Von Team
Montag, 7. Februar 2022

Die zwei Seiten der Zweisamkeit oder C-Date vs. Parship

Seit zwei Jahren erleben wir eine Pandemie der Vereinzelung. Goldene Zeiten also für Parship und C-Date. Vielleicht sogar Platin. Mit der richtigen Plakatkampagne. Also lasst uns einen Blick auf den Rosenkrieg der Blickfänger werfen. Wer macht die bessere Out-of-Home-Werbung?

In der großen “Grant and Glueck study” der Havard Universität wurden über 80 Jahre hinweg das Wohlbefinden von zwei sehr unterschiedlichen demografischen Gruppen getrackt: Wenig wohlhabenden Männern aus einem sozialen Brennpunkt in Boston und privilegierten Havard-Graduenten. Seit dem zweiten Weltkrieg wurden immer wieder Blutproben, Hirnscans und Befragungen durchgeführt. Mit einem klaren Ergebnis, welches Robert Waldinger, der leitende Psychiater der Research-Gruppe, so auf den Punkt bringt: “Die klarste Botschaft, die uns diese 80 Jahre währende Studie vermittelt, ist: Gute Beziehungen machen uns glücklicher und gesünder. PUNKT!”

Kein Wunder also, dass Plattformen, die versprechen, bei der Anbahnung von Beziehungen helfen zu können, Konjunktur haben. Seit zwei Jahren erleben wir eine Pandemie der Vereinzelung, die die Isolation, die auf die Erfindung des Pornovideos folgte, aussehen lässt wie eine fröhliche Familienfeier. Goldene Zeiten also für Parship und C-Date. Vielleicht sogar Platin. Mit der richtigen Plakatkampagne. Also lasst uns einen Blick auf den Rosenkrieg der Blickfänger werfen. Wer macht die bessere Out-of-Home-Werbung?

Positionierung & Haltungsnote

„Lasst uns Dating wieder besser machen”, lautet die fromme Botschaft, die das altbekannte „Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single über Parship” ablöst. Inhaltlich bleibt sich Parship hier treu. Es geht ums Verlieben. Nicht ums Vögeln. Macht ja auch auf den ersten Blick Sinn, denn in repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom gaben 91 % der Männer und 96 % der Frauen über alle Altersklassen hinweg an, Online-Dating-Dienste zu nutzen, um einen festen Partner kennenzulernen. Wer wünscht sich schon ein Leben ohne Liebe? Logo: Keine:r! Stellt sich nur die Frage, ob man wirklich das Ein und Alles für alle sein kann. Oder, ob hier der Wunsch, das Plakat als moralische Anstalt zu nutzen, zwar viel Haltung zeigt, aber nur wenig Wirkung, weil die diversen sich-wohl-in-ihrer-Haut-fühlenden Menschen ebenso gut Cola, vergane Mühlenwurst oder Zahnzusatzversicherungen verkaufen könnten.

C-Date dagegen steht dazu, dass „Casual Dating“ im Mittelpunkt steht. Mit Sprüchen wie „Mein eigenes Bett kenne ich jetzt gut genug” oder „Ich trage ja auch nicht jeden Tag dieselben Schuhe”. Das ist ehrlich, wird heute wahrscheinlich aber schnell von Tugendwächtern als  Umschreibung für „Warm-Up zum Ghosting“ interpretiert. Gibt also erstmal keine Top Haltungsnote. Dafür einen Punkt für klaren Fokus, Aufmerksamkeit und in Sachen Business Logik. Denn ja, jede:r Dritte Internetnutzer nutzt heute auch Datingplattformen. Für durchschnittlich 38 Euro pro Monat. Genau hier, wo es spannend wird, schweigen sich viele Studien allerdings über ein nicht ganz unwichtiges Detail aus: Sind Männer und Frauen gleichermaßen bereit, für kostenpflichtige Premium Profile zu bezahlen? 

Denn wenn wir mal annehmen, dass es bei Werbung darum geht, zu verkaufen, wäre es ja schlau, möglichst viele zahlende Kunden zu gewinnen. Unter Umständen macht die Kampagne von C-Date da zumindest kurzfristig den besseren Job. Denn wer war zumindest bisher noch bereiter für die Illusion einer erfolgreichen Kontaktaufnahme richtig zu bezahlen? Richtig, Männer. Das belegen nicht nur Studien von Cambridge Ph.D Rob Henderson. Sondern auch von der Tatsache, dass sich eine komplette Industrie rund um das Erstellen und Verwalten von Fake-Profilen gebildet hat.

Zwischenstand

Parship bekommt einen Punkt in der Haltungsnote für den erzieherischen Anspruch und noch einen Extrapunkt für Treue zur eigenen Vision. Zwei Punkte für C-Date für klare Positionierung und Fokus auf schnelle Wirkung.

Visual ID

Die durchschnittliche Betrachtungsdauer einer Großfläche liegt bei 0,7, die eines CLP bei 0,5 Sekunden. (Um eine bessere Vorstellung davon zu entwickeln, wie kurz das ist, versuche mal in der Zeit das Wort „Liebe“ auszusprechen und mitzustoppen. Klappt nur, wenn man nuschelt.) Da ist natürlich erstmal klar im Vorteil, wer keinen Umweg über Sprache nehmen muss, sondern sein Botschaft gleich ins Limbische System slamdunken kann. 

