“Recruiting wird immer schwieriger”
Der 2008 gestartete Berliner Lerndienst sofatutor, der gerade in der Corona-Krise viele neue Nutzer:innen auf sich aufmerksam machen konnte, gewann mit Emeram Capital Partners und Co. zuletzt mehrere neue Investoren. In den vergangenen Jahren flossen zuvor bereits rund 13 Millionen Euro in sofatutor, das von Stephan Bayer gegründet wurde. 2019 erwirtschaftete die Jungfirma einen Umsatz in Höhe von 13,9 Millionen. Der Jahresfehlbetrag lag bei 1,4 Millionen. Inzwischen wirtschaftet das EdTech profitabel.
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht sofatutor-Macher Bayer einmal ausführlich über das fast abgelaufene Jahr.
2021 ist fast rum. Was war das Highlight in diesem Jahr bei sofatutor?
Wir freuen uns, dass Online-Lernen endlich im Mainstream angekommen ist: Lernplattformen mit ihren Angeboten sind viel bekannter geworden. Jede Schule, Lehrkraft sowie alle Eltern, Kinder, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen haben sich mit digitaler Bildung auseinandergesetzt. Dahingehend hatte die Pandemie zumindest etwas Positives. Durch unsere Strategie konnten wir große Erfolge erzielen und ein profitables Wachstum hinlegen. Wir arbeiten immer noch unermüdlich an der Vision, den virtuellen Rucksack für Schüler:innen bereitzustellen. Darin sollen sie jedes nur denkbare Werkzeug finden, das sie während ihrer Schulzeit benötigen könnten. Außerdem freuen wir uns natürlich auch über das Team-Wachstum: Mittlerweile arbeiten über 250 Mitarbeiter:innen aus allen Teilen der Welt bei sofatutor und wir suchen fleißig weiter neue Kolleg:innen.
Wie lief 2021 wirtschaftlich für Euch – habt ihr alle eure Ziele erreicht?
Wirtschaftlich lief es gut für sofatutor. Dadurch können wir stark in die Zukunft des Unternehmens investieren und haben es auch vor. Dank der angesprochenen Profitabilität sind wir nicht zudem länger abhängig von Finanzierungsrunden mit VCs.
Was lief 2021 bei Euch nicht rund?
Was immer noch ein echtes Problem für uns ist: Die flächendeckende Ausstattung von Schulen mit sofatutor geht langsamer voran, als wir uns das wünschen. Das liegt teilweise an der technischen Infrastruktur, aber teilweise auch an der Mittelbindung der Länder und Schulverwaltungen. Digitale Bildung ist hier immer noch eine große Unbekannte, die teilweise skeptisch beäugt und nur schrittweise aufgegriffen wird. Außerdem wird das Recruiting immer schwieriger. Früher haben wir eine neue Stelle an einem Freitag online gestellt und hatten am Montag bereits 50 Bewerbungen. Heute spüren auch wir die zunehmende Knappheit von Talenten, was das Recruiting zu einer echten Herausforderung macht. Im Unternehmen selbst konnten wir wegen der Pandemie leider nicht so ausgiebig miteinander feiern wie erhofft. Unsere Teamevents sind legendär! Aber da müssen wir uns wohl noch etwas gedulden, ehe wir wieder in die Vollen gehen können.
Welches Projekt steht bei Euch für 2022 ganz oben auf der Agenda?
Wir bereiten gerade einen großen Wachstumssprung für die nächste Zeit vor. Dafür stellen wir in diesen Wochen die passenden Personalstrukturen auf. Es ist besonders wichtig, dass wir unsere Marktführerschaft weiter ausbauen und auch in andere Länder schauen, welche spannenden Optionen es gibt. Außerdem wollen wir in Deutschland weiter aktiv im Austausch mit den Kultusministerien bleiben, um so vielen Schüler*innen wie möglich den Zugang zu digitaler Bildung zu ermöglichen. Das ist gerade in Hinblick auf die gravierenden Lernrückstände, die durch bald zwei Jahre Pandemie und Wechselunterricht entstanden sind, unbedingt notwendig. Auch den Lehrkräften wollen wir weiter zur Seite stehen, damit sie ihren Unterricht flexibel und digital gestalten können.
Die deutsche Startup-Szene erlebt gerade einen ganz großen Boom. Was ist Deine Sicht auf diese absolute Hochphase?
Bewertungen und Gründungsaktivität sind in der Internet-Szene weltweit sicher auf einem Hochpunkt. Das spürt man als erstes in den Frühphasen- und A-Runden-Finanzierungen zahlreicher Unternehmen. Ich finde es toll, wie viel Kapital und Talent momentan aktiv sind. Ich weiß aber auch aus meiner eigenen Historie, dass es viel braucht, damit eine Firma langfristig wächst und profitabel wird. Ich bin gespannt, wie wir in fünf Jahren auf diese Zeit schauen: Entweder werden es viele Firmen nicht schaffen und auch die Investor:innen müssen ihre Erwartungen an die Returns anpassen. Oder wir schalten als Gesellschaft noch mal einen Gang hoch und können den Speed bei der Digitalisierung erhöhen. Was ich mir definitiv mehr wünsche. Wenn es darum geht, neue Unternehmen im EdTech-Bereich nachhaltig zu unterstützen, erhoffe ich mir einige ernsthafte Verbesserungen in den Förderstrukturen in Deutschland. Anschubförderungen und ein Digitalpakt für Endgeräte reichen hier nicht aus. Auch Unternehmen für Software-Services und digitale Inhalte müssen langfristig gefördert werden, da fehlt es an der thematischen Breite bzw. Freiheit in den Fördermöglichkeiten. Generell wird das Scheitern von Startups in Deutschland nicht gern gesehen und die Politik behandelt junge Gründer*innen manchmal wie die Unbedarften, die in ihren Garagen und Gründerwerkstätten von der großen weiten Welt träumen. Es muss hier ein Umdenken stattfinden. Startups sind der Mittelstand von morgen. Dazu passend finde ich es wichtig, dass sich die neuen Unternehmen mit den etablierten Playern vernetzen, um mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen. So machen wir es auch gerade mit über 60 Unternehmen innerhalb der Initiative deutscher digitaler Bildungsanbieter (iddb). Wir arbeiten eng zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: Bildung in Deutschland besser machen und die Szene als Ganzes fördern. Das wünsche ich mir für die Startup-Szene insgesamt ebenfalls.
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