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Mit Schwarzen Schwänen kämpfen – wie gründet es sich in Zeiten von Covid-19 und Wirecard?

Das Coronavirus hat auch die Wirtschaftswelt auf den Kopf gestellt und neue Geschäftsmodelle befördert. In Krisenzeiten entstehen neue Bedürfnisse. Wie aber gründet es sich in Zeiten von Covid-19 und Wirecard? Ein Gastbeitrag von Malte Rau.
Mit Schwarzen Schwänen kämpfen – wie gründet es sich in Zeiten von Covid-19 und Wirecard?
Mittwoch, 16. Februar 2022VonTeam

Alles sah bestens aus, als mein Partner Fabian Terner und ich im Frühjahr 2020 unsere neue Firma pliant gründen wollten. Ziel unseres Startups: zum führenden Anbieter der neuesten Generation von Firmenkreditkarten aufzusteigen. Wir beide waren schon lange in der Fintech-Szene aktiv und so hatten wir im März 2020 viele Angebote von Investoren auf dem Tisch, die unser Unternehmen finanzieren wollten. Wir mussten uns nur das beste Angebot und den passendsten Partner aussuchen. Doch dann schlugen das Coronavirus und die massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu.

Weite Teile des Geschäftslebens standen still. Firmen mussten ihr Businessmodell anpassen – und keiner unserer potenziellen Investoren war mehr für uns verfügbar. Angebote wurden zurückgezogen, manche Kapitalgeber sind gar nicht mehr ans Telefon gegangen. Diejenigen, die wir überhaupt erreichen konnten, sagten uns: „Wir wissen nicht, was passiert. Wir kümmern uns nur noch ums Bestandsportfolio.“ Für uns, wie für andere Unternehmen, begann eine unsichere Zeit; bei uns verschärft dadurch, dass es uns in einer äußerst ungünstigen Lage traf. Schließlich hatten wir nichts als die Idee in der Hand und brauchten nun Geld, um unsere Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Doch Investoren flüchteten damals vor unbekannten und völlig neuen Investments.

Ein Lichtblick nach zwei Monaten Warten

Zum Glück fingen sich im weiteren Verlauf die meisten Firmen – ja manche, zumeist digitale Geschäftsmodelle explodierten förmlich. Die anfängliche drastische Zurückhaltung unserem Fintech gegenüber löste sich etwas auf und so gewannen wir im Mai 2020 ein Family Office, das in uns investierte. Die Corona-Vorschriften führten allerdings dazu, dass wir längere Zeit auf einen Notartermin warten mussten, um die Gesellschaft zu gründen. Dann aber konnten wir mit zehn Leuten loslegen und unser Produkt entwickeln. Alles lief nach Plan – dachten wir.

Kreditkarten haben naturgemäß viel mit der Abwicklung von Geldströmen und Zahlungen zu tun – und als unseren Bankenpartner hatten wir uns ausgerechnet eine Firma namens Wirecard ausgesucht. Wir waren neu am Markt, mussten bei ihnen in Vorleistung gehen und als erste Rate eine sechsstellige Summe überweisen. Am 16. Juni informierte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY den Wirecard-Aufsichtsrat, kein Testat für das Jahr 2019 zu erteilen. Zu groß waren die Ungereimtheiten, vor allem zum Verbleib von 1,9 Milliarden Euro. Genau an diesem Tag wäre unsere Überweisung fällig gewesen. Auch dort ging plötzlich keiner mehr ans Telefon. Doch die Nachricht über die mittlerweile amtlichen Verfehlungen Wirecards kamen für uns gerade noch rechtzeitig und waren eindeutig. Sonst wäre unser Geld und das der Investoren unwiderruflich verloren gewesen.

Wirecard implodierte, wir haben weiter an unserem Produkt gebaut, brauchten aber einen Bankenpartner – so wie Tausende Ex-Wirecard-Kunden, die nun zur selben Zeit auf der Suche nach einem Zahlungsdienstleister waren. Es war ja nicht so, dass Wirecard gar keine Kunden hatte. Das merkten wir, als wir als unbeschriebenes Blatt bei den einschlägigen Dienstleistern anriefen – die sich angesichts des unverhofften Kundenansturms nicht um eine junge Firma mit Null-Umsatz in der Testphase kümmerten, sondern um etablierte Unternehmen. Wir standen in der Warteschlange ganz hinten, das wurde uns immer wieder verdeutlicht.

Der Fall Wirecard bremste monatelang

Auf diese Weise haben wir zwei bis drei weitere Monate verloren. Erst im Dezember 2020 konnten wir schließlich die erste Testtransaktion durchführen. Monate nach dem ursprünglichen Termin, und so langsam ging uns das Geld aus. Doch immerhin waren unsere Kosten überschaubar und wir noch nicht live. Parallel dazu kam Ende 2020 der zweite Lockdown. Daran allerdings hatten sich schon alle Akteure gewöhnt und es hatte kaum gravierende Auswirkungen für uns. Nun aber schlug die Wirecard-Pleite ein zweites Mal zu. Die Regulatoren traten auf den Plan und verlangten von unserer Partnerbank, die gemeinsam definierten Prozesse noch einmal komplett aufzuarbeiten. Damit verzögerte sich der Start erneut, obwohl auf der operativen und technischen Seite bereits alles fertig war. Wir konnten die zusätzliche Zeit zwar produktiv nutzen, unser Produkt noch besser zu machen, wären aber gerne schon viel früher als erst im zweiten Quartal 2021 live gegangen.

Es war eine beängstigende Achterbahnfahrt – und das über Monate. Rund acht Wochen davon mussten wir warten, ohne selbst irgendetwas tun zu können, um den Prozess zu beschleunigen. Heute können wir mit zwei lachenden Augen auf die vergangenen anderthalb Jahre blicken. Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände, für die wir nichts konnten – mit denen man aber als Gründer immer leben muss. Wir haben jedenfalls viel aus dieser frühen Phase gelernt. Unter anderem, wie wichtig es ist, inmitten von großer Unsicherheit einen kühlen Kopf zu bewahren, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Und inzwischen freuen wir uns, sagen zu können, dass der Start von pliant mehr als gelungen ist. Nach unserer bereits sehr erfolgreichen Seed-Finanzierung letzten Sommer sind wir im Herbst so stark gewachsen, dass wir die Runde schon kurz vor Jahresende noch einmal signifikant aufstocken konnten und auch mussten, um dem weiteren Wachstum gerecht zu werden. Dass wir nur wenige Monate nach dem Go-live bereits mehr als 20 Millionen US-Dollar an Finanzierung einsammeln würden, hätten wir uns Anfang 2020 noch überhaupt nicht vorstellen können.

Das Coronavirus hat auch die Wirtschaftswelt auf den Kopf gestellt und neue Geschäftsmodelle befördert. In Krisenzeiten entstehen neue Bedürfnisse. Dadurch, dass kontaktloses Zahlen durch Covid-19 relevanter und beliebter wurde, stieg auch bei Vorständen und Beschäftigten – unserer Zielgruppe – die Nachfrage nach unseren Kreditkarten.

Über den Autor
Malte Rau ist CEO und Co-Gründer des Berliner Fintechs pliant. Seit über zehn Jahren arbeitet er im Fintech- und Bankenbereich mit Stationen bei KPMG, der Kreditkartenplattform auxmoney und Rocket Internet. Sein Anspruch ist es, mit pliant die digitale Kreditkartenlösung für maximale Flexibilität und Ersparnis an Unternehmen zu bringen.

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Foto (oben): Shutterstock