#Interview

“Wir haben uns schon sehr früh dem Kampf gegen den Klimawandel gewidmet”

Mit Plan A möchten Lubomila Jordanova und Nathan Bonnisseau Unternehmen und Mitarbeiter:innen beim Thema Nachhaltigkeit unterstützen. In den vergangenen Monaten flossen rund 13 Millionen US-Dollar in Plan A. Zwischen der Seed-Investmentunde und der Series A lagen dabei gerade einmal sechs Monate.
“Wir haben uns schon sehr früh dem Kampf gegen den Klimawandel gewidmet”
Mittwoch, 15. Dezember 2021VonAlexander Hüsing

Das Berliner ClimateTech Plan A, das 2017 von Lubomila Jordanova und Nathan Bonnisseau gegründet wurde, möchte Unternehmen und Mitarbeiter:innen beim Thema Nachhaltigkeit unterstützen. Die KI-gesteuerte SaaS-Plattform des Startups unterstützt Unternehmen etwa “bei der Sammlung, Verarbeitung und Analyse von Emissions- und ESG-Daten, erstellt Reduktions- und ESG-Optimierungspläne und automatisiert Reportings”.

In den vergangenen Monaten flossen rund 13 Millionen US-Dollar in Plan A – unter anderem von  HV Capital, Keen Venture Partners, Demeter und coparion. Zwischen der Seed-Investmentunde und der Series A lagen dabei gerade einmal sechs Monate. “Ich bin unheimlich dankbar und stolz, mit einem so engagierten und hingebungsvollen Team zusammenarbeiten zu dürfen, um unsere gemeinsame Mission zu erfüllen. Jeder einzelne hat seinen Beitrag zu diesem Meilenstein unserer Unternehmensgeschichte geleistet”, sagt Gründerin Jordanova.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht die Plan A-Macherin außerdem über Dekarbonierungspläne, Innovationskraft und Wissenschaft.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Plan A erklären?
Plan A entwickelt Software, die Unternehmen dabei unterstützt, nachhaltig zu wirtschaften. Sie ist in der Lage, für jedes Unternehmen genau er berechnen, wie viel CO2 es ausstößt. Dann erstellt sie einen ganz konkreten, individuellen Maßnahmenplan, wie sich dieser Wert so reduzieren lässt, dass er den im Pariser Klimaabkommen festgelegten Zielen entspricht. Diesen Prozess nennt man Dekarbonisierung. Neben diesen Umweltaspekten müssen Unternehmen auch Auskunft darüber geben, ob sie sozial gerecht und unternehmerisch verantwortungsvoll handeln. Auch diesen sogenannten ESG-Bericht misst, analysiert und erstellt die Software und berücksichtigt dabei bestehende und künftige Vorschriften. Um die größtmögliche Wirkung zu erzielen, beschäftigt Plan A sowohl für die Berechnung des CO2-Fußabdrucks als auch die Dekarbonierungspläne ein internationales Team aus Wissenschaftlern, Forschern und Experten. Diese stellen sicher, dass Plan A bewährten Verfahren folgt und alle Aspekte der Nachhaltigkeit abdeckt.

Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Wir bieten verschiedene Software-Tools an, wie zum Beispiel unsere Dekarbonisierungs- und ESG-Management-Plattform, projektbasierte Lösungen und Co-Creations. Unsere SaaS-Plattform selbst ist modular aufgebaut, so dass unsere Kunden je nach Branche, Unternehmensgröße, Anzahl der Tochtergesellschaften, Regionen und verfügbaren Daten flexibel ESG-Funktionen per Plug-and-Play hinzubuchen können. Gegen eine jährliche Nutzungsgebühr erhalten sie dann Zugang zur Software-Plattform.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell seit dem Start irgendwie verändert?
Plan A hat seit Gründung mit vielen Akteuren der Nachhaltigkeit zusammengearbeitet, um zu verstehen, welche Rolle Daten und Wissenschaft bei der Transformation spielen können. So haben wir ursprünglich eine datengesteuerte Plattform entwickelt, um Finanzmittel in die Projekte zu leiten, die nach einem von uns entwickelten Algorithmus am dringendsten sind. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde uns klar, dass Privatunternehmen die agilsten Organisationen sind, wenn es darum geht, Veränderungen zu finanzieren und Emissionen zu reduzieren. Sie tragen nicht nur maßgeblich zum Klimawandel bei, sondern haben auch die Innovationskraft und Flexibilität, ihren Impact drastisch zu verbessern. Mit unserer heutigen SaaS-Plattform wollen wir Unternehmen bei ihrer Transformation unterstützen und ihnen ein datengestütztes, wissenschaftlich fundiertes Werkzeug an die Hand geben, um ihre CO2-Reduktionsziele zu erreichen und ihre EGS-Leistung zu verbessern.

