“Wir haben viel zu lange in Büchern gelesen oder mit Experten gesprochen”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Carsten Greif, Gründer von metab.rocks. Das Unternehmen aus Magdeburg bietet mit sellby eine App an, mit der Influencer unter anderem Spenden einsammeln können.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Als erstes blicke ich aufs Smartphone und spiele ein bisschen rum. Check dann zum Beispiel Discord, meine Mails und die Social Medias, wobei es dort recht wenig neues gibt, weil ich das meiste dahingehend sowieso abbestellt oder entfolgt habe und dadurch meine Kanäle recht clean sind. Ich dusche mich, räume die Wohnung auf, frühstücke und gehe mit meinem Hund gegen 09:30 geht es ins Büro.
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Als Geschäftsführer bin ich nach der Arbeit zwar noch erreichbar für Rückfragen, weil ich nun mal die größte Verantwortung trage, arbeite aber nicht mehr aktiv. Oft gehe ich abends noch eine Runde einkaufen, esse ganz entspannt und zocke ein paar Runden oder gucke Serien und Filme. Ich beschäftige mich nicht 24 Stunden mit dem Business und höre mir nicht noch den ganzen Abend irgendwelche Podcasts über Startups an, stattdessen lese ich später im Bett auch gern mal einen guten Roman, um auf andere Gedanken zu kommen.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Ich war zwar schon auf Bürokratie vorbereitet, aber dass es so viel ist und so lange dauert insgesamt eine Firma zu gründen, war sehr enttäuschend. Generell dass es nicht wirklich digital stattgefunden hat, fand ich persönlich schon fast befremdlich, weil ich alles mögliche was Finanzen & Versicherungen angeht auch auf dem Smartphone erledigen kann, bei einer Firmengründung jedoch exorbitant viel Papierkram auf dich zukommt und du es gefühlt für den Rest deines Lebens aufbewahren musst – insbesondere bei Kapitalgesellschaften.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Vielleicht nicht das größte, aber dafür nervigste Problem war es einen Notartermin zu finden, wenn du noch keine entsprechenden Kontakte hast und nicht nach Musterprotokoll gründest. Auch dass im Internet sehr viel über etwaige Kosten dazu steht, dies aber nicht der Realität entsprechend aufgezeigt wird. Die Kosten für die Gründung und dem Notar waren in Wirklichkeit um einiges höher, selbst bei einer UG. Auch einen passenden Steuerberater zu finden, der sich mit deiner Thematik auskennt, insbesondere digitalen Geschäftsmodellen, war etwas nervig.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Feedback von den “falschen” Leuten geholt, man sollte eher mit Kunden sprechen und schnell Hypothesen testen, um seinen Product-Market-Fit zu erreichen. Wir haben viel zu lange in Büchern gelesen oder mit Experten gesprochen, statt einen MVP zu bauen und diesen zu evaluieren. Oft steht in Büchern dass du Hypothesen innerhalb 48 Stunden testen kannst oder sollst, die Realität sieht anders aus: Wenn du den ersten MVP deines Produkt entwickelst, wird dieser wahrscheinlich nicht an einem Wochenende fertig sein für einen aussagefähigen Test. Du kannst halt sehr kleine Teile testen, aber nicht ein gesamtes Produkt oder einen gesamten Use-Case. Das wird später besser funktionieren, wenn du nur noch einzelne Feature A/B-testen musst.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Du solltest dort werben, wo sich deine Wunsch-Mitarbeiter aufhalten. Suchst du bspw. jüngere Leute, die sich mit Medien auskennen, solltest du in aktuellen Sozialen Medien suchen, statt über Portale auszuschreiben, aber das hängt einfach von der Branche und der Stelle ab. Insbesondere in Startups kannst du jüngere Leute begeistern, wo es weniger ums Geld und mehr um das Ziel und die Vision geht.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Ideen schneller umsetzen und weniger durchdenken, das steht in jedem Startup-Buch und ist definitiv wahr. Du kannst dir so viel überlegen und konzipieren wie du willst, im Endeffekt entscheiden die Kunden ob die Idee gut ist. Die Feedback-Schleife aus Konzipieren – Entwickeln – Testen sollte so oft wie möglich wiederholt werden. Keine Angst, wenn das Produkt noch nicht “perfekt” ist, du musst dich beim ersten Test auf jeden Fall dafür schämen, sonst hast du zu lange daran entwickelt. Außerdem solltest du Online-Marketing so früh beginnen wie es nur geht beginnen, eine organische oder bezahlte Reichweite baut ihr nicht von heute auf morgen auf, es wird wahrscheinlich mehrere Jahre dauern bis die Marke und das Produkt bekannt sind. Den “Über-Nacht-erfolgreich-Geschichten” gehen jahrelange Entwicklung voraus.
Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Discord und Microsoft To Do, wir schreiben und diskutieren alles in Discord und sammeln dort auch unsere Community. In To Do organisieren wir grundlegend alles was noch ansteht in den verschiedenen Departments. Komplexere Tools aus der GSuite oder Trello sind zwar auch wichtig, aber die zuerst genannten verwenden wir definitiv am meisten und tauschen uns am schnellsten damit aus. Außerdem setzen wir stark auf serverless-Technologien wie Firebase, um insbesondere beim Launch neuer Produkte kaum Kosten zu haben, aber bei starken Wachstum trotzdem problemlos skalieren zu können.
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Unser Mops Penny sorgt für eine grundlegend entspannte Atmosphäre und gute Stimmung. Wir zocken oft nach dem Essen ein paar Runden cs:go und abends vor dem Feierabend Dart. Außerdem gibt es immer kostenlose Softdrinks. Außerdem hängen in unserem Büro viele lustige Memes und ein Rick and Morty Kalender.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Ein sehr positives Erlebnis war unser Pitch um das erste Pre-Seed-Geld von der Investitionsbank Sachsen-Anhalt. Wir haben wochenlang den Pitch geübt, ein “Funktionsmuster” zum Vorzeigen entwickelt und uns noch extra ein paar schicke Klamotten zugelegt. Da wir beide frisch aus dem Studium kamen, waren wir noch gut im ganzen Präsentieren drin. Dann sind wir morgens zu Fuß hingegangen und waren extrem aufgeregt, wir haben immerhin einem Gremium aus fast 20 Experten unsere Idee vorgestellt, alle in schicken Anzügen versteht sich. Wir mussten nach dem Pitch einen extra Raum, damit sich das Gremium beraten kann – ein bisschen wie Weihnachten und man wartet auf die Geschenke. Im Endeffekt waren die Leute extrem nett und zuversichtlich, fanden unsere Idee gut und waren bereit uns zu unterstützen. An diesem Tag fühlten wir uns unbesiegbar.
Negativ dagegen waren unsere ersten Erfahrungen mit einem Business Angel. Die ersten Gespräche waren ziemlich cool, wir haben uns gut verstanden und alles war echt locker. Nach ein paar Wochen ist uns jedoch aufgefallen, dass die Person sich gar nicht so recht für unser Produkt interessiert hat und es gefühlt auch nicht 100 % verstanden hat. Es ging auch immer mehr darum, dass wir in die anderen Firmen des Angels fast das gesamte Kapital was er uns geben wollte re-investieren sollten, weil wir diese Dienstleistungen angeblich brauchen, um die Firma voranzubringen. Dass er dann in den Term-Sheets noch hier und da an den Prozenten gedreht hat, war dann für uns das endgültige Aus und wir haben die Verhandlungen abgebrochen. Retrospektiv betrachtet wissen jedoch für die Zukunft besser, was wir wollen und worauf wir achten sollten.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.
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