#Gastbeitrag
Die zehn wichtigsten Technologietrends im Jahre 2022
“Follow the money” heißt es gerne auf Englisch, wenn es darum geht, wichtige Entwicklungen zum Ursprung zurückzuverfolgen. GP Bullhound, eine Tech-M&A-Beratungsgesellschaft und Investmentfirma, macht genau das, um Jahr für Jahr die prägenden technologischen Trends der nächsten 12 Monate zu identifizieren. Die internationalen Analyst:innen des Unternehmens haben die wesentlichen Investitionstrends zusammengefasst und daraus zehn Trends abgeleitet. Der Technology Predictions Report 2022 hält interessante Erkenntnisse zu Entwicklungen in der Creator Economy, dem Hype um das Thema Metaverse und dem Siegeszug von KI im Gesundheitswesen bereit. Der folgende Beitrag fasst die Trends zusammen.
Die Creator Economy wird erwachsen. Weltweit gibt es laut Forbes rund 50 Millionen Influencer:innen auf YouTube, Instagram, Twitch, TikTok und anderen Social-Media-Plattformen. Sie haben eine neue Kreativwirtschaft geschaffen, in der sie ihre eigenen Inhalte erstellen und monetarisieren können. Marken lassen den Creators bei Werbekooperationen zunehmend freie Hand, den gesponserten Content auf ihr Zielpublikum zuzuschneiden. Schon 2020 konnte die Creator Economy in den USA rund 144 Millionen Dollar einnehmen – das ist fast eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr.
Die Dezentralisierung des Finanzsystems schreitet voran. Im Oktober 2021 betrug der „Total Locked Value“ allein auf der Ethereum-Blockchain über 100 Milliarden US-Dollar. Es ist ein alternatives Finanzsystem entstanden, das vom Kreditgeschäft bis hin zum Asset Management immer mehr Bereiche des Finanzsektors abdeckt. Diese dezentralen Anwendungen definieren Finanzdienstleistungen neu und bieten ein noch nie da gewesenes Maß an Transparenz, Interoperabilität und gleichberechtigtem Zugang. Der explosionsartige Anstieg der Verkäufe von Non-Fungible Tokens (NFTs) war eine weitere wichtige Triebkraft für die Akzeptanz der Blockchain.
Zunehmender Effizienzdruck macht Lieferketten digitaler. Covid-19 beeinträchtigt die weltweiten Lieferketten. Unternehmen sehen sich mit Engpässen und Preissteigerungen bei Rohstoffen konfrontiert. Auch der Ausfall von Arbeitskräften zwingt sie dazu, nach Optimierungsmöglichkeiten der Lieferketten zu suchen. Softwareplattformen wie forto ermöglichen es Unternehmen, Lieferketten durch strategische Beschaffung und Frachtweiterleitungen zu optimieren. Statista geht davon aus, dass der weltweite Markt von Supply-Chain-Software im laufenden Jahr auf über 20 Milliarden US-Dollar anwachsen wird.
ARM-Chips verdrängen x86-Prozessoren. ARM-basierte Chips lassen sich sowohl in mobilen als auch in Desktop-Geräten einsetzen. Sie bieten deutliche Vorteile für Anwendungen wie maschinellem Lernen und sind damit viel effizienter und vielseitiger als traditionelle x86-Chip-Prozessoren. Solche Anwendungen werden künftig autonome Fahrzeuge sicherer machen, die Funktionalität von am Körper getragenen medizinischen Geräten verbessern und schnellere Datenanalysen in vielen Bereichen ermöglichen. Apple hat mit seinem M1-Chip vorgelegt. Auch Google und Microsoft arbeiten an eigenen CPUs auf Basis der ARM-Technologie.
Das Metaverse rückt näher. Mark Zuckerberg hat das Interesse an der Idee des Metaverses als Zukunft des Internets neu entfacht. Es bezeichnet eine Welt miteinander verbundener virtueller Gemeinschaften, in der sich Menschen über Virtual-Reality-Headsets, Augmented-Reality-Brillen, Smartphone-Apps oder andere Geräte begegnen. Das Metaverse wird unser Konsumverhalten und unsere Arbeitsweisen beeinflussen. Es bietet Unternehmen neue Möglichkeiten, ihren Content zu präsentieren, z. B. in Form virtueller Galerien, wie sie bereits in Decentraland existieren. Auch der Trend zum virtuellen Arbeiten und die Zunahme virtueller Arbeitsräume wird die Entwicklung des Metaverse beschleunigen. So könnte zukünftig beispielsweise in virtuellen Welten an Projekten zusammengearbeitet werden oder diese als Treffpunkt für Austausch genutzt werden.
