#Gastbeitrag

So fallen Startups bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeiter:innen auf

Wie findet man als Startup die besten Mitarbeiter:innen und welche Herausforderungen gibt es im Prozess der Einstellung? Ein Auszug aus dem kürzlich in Deutschland erschienenen Buch "Talent Makers".
So fallen Startups bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeiter:innen auf
Montag, 27. September 2021VonTeam

Die Coronapandemie hat die deutsche Startup-Landschaft verändert. Junge Unternehmer/innen, die ihren Schwerpunkt auf Themen wie Software, Medizin und eCommerce gelegt haben, sind als Gewinner/innen aus der Krise gegangen und sind damit auch auf der Suche nach qualifizierten Mitarbeitenden. Wie findet man die besten Mitarbeiter:innen und welche Herausforderungen gibt es im Prozess der Einstellung? Eine agile Arbeitsweise mag allen bekannt sein. Doch wie steht es mit Feedbackschleifen und der Frage nach Optimierung, wenn es um den Recruiting-Prozess geht? 

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem kürzlich in Deutschland erschienenen Buch “Talent Makers” (Wiley; April 2021) der Greenhouse-Gründer Jon Stross und Daniel Chait. Die beiden Autoren verfolgen mit der gleichnamigen Hiring-Software den Ansatz eines strukturierten Hiring-Prozesses. “Talent Makers” ist eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für Start-ups und Unternehmen, um einen strukturierten Einstellungsprozess zu implementieren, der Talente anzieht und Hiring zu einem Wettbewerbsvorteil macht. 

Eine aktive Rolle auf dem Hiring-Markt einnehmen 

Der technologische Fortschritt hat dazu geführt, dass Arbeitnehmer:innen auf Jobsuche keine Anzeigen in Tageszeitungen mehr schalten, aber viele Unternehmen nutzen genau dieses Mittel – lediglich in der Version des 21. Jahrhunderts: Sie posten Stellenanzeigen auf Plattformen wie LinkedIn und denken, sie hätten damit einen weiteren Punkt von ihrer Hiring-To-do-Liste gestrichen. 

Doch mit dieser Vorgehensweise nehmen Unternehmen definitiv keine gestaltende Rolle im Markt rund um den Hiring-Prozess ein. Stattdessen warten Unternehmen lediglich passiv ab, bis Bewerber:innen entweder über die Firmenwebsite oder über eines der großen Jobportale auf die Stelle reagieren. 

Natürlich spricht nichts dagegen offene Stellen zu posten, aber das darf eben nicht der einzige Weg sein. Die Messlatte, um Talente auf sich aufmerksam zu machen, liegt dafür zu hoch. Einfach jemanden einzustellen, der zufälligerweise auf das Jobposting aufmerksam geworden ist, reicht ebenfalls nicht. Es geht darum, die besten Kandidat:innen für die ausgeschriebene Stelle zu finden und einzustellen, egal wo sich diese befinden und wie das Unternehmen auf sie aufmerksam geworden ist.

Abstand nehmen von standardisierten Sammel-Emails 

Wenn man als Gründer:in oder Entscheider:in in den Hiring-Prozess involviert ist, dürfte bekannt sein, dass das passive Posten von Jobs in Karriereportalen als sogenannter „filter feeder“ allein nicht ausreicht. Das gesamte Team, das an der Einstellung beteiligt ist, muss aktiv werden. Hier liegt die Herausforderung darin, wie genau das Team aktiv wird.

Einige werden auf LinkedIn nach  „Engineering Manager“ oder „Software Architect“ suchen, um dann eine generische Sammel-Email an sämtliche ihrer Kontakte zu versenden – auch an jene, die möglicherweise für die Stelle gar nicht relevant sind. Recruiter:innen könnten meinen, damit hätten sie ihren Job erledigt. Aber die bzw. der Empfänger:in der Email wird diese sehr wahrscheinlich ignorieren – genauso, wie er oder sie es mit den 30 anderen Nachrichten gemacht hat, die von anderen Unternehmen angekommen sind. Das alleinige Versenden von Standard-Emails macht Start-ups daher nicht zu aktiven Teilnehmenden auf dem Jobmarkt – und damit auch nicht attraktiv für optimale Kandidat:innen.

