Geführt wird der Geldgeber von Alexander Hoffmann, früher M Ventures.

Im VC-Interview mit deutsche-startups.de spricht KSV-Macher Hoffmann über Sauerstoff, Richtlinien und Flexibilität.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Kapital ist letztendlich der notwendige Sauerstoff für Unternehmen, die am Anfang ihrer Reise stehen und gewisse Meilensteine erreichen müssen. Insbesondere Firmen, die auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen aufgebaut werden, benötigen in der Regel Kapital, um diese Erkenntnisse in marktreife Produkte weiterentwickeln zu können. Diese Brücke zu bauen und damit ein Teil eines zukünftigen Produktes zu sein, ist es was mich reizt, Geld in Unternehmen zu investieren.

Wie wird man eigentlich Venture-Capital-Geber – wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
In meinen Augen ist das generell ein Prozess, der sich bei mir eher zufällig entwickelt hat. Nach mehreren Jahren Erfahrungen operativer Rollen in Venture-Capital-finanzierten Startups, sowie Erfahrungen im Innovationsbereich des Wissenschafts- und Technologie-Konzerns Merck, bin ich 2016 zu M Ventures gewechselt, dem Corporate VC von Merck. Seitdem bin ich der Venture Capital Szene treu geblieben und glaube, durch den Mix an operativer, strategischer und Investment-Erfahrung einen wertvollen Beitrag leisten zu können.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Klar, die Entscheidung, Millionenbeträge in Unternehmen zu investieren, ist nie eine einfache, aber wenn man sich zum einen an seine eigenen Richtlinien der Investment-Strategie hält, und zum anderen sich auf seine Erfahrung verlässt, ist das Risiko meist soweit minimiert, dass sich die Entscheidung sehr gut erklären lässt.

Was sollte jede-Gründerin, jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Zum einen sehen wir unsere Konstellation als einzigartig an, mit Family Office Werten, aber institutionellem Anspruch, zum anderen die Tatsache, dass wir in unserem Investment Scope sehr breit investieren wollen, von Deep-Tech Hardware-Themen zu Software-basierten Lösungen. Impact steht bei allem an oberster Stelle.

Welche Unterstützung bietet Ihr – neben Geld?
Durch unseren einzigartigen Mix aus Family Office und institutionellem Investor, bieten wir Startups Zugang zu unserem breiten Netzwerk an Co-Investoren, Industrie-Partnern und Immobilienpartnern. Zudem leben wir das Prinzip von Familien-Werten und denken damit in Generationen, ganz getreu unserem Motto: By Families. For Generations.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
In erster Linie ist mir der direkte Austausch mit dem Management der Portfolio Firmen wichtig, die dazu notwendigen Tools sind nur Mittel zum Zweck. Daher stelle ich mich gerne zur Verfügung, sobald es Fragen gibt, zu denen ich meine Meinung geben kann, und das jederzeit.

Was ist wichtiger: Das Team oder die Idee?
Ich sehe die Idee meist als Zündschnur, die nur mit dem richtigen Team weiterbrennt. Die Umsetzung, die notwendige Flexibilität um die Idee richtig umzusetzen, ist eine Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Idee.

Wie sieht das ideale Gründerteam aus bzw. gibt es überhaupt das ideale Gründerteam?
Es sollte im Idealfalle ein Gründer-Team von mindestens einem Gründer und mehreren Co-Gründern sein. Die Komposition sollte so komplementär sein wie möglich. Da wir auch in Startups investieren wollen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, sollte das entsprechende wissenschaftliche Fachwissen im Gründerteam vertreten sein. Zusammen mit einer betriebswirtschaftlichen / kommerziellen Kompetenz formt es in meinen Augen oft ein gutes Gründerteam.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Startup investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
Wir verfolgen ein recht stringentes Framework, um zu einer Investment-Entscheidung zu kommen. In erster Linie versuchen wir den potenziellen positiven Impact einer Firma zu messen und nehmen dies auch als erstes Filter-Kriterium. Alle Firmen in unserem Portfolio sollten einen signifikanten positiven Impact erwirken. Darüber hinaus prüfen wir sehr sorgfältig die grundlegenden wissenschaftlichen und technologischen Hypothesen, den Markt, das Business Modell, und natürlich auch das Team. Nach diesen eher „Checkbox“-artigen Prüfungen versuche ich ebenso mein Bauchgefühl mit entscheiden zu lassen. Letztendlich geht man ja immer eine lange Zusammenarbeit ein, da sollte die Chemie stimmen und das Bauchgefühl spielt da eine ebenso große Rolle.

