“Man muss den Mut haben, es zu machen. Der fällt aber nicht vom Himmel”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Orlando Zaddach, Gründer von primoza, einem Wandkalender, der Samenpapier und Bio-Saatgut enthält. Kürzlich war das primoza-Team in der Vox-Show “Die Höhle der Löwen”, konnte dort aber kein Investment abstauben – siehe “primoza: Alles passt, nur zu keinem Investor“.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitstag?
Im Startup-Leben gibt es keine festen Arbeitsstrukturen – das bedeutet viel Freiheit, aber auch viel Arbeit. Ich starte normalerweise relativ früh in den Tag: Stehe um sieben auf, frühstücke aber erst gegen Mittag. Einen geregelten Alltag gibt es nicht, weil ich mich um verschiedene Bereiche kümmere – Marketing und Finanzen, Unternehmensorganisation und Personal. Was ich tue und wann, das kann ich mir einteilen und es hängt davon ab, was gerade ansteht. Seit dem Beginn der Pandemie sind wir alle im Home Office und digital vernetzt, das hat noch einmal vieles verändert.
Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Schwer bis gar nicht. Ich muss gestehen, dass meist der erste und der letzte Gedanke des Tages dem Unternehmen gilt. Der Druck hat eher zugenommen, weil ich auch mehr Verantwortung trage als am Anfang – wir haben inzwischen 22 Mitarbeiter:innen. Corona hat uns zudem in ein zusätzliches Spannungsfeld gebracht. Trotzdem sind die letzten Jahre die glücklichsten meines Lebens gewesen. Meine Leidenschaft ist das Kochen – das nutze ich, um runterzufahren und es war auch mein Zugang zum Thema regionales und saisonales Gemüse. Außerdem gibt es in unserem Team eine kleine Zocker-Runde, mit der ich regelmäßig „Ages of Empire II“ spiele.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Ich hätte gern noch früher gewusst, wie viele Möglichkeiten man hat, selbst etwas zu gestalten, seine Stärken ausleben und sich weiterentwickeln zu können. Ich habe studiert und promoviert und an der Uni gelernt, sehr theoretisch, sehr fachlich, sehr akademisch zu arbeiten. Das sind aber Skills, die mir jetzt nicht viel bringen. Bei primoza kommt es aber vielmehr auf Dinge wie agiles Projektmanagement, integrative Teamführung und strategische Planung an. Probleme müssen kreativ und spontan gelöst werden. Die Fähigkeiten dafür trainieren und weiter ausbauen zu dürfen, das ist total schön.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Die größte Hürde war vor allem der mentale Prozess – zu wissen, ich trage jetzt die komplette Verantwortung. Man muss den Mut haben, es zu machen. Der fällt aber nicht einfach vom Himmel. Es gab auch viele kleinere Hürden, aber die haben wir letztlich problemlos gemeistert. Um Widerstände zu überwinden, sind zwei Dinge die Voraussetzung: Erstens eine Produktidee, hinter der ich komplett stehe und zweitens Kollegen, denen ich vertraue und die meine Schwächen ausgleichen. Wenn dann noch der richtige Zeitpunkt dazukommt – das ist ein Geschenk, das ich bekommen und angenommen habe.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Ich glaube, es gab einige kleinere Fehler im Zwischenmenschlichen, wo man hinterher sieht: Da hättest Du anders kommunizieren müssen. Der größte Fehler aber war, dass ich meinen privaten Facebook-Account nicht gut genug geschützt hatte. Das klingt nach einer Kleinigkeit, wurde aber zu einem Riesenproblem, weil wir über den Account gehackt wurden. Das hatte zur Folge, dass wir acht Wochen lang unsere Werbung nicht richtig aussteuern konnten, da der gesamte Business-Manager lahmgelegt war. Seitdem bin ich pedantisch, was die Sicherheit angeht. Wir arbeiten mit einem Passwort-Manager und einer zweistufigen Authentifizierung, damit so etwas nicht noch einmal passiert.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Die passenden Mitgründer:innen zu finden, ist glaube ich das Schwierigere. Da kommt es darauf an, dass man sich aufeinander verlassen kann und man sich gut ergänzt. Die passenden Mitarbeiter:innen kommen sozusagen automatisch, wenn man transparent ist und die Werte, für die das Unternehmen steht, klar nach außen trägt. Viele Menschen wollen heute für etwas wirklich Sinnhaftes arbeiten und wenn man weiß, wie man das kommuniziert, fühlen sich die richtigen Mitarbeiter:innen angesprochen.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Ich würde jedem raten, möglichst jung ein Unternehmen zu gründen – einfach, weil man dann noch nicht so viel zu verlieren hat. Man hat Zeit und kann sich eher erlauben, Fehler zu machen und im Zweifel nochmal ganz von vorn anzufangen. Ich bin jetzt 33, möchte eine Familie gründen und empfinde das schon als gewissen Druck. Das ist mit Anfang 20 noch anders. Und in jedem Fall lautet mein Tipp: Einfach machen. Loslegen. Nicht zu lange planen und darauf warten, dass die Umstände perfekt sind. Mutig sein!
Ohne welches externe Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Asana. Das ist ein Projektmanagement-Tool, das bei uns wirklich immer und überall im Einsatz ist. Wir gestalten alle Prozesse damit und das ist wirklich super sinnvoll.
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Indem wir versuchen, die Mitarbeiter:innen in fast alle Entscheidungen mit einzubeziehen beziehungsweise Entscheidungen transparent zu machen und zu erklären. Auch wir als Gründer:innen machen Fehler und es ist wichtig, dass wir versuchen, offen und konstruktiv zu sein. Eine verständnisvolle Feedback-Kultur – in beide Richtungen – ist wichtig. Unsere Mitarbeiter:innen sollen sich auch auf persönlicher Ebene wohlfühlen. Wir veranstalten wöchentlich Team-Events während der Arbeitszeit, um gemeinsam aus dem Alltagsgeschäft herauszutreten – unter Corona-Bedingungen natürlich virtuell. Außerdem gehört eine Portion Humor und Selbstironie dazu.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Das war der Auftritt bei der Gründer-Show “Die Höhle der Löwen”. Wir hatten uns zum zweiten Mal beworben und bekamen die Zusage relativ kurzfristig. Das war schon eine sehr aufregende Erfahrung, einfach weil wir nicht genau wussten, was auf uns zukommt. Wir sind aus dem Auftritt mit viel Rückenwind rausgegangen und würden das sofort wieder machen. Und ich erinnere mich noch an das erste Jahr, als wir noch keine Strukturen und keine Logistik hatten und Manu und Tobi für das Weihnachtsgeschäft mit einem LKW in zwei Wochen auf zehn Weihnachtsmärkte von Hamburg bis Konstanz gefahren sind – das war einfach mega anstrengend.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.
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