Die Zeit der einmal angelegten Mitarbeiter:innen-Suchprofile ist vorbei

Vor einigen Jahren noch haben Menschen ihr gesamtes Berufsleben in einem Unternehmen verbracht. Heute überlegen Talente ständig, wo sich als Nächstes neue Möglichkeiten bieten. Das hat nicht zwingend etwas mit dem Unternehmen zu tun. Auch wenn alles dafür getan wurde, eine tolle Arbeitsumgebung zu kreieren, bedeutet das nicht, dass Mitarbeitende bleiben.

Arbeitsbedingungen müssen daher so attraktiv gestaltet sein, dass ein Pool von potenziellen neuen Mitarbeiter:innen besteht, die gerne im Unternehmen arbeiten würden. Das ist nicht nur ein geeignetes Mittel, schnell auf eine mögliche Fluktuation zu reagieren, sondern auch die passende Strategie mit der sich um Talente konkurrieren lässt und sich vom unsystematischen zum performanten Unternehmen zu entwickeln. 

Wie Start-ups Bewerber:innen für sich gewinnen 

Um sich von den Mitbewerber:innen abzuheben, müssen Start-ups anders denken und handeln. Die folgenden Aspekte sind elementar, um Talente zu gewinnen und in der Lage zu sein, Einstellungen nach Belieben vorzunehmen. 

1) Entwickle einen Portfolioansatz bei der Kandidat:innensuche und investiere darin:

Es gibt keine Standardlösung für die Suche nach geeigneten Bewerber:innen, aber sich nur auf mittelfristige Bedürfnisse zu konzentrieren, kann teuer werden. Es gilt ganzheitlich zu denken und zu investieren – nicht nur in kurzfristige, sondern auch in langfristige Maßnahmen. Die Marke als Arbeitgeber:in ständig zu verbessern und zu pflegen, ist für den aktuellen Moment genauso wichtig, wie auch mit Blick in die Zukunft. 

2) Passe die Einstellungsstrategie der ausgeschriebenen Stelle an: Manche Stellen sind deutlich schwerer zu besetzen als andere. Möglicherweise bedarf es aller zur Verfügung stehenden Mittel, um eine herausfordernde Stelle zu besetzen, für die es nur wenige potenzielle Kandidat:innen gibt. Auf der anderen Seite gibt es auch Jobgesuche, für die deutlich mehr geeignete Bewerber:innen in Frage kommen, und für die es ausreicht, die eigene Karriereseite zu bewerben oder auch den Pool früherer Kandidat:innen zu nutzen.  

3) Strategie zur Mitarbeiter:innensuche ständig optimieren und verbessern: Es gibt keinen Ein- oder Ausschalter, wenn es um Recruiting geht. Die einzig richtige Strategie ist also, ständig an den verfügbaren Maßnahmen zur Mitarbeiter:innensuche zu arbeiten, denn der Stellenmarkt und seine Anforderungen ändern sich permanent. 

4) Sich anzustrengen, rentiert sich: Manchmal reicht ein einfaches Jobposting, aber im Großen und Ganzen feiern diejenigen, die sich wirklich ins Zeug legen, die größeren Erfolge. Wenn also Mitbewerber:innen sich bereits anstrengen und mit verschiedenen Maßnahmen daran arbeiten, Top-Talente zu rekrutieren, ist quasi die Anstrengung, in die ein Start-up investiert, um in der gleichen Liga zu spielen schon der beste Schritt in die richtige Richtung. Das ist nicht einfach, aber es lohnt sich. Und man wird immer besser, je mehr man ausprobiert. 

Wie sich Erfolg messen lässt 

Die alles entscheidende Frage lautet nun: Wie können Start-ups einschätzen, ob sie mit ihrer Hiring-Strategie richtig liegen? Folgende vier Aspekte helfen, um den Erfolg der Maßnahmen zu bewerten. 

1 ) Qualität vor Quantität: Hier gilt es, die „goldene Mitte“ zu finden. Bei Stellenangeboten, für die viele Kandidat:innen in Frage kommen, die weniger Expertise erfordern und auch potenziell schneller neu zu besetzen sind, kann die Anzahl der zum Bewerbungsgespräch eingeladenen Bewerber:innen ruhig kleiner sein. Für Stellen, die neu geschaffen wurden oder auch Positionen, die spezielle Kenntnisse erfordern wie beispielsweise die Stelle eines Senior Distributed Systems Engineer, sollten die Verantwortlichen mit mehreren Kandidat:innen sprechen, um den besten „Fit“ zu finden. Dieses Vorgehen hilft auch dabei, die Strategie hinsichtlich der Recruiting-Kanäle zu optimieren, die die besten Bewerber:innen bringen. 