Nicht jedes Startup läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Jeder Investor sollte wissen, dass gewisse Dinge auch mal nicht so laufen wie sie sollten. Wir verstehen unsere Rolle auch absolut als Investor mit dem Verständnis dafür und dem nötigen Support, die Schieflage wieder gerade zu biegen. Man sollte in solchen Fällen erstmal versuchen, gemeinsam mit dem Management zu analysieren, was genau und warum es falsch läuft. In den meisten Fällen, lassen sich solche Probleme auch langfristig lösen. Die Erfahrung haben wir alle bereits in der Vergangenheit gemacht, das bereitet einen vor.

Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Startup die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Sollte die Analyse einer Schieflage ergeben, dass das Problem eher systemischer Natur ist, also außerhalb der Kontrolle des Management-Teams liegt, ist es dann tatsächlich eine der Möglichkeiten, die vor einem liegen. Bevor allerdings endgültig die Reißleine gezogen wird, sollten alle anderen Schritte in Erwägung gezogen, von weiterer Finanzierung zu möglichem Verkauf. Es ist nie eine leichte Entscheidung, aber in manchen Fällen die weisere.

Wie wichtig und bindend ist ein Businessplan?
In meinen Augen ist ein Businessplan ein Richtungsweiser und kein exakter Vorherseher. Es wird immer Abweichungen geben, da die Realität immer anders aussieht als der Plan. Je näher man allerdings an der Realität ist, desto besser – das zeichnet meines Erachtens auch die Gründer aus, die entsprechend realistische Szenarien erarbeiten.

Wie spricht man als Gründer:in am besten einen Investor an?
Inzwischen bieten sich so viele Plattformen als mögliche Kontaktmöglichkeiten an, von LinkedIn zu Konferenzen. Dennoch ist es sicherlich nach wie vor so, dass warme Intro’s den größten Effekt erzielen, allerdings nur den Gründern zur Verfügung stehen, die das entsprechende Netzwerk haben. Um diesem Phänomen etwas entgegenzuwirken habe ich 2019 gemeinsam mit anderen europäischen Impact VC-Investoren die Plattform „Rising Tide Collective“ gegründet, einem Kollektiv von inzwischen mehr als 70 Impact Investoren, die es Gründern ermöglichen wollen, in einem ungezwungenen Rahmen Fragen an VCs zu stellen, ohne in einer Pitch Situation zu sein. Das Feedback, das wir bislang erhalten haben, ist sehr positiv und wir hoffen, damit eine gewisse Transparenz im VC Entscheidungs-Prozess zu bieten.

Was sollten Gründer:innen vor Investoren niemals sagen oder machen?
Schwierige Frage, da gibt es meines Erachtens keine klare Antwort und jeder tickt da anders. Für mich persönlich ist Integrität wichtig.

Gibst Du uns zum Abschluss noch einen Einblick in Dein bzw. Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen bist Du, seid Ihr leider nicht eingestiegen?
Ich hatte während meiner Zeit bei M Ventures die Möglichkeit in der Series A von Infarm zu investieren. Leider hatten wir uns aus verschiedenen Gründen dagegen entschieden. Ebenso war ich länger im Gespräch mit Huma – damals noch Medopad -, einer Digital Health Plattform, für deren Series A-Runde. Auch hier hatten wir uns gegen ein Investment entschieden.

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Foto (oben): Kingstone Schweizer Ventures