Blöd für Parship, dass man da nicht bei der alten Erfolgsformel geblieben ist. Don´t hate the player, hate the game, folks: Ja, Gesichtssymetrie beeinflusst nachweislich gerade beim „Mating Choice“ genderunabhängig die Präferenz. Und ja, noch immer führen latent pornöse Schlüsselreize zu höheren Dopaminausschüttung als Bilder von z. B. Rüben oder Baumrinde. Das mag man, und vor allem frau, finden, wie frau will, aber die sauber gewaschene Blondine von C-Date ist so old-school wie eine Dodge Charger Hellcat. Dabei genau so aufmerksamkeitsstark und polarisierend. Und genauso wenig klug.

Dem gegenüber steht der Ikea-Approach von Parship. Jede und jeder und alle dazwischen finden hier Wärme und Zuneigung. Und selbst wenn nicht, so immerhin Selbstliebe und Wohlbefinden. Ist C-Date ein Musclecar, so ist Parship ein E-Roller: Da kann wirklich niemand guten Gewissens was dagegen haben, ohne sich als reaktionäres Schwein zu fühlen. 

Zwischenstand

Parship punktet mit Modernität, bleibt aber braver als eine Fanta Werbung. Differenzierung? Appetite Appeal? Eher geht so. 1 Punkt. C-Date macht das, womit Parship groß geworden ist, vergisst aber dabei Frauen als Zielgruppe komplett. 1 Punkt. Und damit Gleichstand.

Copy

Schon Gabriel Garcia Marques wusste, dass „Liebe in den Zeiten der Cholera“ weiß Gott kein Zuckerschlecken ist. Darum ist es ja erstmal total löblich und auch strategisch ziemlich weit vorne von Parship, sich als Transformatorin einer gesamten Branche zu inszeniert. „Stop Dating – Start Eheanbahnungsinstitut“, wäre da ein guter Claim. Zusätzlich wäre zu überlegen, ob vielleicht ein zusätzliches Biosiegel und zwei, drei weitere Hygienieplaketten die Plakate noch richtiger machen würden. C-Date dagegen macht so ziemlich alles falsch, was man in den Augen einer jungen, woken Person falsch machen kann: Blonde Frau. Nackte Haut. Dessous. Sexualität, so dargestellt, dass keinerlei Kraftaufwand kostet, sie des Sexismus zu verdächtigen. Der Spruch irgendwo zwischen lasziv und lustig, ob einfach liberal und selbstbestimmt oder lediglich der Wunschtraum eines untervögelten Copywriters liegt ganz im Auge des Betrachters.

Wirklich gut bei Parship ist der auffordernde Charakter der Zeilen. Headline = Call-to-Action ist erstmal eine Erfolgsformel. Einladen, Teil der neuen Art etwas zu machen zu werden – auch immer gut. Fraglich ist so ein bisschen, wie viele Menschen, die nicht bei Parship arbeiten jetzt genau wissen, was zu tun ist. Wie soll das aussehen, der Neustart des Dating? Hat es Parship wirklich geschafft, die bisherige Tatsache – sehr wenige Männer nehmen auf Online Dating Plattformen zu sehr vielen Frauen Kontakte auf und sehr, sehr, sehr viele gucken in die Röhre oder flirten mit Fakes, bis sie angefixt genug für Premium sind – zu revolutionieren? Wenn ja, Chapeau. Und: All for love!

Zwischenfazit

Parship will nichts weniger, als das komplette Kennenlernverhalten ownen und schreibt dazu aktivierende Zeilen, die zum Mitmachen einladen. Zwei Punkte. C-Date setzt auf Bondgirl Attitude wie Pussy Galore und läuft so Gefahr, dass Interessierte entweder gleich zu pornhub abschwenken oder von vornherein ungläubig abwinken.

Gesamtfazit

Vergleicht man die MIttel, die hinter den Kampagnen stehen, wird ein abschließendes Urteil nahezu unmöglich. Denn die Firepower von Parship ist so überwältigend, dass selbst die Ambition, das Liebesleben von Millionen Menschen radikal zu verändern gar nicht mehr so größenwahnsinnig erscheint. Darum statt eines Verdikts ein Gedankenspiel: Angenommen, nur ein C-Date- und ein Parship-Plakat hingen nebeneinander in einer mittelgroßen deutschen Stadt in mittelmäßiger Lage – welches würde wohl für mehr Klicks auf der jeweiligen Seite sorgen?

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Über den Autor
Friedrich Tromm ist Gründer und Geschäftsführer der Creative Company TryNoAgency, die selbst ernannten „Einhorn-Macher”. Nach Stationen als Freelancer in über 50 namhaften nationalen und internationalen Agenturen (Jung von Matt, BBDO, McCann Erickson uvm.) sowie diverser internationaler Apple Launch-Kampagnen kümmert er sich heute mit seinem Partner Stefan Nagel und 20 Mitarbeitern um das Besondere von Start-Ups wie Doctolib, HelloFresh, Mister Spex, N26 und Scalable Capital.

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Foto (oben): Shutterstock