Von Ruth Cremer
Dienstag, 19. Oktober 2021

Scooper: Ausnahmen bestätigen die Regel

So oft gibt es GründerInnen, die ihre Idee niemandem erzählen wollen, weil sie Angst haben, kopiert zu werden. Und so oft bekommen sie den Ratschlag, ihre Angst zu vergessen, und lieber Feedback und Kontakte zu sammeln, wenn sie weiterkommen wollen. Doch jede Regel hat ihre Ausnahme.

Die beiden Gründer von Scooper, Patrik Fuchs und Michael Gueth kamen schon mit einem außergewöhnlichen Angebot in die Höhle: 150.000 Euro wollten sie haben, und sie boten dafür ganze 50 % ihres Unternehmens an.

Doch hinter diesem außergewöhnlichen Angebot steckte ein Plan: ihre kleinen “Pouches” mit Koffein, dass dann über die Mundschleimhaut sehr schnell aufgenommen werden soll, waren noch nicht auf dem Markt. Die Gründer wollten keinerlei Risiko eingehen, von einem großen Marktteilnehmer kopiert zu werden, sondern stellten ihre ganze Strategie auf ihren Auftritt in “Die Höhle der Löwen” ein. Hier wollten sie einen Deal bekommen und dann einen großen Markteintritt hinlegen, mit dem sie sich von der Konkurrenz erst einmal ein gutes Stück entfernen könnten.
Doch das ist so ziemlich genau das Gegenteil von dem, was man auf fast jedem Gründungsevent und von jedem anerkannten oder auch selbsternannten Experten hört. Denn wie oft muss GründerInnen mühevoll ausgeredet werden, mit niemandem über ihr Produkt zu sprechen und endlich die Angst vor dem Kopiert-werden über Board zu werfen. Und das völlig zu Recht: denn in den allermeisten Fällen ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zuhörer die Idee kopiert, um Welten kleiner, als die, durch Gespräche und Netzwerken wertvolles Wissen oder sogar Partner zu bekommen. Oft genug wird auf solchen Szene-Events auch der erste Kontakt zum späteren Investor geknüpft.

Für manche ist es schwer zu glauben, aber tatsächlich haben die meisten Menschen schlichtweg so viel mit sich selbst und ihren eigenen Themen zu tun, dass ihnen auch eine Jahrhundert-Idee entgehen könnte, wenn sie sie mal eben auf einem Event erzählt bekommen. Falls es so etwas überhaupt gibt, schließlich heißt es ja nicht umsonst “It’s all about execution”. Denn auch das ist ein wichtiger Grund, warum man die Idee nicht überbewerten sollte: Will man erfolgreich sein, muss man die Konkurrenz vor allem in der Ausführung schlagen. Die bloße Idee alleine, und sei sie noch so innovativ und besonders, ist einfach nichts wert.

Doch hatte das den Scooper-Gründern einfach nie jemand erklärt, oder warum erzählten sie wie selbstverständlich, dass praktisch noch nie jemand von ihrem Produkt gehört hatte? Und dass dies genau ihrer Strategie entspräche.

Ihr Fall mag tatsächlich ein Sonderfall sein. Denn es kommen mehrere Faktoren zusammen: zunächst handelt es sich um ein kleines Verbrauchsprodukt mit guter Marge, dass aber in keiner Form schützbar ist. Und ihr Vorbild aus einem anderen Markt, die Tabak-Pouches von Snus, haben gezeigt, dass das Prinzip der Wirkstoffe über die Mundschleimhaut bei vielen Kunden Anklang findet. Und dass so etwas richtig groß werden kann, geradezu riesig. In Eric Ries’ “Lean Startup”-Methodologie würde die Annahme, dass Menschen bereit sind, Wirkstoffe in dieser Form über die Mundschleimhaut aufzunehmen, als “Leap of Faith”-Annahme bezeichnet, also als eine der erfolgskritischen Annahmen zum Geschäftsmodell. Snus wäre hier ein “Analog” – also ein anderes Produkt, dass die Annahme aber schon einmal als wahr belegt hat. Somit hat man eine Art theoretischen “Proof of Concept”, denn, wie vor allem Carsten Maschmeyer bemerkte, gibt es schon unheimlich viele Koffeinprodukte, die Kaffee oder Cola auf einfachere Weise ersetzten sollen.

Doch dies ersetzt natürlich alles nicht den Markteintritt, denn Theorie bleibt immer noch Theorie, bis sie in der Praxis bestätigt wurde. Die Scooper-Gründer aber hatten auch einfach zum richtigen Zeitpunkt die Aussicht auf einen Pitch in der Höhle. Und zu was für einem Markteintritt ein Auftritt in der Sendung -insbesondere in Kombination mit einem Deal von einem der LöwInnen – einem jungen Unternehmen verhelfen kann, ist durch die zahlreichen Erfolgsfälle hinlänglich bekannt.

Es schien sich also angeboten zu haben, den Markteintritt noch ein wenig zu verschieben, um bis dahin die Gefahr durch die Konkurrenz möglichst gering zu halten. Um ihre Chancen weiter zu verbessern und ihre Situation auch auszudrücken, wählten die Gründer dann auch bewusst einen Deal, bei dem sie den oder die Löwen als gleichberechtigten Partner an Board holten.

Insgesamt kamen also ein leicht kopierbares Produkt auf einem heiß um kämpften Markt und eine relativ gute Chance auf einen entsprechend großen Markteintritt zusammen, wenn man denn noch ein bisschen abwartet. Eine solche Kombination kommt natürlich äußerst selten vor, und bezieht natürlich stark die Strahlkraft der Sendung mit ein. Insgesamt also ein durchaus nachvollziehbarer Schachzug, der aber durch die Ausnahme-Kombination der Faktoren eher zur Kategorie “Bitte nicht zu Hause nachmachen” gehört.

Aber Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel. Wünschen wir also den Gründern und ihrer Investorin Dagmar Wöhrl, dass sie das weiterhin erfolgreich tun.

Tipp: Alles über die Vox-Gründer-Show gibt es in unserer DHDL-Rubrik. Die jeweiligen Deals und Nicht-Deals gibt es hier: “Die Höhle der Löwen (10. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (9. Staffel)“,”Die Höhle der Löwen (8. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (7. Staffel)“,”Die Höhle der Löwen (6. Staffel)“,”Die Höhle der Löwen (5. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (4. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (3. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (2. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (1. Staffel)“.

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Foto (oben):  TVNOW / Bernd-Michael Maurer