Wearables werden immer schlauer. Galt die Apple Watch anfangs noch als Spielerei, ist die Akzeptanz von Wearables mittlerweile enorm gestiegen. Dabei nimmt die Bedeutung von KI-gestützter Software zu. Getragen wird diese Entwicklung durch den stark wachsenden Markt für IoT-Analytik: Market Research Future prognostiziert, dass das Marktvolumen bis 2025 auf 58,4 Milliarden US-Dollar steigern, mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 31 Prozent. Durch den Einsatz von KI können Wearables-Unternehmen ihren Nutzern nun detaillierte Datenanalysen und sogar Vorhersagen zu ihrer Gesundheit und körperlicher Leistungsfähigkeit bieten.
Der Chipmangel zwingt zu Gegenmaßnahmen. Die Covid-19-Pandemie hat die weltweiten Halbleiter-Lieferketten unter Druck gesetzt. Da immer mehr Geräte über Chips vernetzt und mit intelligenten Steuerungsfunktionen versehen werden, nehmen die Engpässe in Zukunft möglicherweise weiter zu. Verschiedene Initiativen wollen gegensteuern: In den USA sieht der “CHIPS for America Act” 52 Milliarden Dollar vor, um die heimische Chipindustrie zu unterstützen, die EU plant einen “European Chips Act”. Gleichzeitig wollen die Hersteller ihren Output erhöhen: Der weltgrößte Produzent TSMC will dafür in den nächsten drei Jahre 100 Milliarden US-Dollar investieren. Auch das traditionsreiche Unternehmen Intel kündigte einen 20-Milliarden-Dollar-Plan an, um seine Kapazitäten für die Chip-Herstellung zu erweitern.
Immer mehr Konsumenten bezahlen später. By now, pay later (BNPL): Dieses Modell wird bei Käufer:innen immer beliebter, während die Kreditkarte an Popularität verliert: Besitzen Angehörige der Baby-Boomer-Generation noch im Schnitt 3,5 Kreditkarten, sind es bei den Millennials nur noch 2,5. Gleichzeitig nutzen 27 Prozent der jungen Generation BNPL, während es bei den Boomern nur 6 Prozent sind. Die Verbraucher:innen wechseln von der Kreditkarte zur BNPL, um hohe Zinsen und Schulden zu vermeiden und gleichzeitig Zugang zu mehr Produkten zu haben. Der Handel bietet den Service zunehmend an, weil er mit ihm den durchschnittlichen Bestellwert und die Konversationsraten steigern sowie neue Kund:innen gewinnen kann.
Technologie macht Belegschaften vielfältiger. Den Themen Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion werden in der Arbeitswelt immer mehr Bedeutung zugemessen. Neue Software-Lösungen ermöglichen es Unternehmen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen Bewerbungsprozesse diskriminierungsfreier zu gestalten. Ein weiterer Bereich für die Digitalisierung des Recruitings wird die auf Bewerber:innen ausgerichtete prädiktive Analytik sein. Sie erfasst den Cultural Fit zwischen den potenziellen Angestellten und dem jeweiligen Unternehmen. Auf der Grundlage umfangreicher Daten aus der Zeit vor und nach der Einstellung bestehender Mitarbeiter:innen treffen Analysetools Vorhersagen über die Eignung der Bewerber:innen.
Künstliche Intelligenz automatisiert das Gesundheitswesen. Von der Diagnose bis hin zur Behandlung nimmt der Einsatz von KI in allen Bereichen des Gesundheitswesens zu. Durch die neuen Technologien erhalten Patient:innen eine bessere Versorgung und präzisere Diagnosen, während gleichzeitig ein breiterer Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen geschaffen wird. Der Bedarf an Fernbehandlungen während der Pandemie hat den Trend zu einer virtuellen und datengesteuerten Gesundheitsversorgung verstärkt.
Fazit
Der Digitalisierungsschub der Pandemie hat den Weg für einen beschleunigten technologischen Wandel geebnet. So machen viele Branchen momentan große Innovationssprünge. Die Technologietrends 2022 zeigen zudem, dass Verbraucher:innen 2022 im Mittelpunkt stehen werden. Aber: Um die Zukunft unserer Wirtschaft nicht zu verspielen, muss weiter investiert werden. Insbesondere Deutschland und die EU-Länder benötigen zusätzliche Gelder und viel mehr Forschung für Technologien wie z. B. dem maschinellen Lernen, um von der wachsenden Nachfrage nach digitalen, intelligenten Angeboten und dem sich ändernden Konsumverhalten zu profitieren.
“Gibt es keine Pleiten, sind die Investoren zu vorsichtig” – Interview #37 – Julian Riedlbauer (GP Bullhound)
Über den Autor
Julian Riedlbauer ist Partner und Leiter der deutschen Niederlassung des global führenden Technologie-M&A-Beraters und -Investors GP Bullhound. Bevor er die Leitung des deutschen Büros übernahm, war Julian Riedlbauer Geschäftsführer bei Corporate Finance Partners, einer internationalen M&A-Beratungsfirma mit den Schwerpunkten Internet, Medien und Technologie. Vor seinem Wechsel auf die Beraterseite sammelte Riedlbauer als Gründer, Unternehmer und Manager mit mehreren M&A-Deals im Internet-, IT- und TK-Sektor umfassende Erfahrung.
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