Wie ist überhaupt die Idee zu Plan A entstanden?
Mein Mitgründer Nathan Bonnisseau und ich haben uns unabhängig voneinander schon sehr früh dem Kampf gegen den Klimawandel gewidmet und in verschiedenen Initiativen engagiert. Dies war zu einer Zeit, als dieses Thema in der öffentlichen Diskussion noch einen untergeordnete Rolle spielte. Als wir uns 2017 kennenlernten, teilten wir den Wunsch, unsere Talente – Nathan kommt aus der Kommunikation, ich aus dem Finanzsektor – zu bündeln und die eklatante Lücke in der Finanzierung von Nachhaltigkeitsprojekten zu schließen. So entstand die Idee zum Aufbau einer datengestützten Plattform für Nachhaltigkeit.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Auch wenn die Pandemie definitiv eine Ausnahmesituation war, haben wir als Unternehmen seit März 2020 ein unglaubliches Wachstum erlebt. Unser Team hat sich seither mehr als verdreifacht, unser Kundenstamm erweitert und unser Umsatz gesteigert. Spuren hat die Corona-Krise unserer Erfahrung nach vor allem in der Art und Weise hinterlassen, wie Unternehmen wirtschaften. Die Arbeit hat sich ins Virtuelle und Homeoffice verlagert, was wiederum Einfluss darauf hat, wo und wie sie CO2 ausstoßen. Also haben wir unser Angebot angepasst und zum Beispiel ein Online-Event-Modul und Work-From-Home-Berechnungen hinzugefügt. Ganz grundsätzlich hat die Pandemie viele Menschen und Organisationen dazu veranlasst, ihre Rolle zu überdenken und Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Pfeiler vieler Unternehmensstrategien zu machen.

ClimateTech ist derzeit ein Riesenthema in der Startup-Szene. Wie kommt es zu diesem Boom?
Die Ursachen hierfür sind vielfältig, einen habe ich eben kurz skizziert. Die Hauptursache liefert uns aber die Wissenschaft: Wie der jüngste Bericht des Weltklimarats zweifelsfrei nachgewiesen hat, ist der Klimawandel menschengemacht. Er wird verheerende Folgen haben, sollten die Treibhausgasemissionen nicht umgehend radikal reduziert werden. Es gibt also einen immensen, globalen Bedarf an innovativen technologischen Lösungen. Dies wirkt sich auf die Unternehmen aus und löst Druck von Seiten der Regulierungsbehörden, Investoren, Käufer, internen und externen Interessengruppen aus. Um die notwendigen Schritte zu unternehmen, müssen die Unternehmen Sichtbarkeit schaffen und realistische Pläne zur Dekarbonisierung erstellen. Hier kommt ClimateTech ins Spiel. Der Markt ist zwar noch verhältnismäßig jung, aber groß und schnell wachsend. Die Kombination aus zweckgebundener Mission und Zukunftsmarkt sehe ich als die Haupttreiber des jüngsten Booms. Wichtig bei all dem ist aber, dass die entwickelten Lösungen wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen und Methoden folgen, sonst geht ihr tatsächlicher Impact gegen Null. Um dies sicherzustellen engagieren wir ein eigenes Wissenschaftlerteam.

