#Interview
“Drei Stunden später hatten wir den Businessplan für 2022 erfüllt”
Das Hamburger Food-Startup Hamburg-Zanzibar setzt auf Gin. “Die Herausforderungen waren und sind vielfältig. Es hat einige Zeit gedauert, bis wir die richtige Ansprache für unsere Zielgruppe gefunden hatten. Wie sollen wir uns nennen? Welches Etikett passt zu unserer sehr speziellen Rezeptur mit ganz viel Kurkuma, die vom Mainstream abweicht? Ehrlich gesagt war ich rückblickend recht naiv, was unseren Markteintritt angeht”, sagt Gründerin Yuka Suzuki, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann Hauke Günther hochzieht.
Am Anfang entwickelte sich Hamburg-Zanzibar langsam. “2018 haben wir Hamburg-Zanzibar als nebenberufliches Hobby gestartet und durchschnittlich 50 Flaschen im Monat verkauft. Mit meiner Selbständigkeit 2020 und der beginnenden Corona-Krise hatte sich daran nicht viel geändert”, sagt Suzuki. “Als wir dann Anfang 2021 den ‘World Gin Award’ gewannen, wurden wir förmlich überrannt und hatten recht zügig das nächste Level unseres kleinen Startups erreicht. Seit März 2021 verkaufen wir im Schnitt knapp 1.000 Flaschen pro Monat, Tendenz steigend.”
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht die Hamburg-Zanzibar-Macherin außerdem über Kurkuma, Homeschooling und Sparringspartner:innen.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Hamburg-Zanzibar erklären?
Ganz einfach: Oma, ich brenne jetzt Gin und verkaufe ihn. Im Gegensatz zu anderen Startups haben wir es da in der Tat recht einfach. Gin kennt jeder und viele lieben ihn. Er ist ein echtes Genuss-Produkt mit einer stetig wachsenden Fangemeinde.
Gin-Marken gibt es echt viele. Was ist die größte Herausforderung eine neue Marke in diesem Markt zu etablieren?
Die Herausforderungen waren und sind vielfältig. Es hat einige Zeit gedauert, bis wir die richtige Ansprache für unsere Zielgruppe gefunden hatten. Wie sollen wir uns nennen? Welches Etikett passt zu unserer sehr speziellen Rezeptur mit ganz viel Kurkuma, die vom Mainstream abweicht? Ehrlich gesagt war ich rückblickend recht naiv, was unseren Markteintritt angeht. Ich habe einfach losgelegt und auf mein Bauchgefühl vertraut. Im Nachhinein habe ich damit genau richtig gelegen.
Wie ist überhaupt die Idee zu Hamburg-Zanzibar entstanden?
Die Kinder sind schuld (lacht). In meiner Elternzeit mit unserem vierten Kind haben mein Mann Hauke und ich uns eine kleine Destille gekauft. Wir hatten noch etwas Kurkuma von unserer vergangenen Zanzibar-Reise übrig. Damit destillierten wir in unserer Küche ziemlich leckeren Gin – das fanden wir jedenfalls. Ich war davor eigentlich Yoga-Lehrerin und fand Gin tatsächlich immer ziemlich fürchterlich. Doch als wir selbst mit dem Brennen begannen, wurde ich eines Besseren belehrt. Unser eigenes Rezept hat mich ehrlich gesagt sofort umgehauen und ich spürte: Hier haben wir was Neues kreiert, das so noch keiner kennt. Dann ging es in kleinen Schritten voran. Ich begann erst nebenberuflich, Hamburg-Zanzibar aufzubauen. Ab 2020 wagte ich dann den kompletten Schritt in die Selbständigkeit. Als wir dann Anfang 2021 den “World Gin Award” gewannen, wurden wir förmlich überrannt und hatten recht zügig das nächste Level unseres kleinen Startups erreicht. So konnte Hauke dann auch zur Mitte dieses Jahres seinen eigentlichen Beruf als Biologe an den Nagel hängen und mich unterstützen.
Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Uns traf die Corona-Krise genau zu Beginn unserer Firmengründung wie ein Schlag in die Magengrube. Ich hatte aus der Elternzeit heraus die Geschäftsführung unseres kleinen Startups übernommen. Anfang 2020 hatten wir einen Studenten eingestellt, der uns im Vertrieb in der Hamburger Bar-Szene und der Gastronomie unterstützen sollte. Als Eltern von vier Kindern kann man sich nur schwer mal eben abends frei nehmen, um die Hamburger Bars abzuklappern. Unser Student Flo hatte gerade seine erste Runde hinter sich gebracht, als Mitte März der Lockdown kam. Von jetzt auf gleich waren alle vier Kinder zu Hause, wir hatten viel Geld investiert und kaum Erfahrung im E-Commerce. Bis dato hatten wir fast ausschließlich in den Hamburger Spezialitätenhandel verkauft, an Concept Stores und Spirituosenläden. Die ersten Wochen waren wir also wie paralysiert.
Wie ging es dann weiter?
Wir haben uns schnell berappelt und überlegt, wie wir das Beste aus der Situation machen können. Wir fanden in Hamburg-Poppenbüttel, ganz in der Nähe unseres Zuhauses, eine kleine Werkstatt, in der wir destillieren konnten. Auch wenn der Verstand sagte: “Nein, nicht in dieser Situation!”, sagte der Bauch: “Klar, wir machen das!”. So entstand die “kleinste Destille Hamburgs”. Während des Lockdowns hatten wir viel Zeit, um uns dem Brennhandwerk zu widmen und begannen, einen neuen Gin zu kreieren, Akquavit zu brennen und mit anderen Spirituosen zu experimentieren. Wirklich spannend wurde es dann aber mit dem Gewinn des “World Gin Awards” im Februar 2021. Wir hatten aus Jux im Winter 2020 zwei Flaschen unseres Gins dort eingereicht und gewannen auf Anhieb mehrere Preise. Ich sag mal so: Bis dahin hatten wir uns moderat über Wasser gehalten und wollten 2024 den Break Even erreichen. Doch dann änderte sich alles binnen eines Tages: Am 11. März um 11.00 Uhr erschien ein Artikel über uns bei T-Online, der zu einem Ansturm auf unsere Website führte. Andere Medien zogen nach. Nach 20 Minuten waren unsere Lager leer. Drei Stunden später hatten wir den Businessplan für 2022 erfüllt, weitere vier Stunden später den für 2023. Und es nahm kein Ende. Ab Mitte März haben wir dann mehrere Monate lang fast rund um die Uhr gearbeitet – neben den Kids und dem Homeschooling war das eine enorme Herausforderung. Wir haben im Durchschnitt keine drei Stunden geschlafen und sind in der Zeit wahrscheinlich um zehn Jahre gealtert (lacht). Hauke hat dann relativ schnell seinen Job gekündigt und ist voll eingestiegen. Da die Destille für uns fußläufig zu erreichen ist, konnten wir die Kids auch mal alleine lassen und gemeinsam brennen. Ansonsten haben wir uns aufgeteilt. In jeder Minute war der Laptop oder das Telefon dabei, egal ob aus dem Bett, vom Klo oder beim Essen – wir haben permanent Mails geschrieben und versucht, den Laden am Laufen zu halten. Unsere Kunden mussten aufgrund des Lieferengpasses bis zu zwölf Wochen auf ihren Gin warten. Zum Glück hat uns das niemand übel genommen. Und auch die Kids haben toll mitgemacht. Alle haben sich umeinander gekümmert und uns dadurch wahnsinnig unterstützt. Corona hat uns also gelehrt, dass Abwarten keine Option ist. Wir haben angepackt und unsere Lernkurve in E-Commerce, Werbung und Social Media war gigantisch.
