“Habt Geduld, bleibt kritisch. Denkt groß! Lasst euch nicht abschrecken”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Alexander Piutti, Gründer von SPRK. Das Startup tritt an, “die Lebensmittelverschwendung zusammen mit allen Teilnehmern der Lieferkette signifikant zu reduzieren und langfristig zu vermeiden”.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Ich stehe in der Regel früh auf, mache vor dem Frühstück die Tagesplanung und bearbeite die ersten Mails. Im Sommer drehe ich oft mit dem Mountainbike eine Runde durch den Wald, genieße die Natur und die wunderbare Morgenstimmung, das ist immer ein top Start in den Tag – egal wie das Wetter ist. Gegen 9 Uhr startet der Austausch: zum Beispiel per Daily Stand-up mit dem Team oder bei Gesprächen mit Partnerinnen und Partner der Lieferkette sowie der Abnehmerseite. Oder es stehen Telefonate an mit strategischen Partnerinnen und Partnern sowie Investorinnen und Investoren.
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Familie. Das erdet mich. Zwei kleine Kinder zuhause – das ist der komplette Tapetenwechsel und macht mir den Kopf frei. Das sind ein paar Stunden digitaler Detox. Danach geht’s in der Regel nochmal an den Schreibtisch.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Eine Erfahrung, die ich nicht nur bei der Gründung von SPRK.global gemacht habe, sondern auch schon bei vorherigen Unternehmungen ist, dass es immer vier Dinge braucht: Begeisterung, als Voraussetzung zur Partner- und Kundengewinnung – sonst kann man auch niemanden auf die Reise mitnehmen, Beharrlichkeit (‘persistance’) – also, jede Menge Steine umdrehen und das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, Flexibilität – oft kommt es anders als man denkt und last but not least: Geduld, was auch nach vielen Jahren Unternehmertum noch immer nicht zu meinen Stärken zählt. Bis zur Gründung von SPRK.global war es eine lange und spannende Reise – von der Idee bis zur Umsetzung sind gut vier, fünf Jahre vergangen. In der Zeit habe ich unzählige Gespräche mit unterschiedlichen Stakeholdern aus der Lebensmittelbranche geführt, aber auch mit kommerziellen und gemeinnützigen Abnehmerinnen und Abnehmern. Das sind sehr unterschiedliche Zielgruppen. Dazu braucht es quasi eine Art Getriebe im Kopf, um die unterschiedlichen Agenden und Bedürfnisse der Zielgruppen übereinander zu bekommen. Ich habe enorm viel gelernt – auch über mich selbst – und auf Basis der Rückmeldungen den Ansatz immer wieder hinterfragt und mit den Partnerinnen und Partnern optimiert, bis ich wusste: So klappt es!
