Von Alexander
Donnerstag, 30. Dezember 2021

“Wir sind binnen eines Jahres auf über 160 Mitarbeiter: innen gewachsen”

Wie lief es 2021 bei der Bloomwell Group? "Gerade das Wachstum unseres Telemedizin-Unternehmens Algea Care hat uns selbst überrascht. Inzwischen haben wir über 5.000 Patient: innen behandelt", sagt Gründerin Anna-Sophia Kouparanis.

Die Bloomwell Group aus Frankfurt am Main, das vom Farmako-Macher Niklas Kouparanis, Anna-Sophia Kouparanis, Samuel Menghistu und Julian Wichmann gegründet wurde, positioniert sich “als Holding-Gesellschaft für medizinische Cannabis-Unternehmen sowie potenziell für Unternehmen in zukünftig womöglich legalen Cannabis-Märkten”. Der amerikanische Kapitalgeber Measure 8 Venture Partners und M4 Capital investieren zuletzt 10 Millionen US-Dollar in die Jungfirma.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Bloomwell-Macherin Anna-Sophia Kouparanis einmal ausführlich über das fast abgelaufene Jahr.

2021 ist fast rum. Was war das Highlight in diesem Jahr bei der Bloomwell Group?
Wo soll ich anfangen? 2021 war für Bloomwell und auch für mich persönlich ein sehr erfolgreiches Jahr. Wir sind binnen eines Jahres rasant auf über 160 Mitarbeiter: innen angewachsen und erwarten fast fünf Millionen Euro Umsatz. Im Oktober haben wir mit zehn Millionen US-Dollar die höchste Seed-Runde eines medizinischen Cannabis-Unternehmens in Europa eingesammelt – und das mit dem auf Cannabis spezialisierten US-amerikanischen Wachstumskapitalgeber Measure 8 Venture Partner im Lead. Die nordamerikanische Koryphäe auf dem Cannabisarkt Boris Jordan rückt im gleichen Atemzug in unser Board. Und dann geht es im November mit einem Mal mit der Cannabis-Legalisierung in Deutschland Schlag auf Schlag. Die neue Koalition will Cannabis in dieser Legislaturperiode legalisieren. Deutschland wäre mit über 80 Millionen Einwohner: innen dann der größte legale Cannabismarkt weltweit. Für uns ergeben sich dadurch natürlich viele spannende Anknüpfungspunkte und unternehmerische Opportunitäten. Für mich persönlich hat dieser Erfolg dazu geführt, dass ich es als erste europäische Gründerin eines medizinischen Cannabis-Unternehmens auf eine Forbes-Liste geschafft habe und auf der Business-Punk-Watchlist 2022 gelandet bin. Auch wenn mein Bruder Niklas oder unsere anderen beiden Co-Founder Samuel Menghistu und Julian Wichmann es ebenso verdient hätten: Es gibt viel zu wenige erfolgreiche Gründerinnen – gerade in der Cannabis-Industrie. Vielleicht tragen meine persönlichen Auszeichnungen dazu bei, dass sich mehr Frauen trauen, zu gründen – womöglich sogar in der Cannabis-Industrie oder im Rahmen unserer Holding-Struktur.

Wie lief 2021 wirtschaftlich für Euch – habt ihr alle eure Ziele erreicht?
Gerade das Wachstum unseres Telemedizin-Unternehmens Algea Care hat uns selbst überrascht. Inzwischen haben wir über 5.000 Patient: innen behandelt. Vor allem ist es dem Team um  Julian Wichmann gelungen, das rasche Wachstum mit sehr hohem Service-Anspruch und gleichbleibender Qualität zu managen – wie der Blick auf unsere Google Bewertungen verrät. Auf Holding-Struktur haben wir inzwischen über 160 Mitarbeitende, werden knapp fünf Millionen Euro in einem Jahr erwirtschaften und sind dabei, neben Algea Care und der Ilios Santé weitere Portfolio-Unternehmen aufzubauen. Lange Rede, kurzer Sinn: Unsere Ziele haben wir übertroffen.

