#Gastbeitrag
Diese 5 Themen finden Health-Tech-VCs derzeit am spannendsten
Gerade Angestellte litten besonders unter der Corona-Pandemie, jeder Fünfte stand sogar kurz vor einem Burnout. Für Gründer:innen wird daher das Thema Mental Health am Arbeitsplatz zunehmend interessant: Denn neben dem obligatorischen Obstkorb für Angestellte wird auch die Gesundheitsförderung durch Arbeitgeber:innen mit Hilfe von digitale Lösungen immer wichtiger – das zeigen etwa Startups wie Lyra Health mit einer Bewertung von 4,6 Milliarden Dollar. Lyra bietet den Kund:innen Zugang zu einem ausgewählten Netzwerk virtueller und persönlicher Anbieter:innen, die auf Mental Health spezialisiert sind. Zusätzlich gibt es auch eine virtuelle Therapie-Plattform und Selbsthilfeprogramme für Angestellte. Die erste Generation der Lösungen begann mit dem Zugang zu On-Demand-Therapiesitzungen, diese haben nun ihr Angebot erweitert, um mehr Selbsthilfe-Tools als Prävention zu sein. Auch Mitarbeiter*innen, die nicht unbedingt eine Therapiesitzung wahrnehmen wollen, sollen angesprochen werden. Was in den USA immer beliebter wird, schwappt auch nach Europa rüber: Aktuell hat etwa Likeminded, ein Mental-Health-Startup für Gruppentherapien, eine 3,5 Millionen Euro Finanzierungsrunde hingelegt. Grund dafür sind unter anderem eine stärkere Awareness für die Wichtigkeit der mentalen Gesundheit – und ein echter Mangel an Therapieplätzen mit Wartezeit bis zu 22 Wochen.
Pflegekräfte an den richtigen Stellen entlasten
Mehr als 690.000 der 2,9 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland nehmen ambulante Angebote in Anspruch. Bis 2030 werden Schätzungen zufolge weitere 500.000 Menschen auf Pflege angewiesen sein. Durch die vor kurzem beschlossene Pflegereform und der damit einhergehenden tariflichen Bezahlung von Pfleger:innen wird das System in Zukunft zusätzlich belastet. Im Fokus stehen daher Lösungen, die die Versorgungsmodelle gesamtheitlich überdenken und patientenzentriert und zugleich kosteneffizienter machen. Wie das gelingen kann, zeigt zum Beispiel das Potsdamer Startup Voize. Voize ist ein Sprachassistent für Pflegekräfte, der bei der Dokumentation der Pflege hilft und so den bürokratischen Aufwand für diese erheblich vereinfacht und zudem strukturiert. Die Pflegekräfte haben dadurch erheblich mehr Zeit für ihre eigentliche Arbeit mit den Pflegebedürftigen.
Digitale Komplettlösungen für bestmögliche Therapieerfolge
Für HealthTech-Unternehmen reicht es längst nicht mehr, Patient:innen im bestehenden Gesundheitssystem mit seinen (limitierten) Mitteln zu behandeln. Stichworte sind hier digitale und individuelle Betreuung. So genannte VIMPROs (Vertically Integrated Micro Providers) setzen genau hier an. VIMPROs bieten komplett digitalisierte Behandlungsalternativen an, die von der Diagnostik über die Beratung bis hin zu selbst entwickelten (medizinischen) Lösungen und anschließendem Monitoring des Behandlungserfolges alles abdecken. Ein Beispiel dafür ist etwa Wellster: Bei Welllster können Nutzer:innen online Arzttermine wahrnehmen, Diagnosen erhalten und Rezepte direkt über eine Online-Apotheke einlösen. Der Behandlungsverlauf wird dabei digital überwacht und fortlaufend angepasst. Hierfür schloss das Münchner Startup erst im Juni 2021 eine Finanzierungsrunde über 35 Millionen Euro ab.
Künstliche Intelligenzen erkennen Krankheiten schneller
In den vergangenen Jahren hat die Wissenschaft eine Reihe von Durchbrüchen geschafft, die das Gesundheitswesen revolutioniert werden. Neben Gentest unter 1.000 USD, gibt es Tests für Mikrobiome, dauerhaft Blutzuckermessung, lauter digitale Datenpunkte und eine Varietät an at-home Tests. Nach Corona sind wir Menschen auch viel gewohnter an dauerhaftes Testen unseres Gesundheitszustands. Und hierin liegt eine große Chance, früher und besser Diagnosen zu stellen und Krankheiten zuvor zu kommen. Nach einer Welle an Unternehmen, die Daten aggregieren, glauben wir nun an die Welle an Unternehmen, die die Daten in klinisch relevante Insights übertragen und echten medizinischen Mehrwert liefern.
Telemedizin 3.0 als Behandlungsform der Zukunft
Auch der Megatrend Telemedizin, also die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung über räumliche Distanzen hinweg, ist durch die Corona-Pandemie sehr stark gewachsen. Und auch nach der Pandemie wird sich dieser Trend durchsetzen. Denn gerade für Arbeitnehmer:innen bieten digitale Lösungen die nötige Flexibilität, aber auch ältere und weniger mobile Menschen können einfacher medizinische Hilfe erhalten. In Zukunft wird es wichtig sein, die Angebote weiter auszubauen und für alle Menschen gleichermaßen zugänglich zu machen. Eine Vorreiterrolle nimmt dazu das schwedische Startup Kry ein. Kry bietet eine Plattform für Ärzt:innen an, über die diese Sprechstunden für Patient:innen anbieten können. Im April 2021 hat Kry in einer Finanzierungsrunde über 300 Millionen Euro von Investoren erhalten. Im nächsten Schritt wird sich auch das Feld technologisch noch weiter entwickeln, man schauen nur zu Unternehmen wie Tytocare und Medkitdoc. Die Telemedizin muss jedoch noch weitere Schritte gehen: Patient:innen müssen diagnostische Möglichkeiten für zu Hause zu Verfügung gestellt und die Therapie nach Hause geliefert bekommen können. Nur so kann die Telemedizin 3.0 als ganzheitlicher Ansatz funktionieren.
Das durch die Corona-Pandemie nochmals herausgeforderte Gesundheitssystem kann an vielen Stellen nicht die Antworten auf die vorherrschenden Probleme geben. Durch Startups kommt frischer Wind in eine Branche, die Innovationen dringend braucht. Denn die Pandemie hat gezeigt, dass Veränderung nötig ist und schnell umgesetzt werden kann — wenn der Wille da ist. In welche Richtung sich das Gesundheitssystem entwickeln wird, zeigen die großen Finanzierungen. Sicher ist, dass unser Gesundheitssystem in den nächsten 5 bis 10 Jahren einen echten Wandel durchlaufen wird — und es jetzt schon tut. VCs haben die Chance diese Trends aktiv mitzugestalten. Verschlankt, Vereinfacht, Individualisiert: Darauf wird es hinauslaufen.
Über den Autor
Christian Weiss ist Gründer von Europas einzigem reinen HealthTech-VC Heal Capital. Via 100-Millionen-Fund ist er auf der Suche nach dem nächsten europäischen Healthtech-Champion.
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