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
In der Phase vor der Gründung ist es alles entscheidend, Vertrauen mit den Entscheiderinnen und Entscheidern aufzubauen. Lebensmittelverschwendung ist ein sensibles Thema und es braucht Empathie für den Gegenüber als Teil der Lieferkette. Keiner hat ein vollständiges Bild, wir setzen es langsam zusammen. Das heisst gerade zu Beginn: Meetings, Meetings, Meetings – bis die Annahmen validiert sind, das innovative Business-Modell auf Herz und Nieren geprüft und bestätigt ist und man für sich selber klärt: Lohnt sich der Aufwand? Das meine ich auch finanziell – aber eben nicht ausschließlich. Bis zur Gründung habe ich die Idee von SPRK aus eigener Tasche finanziert. Ich habe als Familienvater jahrelang auf Einkommen verzichtet, es gab viele Gespräche am Küchentisch, bei denen es darum ging, wie lange das noch gehen soll. Und damit bin ich beim zweiten Aspekt: Den Nerven. Gründen ist unfassbar aufregend, aber auch nervenaufreibend. Zum Glück ist SPRK nicht das erste Business, das ich auf die Beine stelle – daher konnte ich oft auf meine Erfahrung zurückgreifen und in kritischen Phasen immer wieder reflektieren, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Ich denke ich habe in den Jahren keinen Fehler ausgelassen, wirklich. Anfangs habe ich mich auf Leute eingelassen, die sich gut verkauft haben, letztlich aber nicht lieferten, was sie versprochen hatten. Das gefährdet das Vorhaben. Daher: Lieber mehr Zeit mitbringen, um das Team, Partnerinnen und Partner sowie Investorinnen und Investoren in Ruhe kennenzulernen und so ein stabiles Venture aufzubauen. Das ist mitunter eine schwierige Abwägung: schnell sein versus in Ruhe abwägen. Langfristig schafft die Ruhe aber Qualität und Sicherheit – und zahlt sich aus.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Super wichtige Frage, die uns auch aktuell besonders beschäftigt. Denn wir wachsen und suchen in verschiedenen Bereichen neue Kolleginnen und Kollegen, vor allem im Bereich IT-Development für unsere kuratierte Marketplace Plattform. Ein gutes Netzwerk ist Gold wert, aber wir stellen auch fest, dass es ruhig noch mehr Portale geben könnte, auf denen Jobs im Tech- & Impact-Bereich vorgestellt werden. Letztlich kommt es im persönlichen Kennenlernen darauf an, ob man zusammenpasst und das gleiche Verständnis für das Business hat. Spirit und Persönlichkeit sind am Ende wichtiger, als die eine Fähigkeit bei der man (noch) kein Häckchen setzen kann im Lebenslauf.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Habt Geduld, bleibt kritisch. Denkt groß! Lasst euch nicht abschrecken. Geht die wirklich großen Probleme an, da ist volles Potenzial. Hinterfragt euer Modell und baut auf die Expertinnen und Experten, die sich in eurem Business-Bereich auskennen – z. B. frühzeitig einen guten Beirat aufbauen als Advisory Board zu den einzelnen Facetten, die euer Venture braucht. Das gibt euch Rückenwind und Glaubwürdigkeit. Und natürlich: Habt den Mut, mit euren Ideen rauszugehen. Gerade im Bereich Impact gibt es noch viele spannende Lücken, die es zu füllen gilt.
Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Google Suite inkl. Google Drive. Das ist eine hammer Erleichterung für alle. Gemeinsames Arbeiten online, sowohl intern wie extern. So werden zum Beispiel keine unterschiedlichen Textversionen mehr als Dokument per Mail verschickt, was insbesondere bei komplexen Themen und größeren Teilnehmergruppen nicht funktioniert. Also, in Prozesse investieren, um synchronisiert zu arbeiten und schnell zu bleiben. Das hilft dem Venture, ein ‘edge’ aufzubauen und diesen auch zu halten.
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Uns ist regelmäßiger Austausch auf Augenhöhe super wichtig und auch, dass der Spaß nicht zu kurz kommt – und das meinen wir ernst. Unser Vorhaben ist ambitioniert und anspruchsvoll. Es gibt niemanden im Markt, den wir als Vorbild nehmen können. Wir sind Pioniere. Es ist wichtig, gemeinsame Erfolge zu feiern und nicht einfach weiter zu hasten von Etappenziel zu Etappenziel. Rauf und runterschalten, je nach Situation. Da ist es wieder, das Getriebe.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Young Sohn ist als Co-Founder der XTC Extreme Tech Challenge und als ehemaliger Präsident von Samsung Electronics nach unserem weltweit ersten Platz bei der XTC in 2020 (Kategorie Smart Cities) bei uns als Investor eingestiegen. Danach hat sich auch eine wunderbare Beziehung aufgebaut, wofür ich sehr dankbar bin. Dies nur als Beispiel. Also, nichts ist unmöglich. Man muss die Dinge gedanklich einfach zulassen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch wirklich passieren. Think big!
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.
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