Wie genau hat sich Hamburg-Zanzibar denn seit der Gründung entwickelt?
Wir haben uns enorm entwickelt. 2018 haben wir Hamburg-Zanzibar als nebenberufliches Hobby gestartet und durchschnittlich 50 Flaschen im Monat verkauft. Mit meiner Selbständigkeit 2020 und der beginnenden Corona-Krise hatte sich daran nicht viel geändert. Seit März 2021 verkaufen wir im Schnitt knapp 1.000 Flaschen pro Monat, Tendenz steigend. Wir haben inzwischen zwei weitere Mitarbeitende im Boot und auch Hauke ist in Vollzeit dabei.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Was wir absolut unterschätzt haben, war der plötzliche Erfolg nach dem Gewinn des “World Gin Award”. Unser operatives Geschäft war überhaupt nicht auf die riesige Menge an Bestellungen ausgerichtet. Als plötzlich unsere Lieferzeiten zwölf Wochen betrugen, bekamen wir zum Glück sehr viele verständnisvolle und liebe Nachrichten auf unsere Entschuldigung. Inzwischen haut uns so schnell nichts mehr um. Unsere operativen Strukturen sind stabil und wir haben auch im Bezug auf E-Commerce dazugelernt.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Drei Dinge, bei denen wir völlig richtig lagen. Erstens: Es war richtig, trotz kritischer Stimmen, am Rezept für unseren preisgekrönten Tumeric No. 1 festzuhalten. Unser Gin polarisiert. Kurkuma und roter Pfeffer geben ihm eine sehr spezielle Note. Man mag ihn oder mag ihn nicht. Aber man schmeckt ihn aus 1.000 anderen Gins heraus. Zu Beginn waren daher einige skeptisch und empfahlen uns, uns mehr an den Mainstream anzupassen. Aber wir haben unser Rezept nicht verändert – und genau das hat zum Erfolg geführt. Zweitens: Es war die beste Entscheidung, uns zum „World Gin Award“ anzumelden. Eigentlich hatten wir damals nicht mal genug Geld, um das Porto nach England zu bezahlen. Im Nachhinein hat sich aber jeder Cent gelohnt. Niemals hätten wir damit gerechnet, dass unser Gin einen Preis abräumt. Aber letztlich hat uns dieser Preis den jetzigen Erfolg von Hamburg-Zanzibar beschert. Drittens: Wir haben aus der Corona-Zeit das Beste gemacht und unsere Produkte weiterentwickelt. So haben wir nun nicht nur einen Gin, sondern gleich drei und einen Akquavit und viele Ideen für weitere kreative Spirituosen.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen, die den Sprung in die Startup-Welt wagen möchten?
Wenn du etwas möchtest, dann tue es auch. Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres, als später auf sein Leben zurück zu blicken und zu sagen: “Hätte ich es doch wenigstens versucht”. Überleg‘ dir vorher, wie dein perfekter Arbeitsplatz, dein perfektes Business aussehen sollte und überlege dir bei jeder Entscheidung, die du zukünftig triffst, ob sie dich deinem Ziel ein Stück näher bringt. Such‘ dir ein oder mehrere Sparringspartner:innen, mit denen du dich austauschen kannst, die dich inspirieren, und die dir vor allem viel Motivation und Durchhaltevermögen mit auf den Weg geben. Und natürlich ein guter Business- und Liquiditätsplan.
Wo steht Hamburg-Zanzibar in einem Jahr?
Derzeit sind wir überwiegend in Hamburg präsent. Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, auch in allen anderen Metropolen Deutschlands vertreten zu sein. Außerdem wollen wir das Besondere an unserem Gin in den Fokus rücken. Wir machen den „besten Gin der Welt“, weil wir uns getraut haben, gegen den Strom zu schwimmen. Das wollen wir auch mit all unseren neuen Kreationen unter Beweis stellen.
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