Was lief 2021 bei Euch nicht rund?
Nicht viel. Die sich anbahnende Cannabis-Legalisierung war ja quasi das i-Tüpfelchen auf ein ohnehin schon sehr erfolgreiches Jahr. Wenn man unbedingt etwas anmerken will, könnte man darauf verweisen, dass es nicht immer einfach ist, Expert: innen für unser Team an der Schnittstelle von Cannabis, Digitalisierung und Innovation zu finden, die dann auch noch das richtige Wachstums orientierte Mindset mitbringen. Auch Ärzt: innen zu finden, die neugierig und wissbegierig sind, mehr über das endogene Cannabinoidsystem im menschlichen Körper zu lernen, war nicht immer einfach. Diese Herausforderung wird im kommenden Jahr sicherlich nicht kleiner. Wir werden weiter wachsen und einstellen!

Welches Projekt steht bei Euch für 2022 ganz oben auf der Agenda?
Wir sind natürlich schon voll dabei, Strategien zu entwickeln, wie aufbauend auf unserer bereits vorhandenen Expertise in einem sich abzeichnenden Recreational-Markt für Cannabis eine Pole-Position einnehmen werden. Die Legalisierung wird auch im kommenden Jahr das dominierende Thema in der Industrie bleiben. Wir sollten nicht vergessen, dass das Vorhaben der Bundesregierung regulatorisch extrem anspruchsvoll ist und nicht über Nacht passieren wird. Damit die Legalisierung sich als Erfolg entpuppt – also Qualität, Jugendschutz und Versorgungssicherheit gewährleistet –, müssen die beteiligten Akteure auf jedes Detail achten. Das Beispiel Kanada hat uns in der Anfangszeit beispielsweise gezeigt, dass die Legalisierung ohne flächendeckende Verkaufsinfrastruktur und wettbewerbsfähige Preise den Schwarzmarkt weiterhin existieren lässt. Im medizinischen Markt erlebten wir hierzulande wiederum extreme Engpässe. Wir hoffen daher sehr, dass die neue Regierung auch auf die bereits vorhandenen Erfahrungen zurückgreift, die Unternehmer: innen wie wir bereits im Markt für medizinisches Cannabis gemacht haben. Unabhängig davon werden wir im medizinischen Bereich natürlich weiter dafür sorgen, dass Patient: innen in Deutschland endlich Zugang zu mehr Ärzt: innen mit Expertise für die cannabinoidbasierte Therapie erhalten. Wir schätzen, dass nicht einmal zwei Prozent aller Ärzt: innen bundesweit bis dato Cannabis verschrieben haben. Schätzungsweise könnten 800.000 chronisch erkrankte Menschen in Deutschland von medizinischem Cannabis in ihrem Lebensalltag profitieren. Aktuell liegen wir bei über 100.000. Wir haben also noch einen weiten Weg vor uns, um das Potenzial vollends auszuschöpfen.

Die deutsche Startup-Szene erlebt gerade einen ganz großen Boom. Was ist Deine Sicht auf diese absolute Hochphase?
Wir müssen beispielsweise im Gesundheitssektor das Potenzial der Digitalisierung ausschöpfen, um den Menschen einen besseren Service zu bieten. Volle Warteräume, umständliche Terminfindungen und teils langwierige Odysseen von einem Arzt zum nächsten – so sehen viele Erfahrungen von Patient: innen aus. Was ich sagen will: Ich begrüße den Boom, solange sich die Gründer: innen einem Problem widmen und durch ihren Lösungen echten Mehrwert für viele Menschen generieren. Auch in einem potenziellen Recreational-Cannabismarkt glaube ich, dass sich junge Unternehmen durchsetzen, die agil vorgehen und selbst voll auf digitale Unternehmensprozesse setzen. Ich hoffe, dass sich Risikokapitalgeber: innen sehr genau die vorhandene Expertise der Gründer: innen anschauen und prüfen, ob das Team den jeweiligen regulatorischen und anderweitigen Herausforderungen wirklich gerecht werden kann, bevor sie es mit Millionensummen finanzieren. In der Cannabis-Industrie wird die anstehende Legalisierung den Startup-Boom sicherlich nochmal befeuern. Mein ausdrücklicher Rat an alle Kapitalgeber: innen: So groß ihre FOMO auch sein mag, ohne vorhandene Expertise, Know-How und Netzwerke werden Unternehmen in einem Recreational-Markt keinen Erfolg haben.

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Foto (oben): Bloomwell Group