HV Capital, Keen Venture Partners und Co. investierten gerade 10 Millionen US-Dollar in Plan A. Wofür braucht ihr das viele Geld gerade jetzt?
Den Großteil der Mittel werden wir investieren, um unsere SaaS-Plattform weiterzuentwickeln. Wir vertiefen die CO2-Berechnungs-Engine und Machine-Learning-Kompetenz unserer Plattform. Darüber hinaus weiten wir unsere Dekarbonisierungstools und Scope-3-Berechnungen – also all jene, die die indirekten Emissionen in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens umfassen – auf zusätzliche Branchen aus. Schon bald launchen wir ein neues Produkt, das es Unternehmen ermöglicht, ihre ESG-Performance zu messen, zu analysieren und entsprechend bestehender und künftiger Vorschriften zu berichten. Das frische Kapital wird aber auch in unsere rasante internationale Expansion und unser weiteres Teamwachstum fließen.

Zwischen euer Seed-Investmentunde und der Series A lagen gerade einmal sechs Monate. Wir habt ihr das intern gestemmt?
Gemeinsam als Team. Ich bin unheimlich dankbar und stolz, mit einem so engagierten und hingebungsvollen Team zusammenarbeiten zu dürfen, um unsere gemeinsame Mission zu erfüllen. Jeder einzelne hat seinen Beitrag zu diesem Meilenstein unserer Unternehmensgeschichte geleistet.

Wie hat sich Plan A seit der Gründung entwickelt bzw. wie groß ist dein Startup inzwischen?
Wir sind in den vergangenen Jahren rasant gewachsen und tun dies noch immer. Aktuell zählen wir etwa 60 Mitarbeiter und haben mehr als 20 vakante Stellen ausgeschrieben, darunter Wissenschaftler, Dateningenieure, Entwickler, Vertriebs- und Marketingexperten, Personalmanager und Country Manager für unsere neuen Märkte. Allein dieses Jahr haben wir zwei neue Offices in München und Paris eröffnet, nächstes Jahr werden weitere folgen. In spätestens drei Jahren wollen wir ein vollständig globales Unternehmen sein. Dieses Jahr werden wir voraussichtlich mit ein bis zwei Millionen Euro Umsatz abschließen.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist ist seit dem Start so richtig schief gegangen?
Das Klima. Es läuft immer noch viel mehr schief, als es sollte. Bei näherer Betrachtung ist es wichtig zu sehen, wie sehr wir uns verändert haben, und nicht, was wir falsch gemacht haben. Wir sind auf dem Weg, ein globales Unternehmen aufzubauen. Das verlief sicher nicht reibungslos, aber es war und wird auch weiterhin eine erstaunliche Reise sein.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben eine der leistungsfähigsten Daten- und Dekarbonisierungs-Engines entwickelt. Mit diesen können wir alle benötigten Daten eines Unternehmens automatisiert aufnehmen und in CO2-Reduzierungsstrategien und ESG-Optimierungspläne umwandeln. Wir haben auch unseren strikt wissenschaftlichen Ansatz beibehalten, der uns von vielen Mitbewerbern abhebt. Sämtliche Dienste unserer SaaS-Plattform wurden von Wissenschaftlern mitentwickelt und folgen dem international anerkannten Greenhouse Gas Protocol. Das heißt, dass sie auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, Standards und Methoden basieren, was uns der TÜV Rheinland jüngst zertifiziert hat. Zu guter Letzt ist auch unser strenger Fokus auf Dekarbonisierung eines unserer Alleinstellungsmerkmale, die unsere Kunden sehr zu schätzen wissen. Denn für uns ist es kein erstrebenswertes Ziel, „klimaneutral“ zu werden. Dafür genügt es nämlich schon, CO2-Emissionen einfach durch Offsetting zu kompensieren. Für Plan A hingegen steht die Dekarbonisierung im Vordergrund. Das bedeutet, sich zuallererst auf die CO2-Reduzierung zu konzentrieren und Kompensationen nur für unvermeidbare Emissionen anzubieten.

Wo steht Plan A in einem Jahr?
In einem Jahr sind sowohl unsere Mitarbeiterzahl als auch unserer Umsatz exponentiell gewachsen. Wir haben weitere Büros in internationalen Hubs eröffnet und bedienen globale Kunden an allen Standorten der Welt. Außerdem haben wir unsere SaaS-Plattform weiterentwickelt, sodass diese in der Lage ist, Dekarbonisierungs- und ESG-Optimierungsstrategien für Unternehmen aus einer Vielzahl an Branchen zu erstellen.

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Foto (oben): Plan A

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.