2) Vielfalt: Wie setzt sich die Gruppe von Bewerber:innen zusammen? Wie passen die Kandidat:innen zu den Vorstellungen des Recruiters oder Teamleads, und zwar sowohl kurzfristig als auch langfristig? Finden sich keine befriedigende Antworten, muss im Zweifel nachjustiert werden und die Maßnahmen, um Bewerber:innen zu gewinnen, insgesamt überdacht werden. Das kann mitunter sehr zeitaufwendig sein. Dieser Schritt hilft aber, bewerten zu können, ob eine Strategie noch „auf Kurs“ ist oder angepasst werden muss. 

3 ) Geschwindigkeit: Ob eine Bewerbungsphase zwei Monate dauern kann oder das operativen Geschäft mehr Tempo erfordert, hängt maßgeblich von der Position und der Frist ab, innerhalb derer die neue Position besetzt werden muss. Den Prozess zu messen, wie schnell geeignete Kandidat:innen gefunden werden, ermöglicht das gesamte Verfahren besser einschätzen, bewerten und optimieren zu können. Darüber hinaus helfen diese Erkenntnisse zukünftige Einstellungsprozesse besser einzuschätzen. 

4) Mittel: Weniger ist nicht immer besser, wenn in Maßnahmen investiert wird, die einfach Zeit brauchen, bis sie sich rentieren oder Mitbewerber:innen genau in diese Maßnahmen im großen Stil investieren. Daher gilt: Start-ups sollten im Blick behalten, welche Mittel sie für welche Stellenausschreibung brauchen und das Budget entsprechend anpassen, anstatt ein Durchschnittsbudget zu verwenden. Ein Auge auf die Ressourcen zu haben, die nötig sind, um eine Stelle zu besetzen, hilft nämlich bei der zukünftigen Planungen. Darüber hinaus weist dieser Check darauf hin, welchen Kanälen bei der nächsten Kandidat:innensuche zugunsten der effektiveren eine geringere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll.

Vertraue in deine Fähigkeiten bei der Bewerber:innensuche

Um die besten Mitarbeitenden zu bekommen, müssen die Verantwortlichen die Klaviatur der verschiedenen Recruiting-Maßnahmen beherrschen und gleichzeitig den Erfolg der Maßnahmen messen, bewerten und gegebenenfalls anpassen. Dies erfordert Zeit, Anstrengung und strategisches Denken sowie eine geeignete Maschinerie an Maßnahmen um sicherzustellen, mit genau den richtigen Personen in Kontakt zu treten. 

Ist die Mehr-Kanal-Strategie zur Bewerber:innensuche getestet, funktioniert gut und besteht außerdem ein ständiger Zugriff auf geeignete Kandidat:innen, stellt sich ein angenehmer Nebeneffekt ein: Zuversicht.

Es ist ein starkes  Gefühl zu wissen, dass man die Voraussetzungen geschaffen hat, um gute Mitarbeitende zu rekrutieren, wann immer sie gebraucht werden – und zwar schnell und zuverlässig. Dazu gehört das Bewusstsein, dass gute Leute nicht immer bei ein und demselben Unternehmen bleiben werden und Arbeitgerber:innen sich darauf einstellen, dass ihre Mitarbeiter:innen sich weiterentwickeln. Dieser Gedanke sollte Start-ups nicht ängstigen, sondern sie sollten die Chance erkennen: Auch sie können neue talentierte Mitarbeitende für sich gewinnen, die sie darin unterstützen, die eigenen Ziele zu verwirklichen. 

Über den Autor
Jon Stross ist  Präsident und Mitbegründer von Greenhouse, der gleichnamigen Hiring Software. Mit der Software unterstützt Greenhouse seit 2012 Unternehmen mit einem leistungsstarken, datenbasierten Bewerbungsmanagements, der patentierten Hiring Maturity™ – Kurve und einem großen Partnernetzwerk, um den Prozess des Hirings so optimal wie möglich umzusetzen um im Wettbewerb um Talente zu bestehen. 

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Foto (oben): Shutterstock