Wie Unternehmen Authentizität fördern – und davon profitieren
Sie denken, Sie wissen schon alles über “the new normal”? Hier ein paar Fakten schwarz auf weiß: Seit Beginn der Corona-Pandemie arbeiten 10,5 Millionen Berufstätige ausschließlich im Homeoffice, weitere 8,3 Millionen teilweise. Das sind in Summe 45 % aller in Deutschland lebenden Berufstätigen, wie eine Studie von Bitkom zeigt – Tendenz steigend. Vor Ausbruch der Pandemie war das Arbeiten von Zuhause hierzulande hingegen bemerkenswert wenig verbreitet. Laut einem Survey von Eurostat 2019 arbeiteten nur gute 5 % der Beschäftigten üblicherweise im Homeoffice, 7 % gelegentlich und 87 % nie. Dies verdeutlicht, wie drastisch sich unsere Arbeitswelt veränderte.
Eine wie ich finde sehr positive Folge davon – von der ich schon lange ein großer Verfechter bin – ist das Aufblühen von Authentizität am Arbeitsplatz. Der Büroalltag, in dem das eigene Privatleben in der Knigge-Bibel stand, scheint Vergangenheit zu sein. Da mein Arbeitsplatz sich nun in meiner Wohnung befindet, bin ich nicht nur Führungskraft, sondern auch Vater. Meine zweijährige Tochter ist manchmal in Video Call-Meetings dabei – etwas das vor Corona kaum denkbar gewesen wäre. Heute trifft es auf Verständnis und Sympathie.
Doch was bedeutet dies für Unternehmen? Nun, ich bin mir sicher: Von diesem Wandel, der sich insbesondere auf die Unternehmenskultur auswirkt, werden Firmen langfristig profitieren. Laut einer Studie von goetzpartners gaben 77 % der Führungskräfte an, dass sich aufrichtiges Verhalten positiv auf ihre eigene Leistung auswirkt und Mitarbeiter*innen sich insbesondere in unsicheren Zeiten eher an authentischen Führungskräften orientieren. Authentizität fördert das Wohlbefinden bei den Mitarbeiter*innen. Wer keine Maske aufsetzen muss, baut eine echte Bindung zu den Kollegen und dem Unternehmen auf. Dies bringt Arbeitsgruppen näher zusammen, steigert den gegenseitigen Support und führt zu high-performance Teams, was sich wiederum wachstumsfördernd auf Firmen auswirken kann.
Aber genug von der Theorie, was zählt ist und bleibt die Praxis. Selbst wenn unsere Berufswelt sich pandemie-bedingt verändert hat, bedarf es an Geduld, Reflektion und Ehrlichkeit, bis der Grundstein für eine glaubwürdige Führung gelegt ist und sich tatsächlich positiv auf Unternehmenskultur und -erfolg auswirkt. Es erfordert das Vertrauen der Mitarbeiter*innen in ihre Vorgesetzten; ein Gefühl, das sich bekanntlich nicht von heute auf morgen herbeizaubern lässt. Es gibt jedoch bestimmte Faktoren, die authentisches Verhalten in Unternehmen fördern und sich bereits während der Pandemie umsetzen lassen. Hier kommen meine top-4 Tipps.
Individualität akzeptieren und unterstützen
Ein Beispiel: Als sich eine jetzige Mitarbeiterin bei uns bewarb, erschien sie zu ihrem ersten Vorstellungsgespräch mit grüner Haarfarbe und kurz darauf zu ihrem Probearbeitstag mit blauer. Im Nachhinein berichtete sie, dass sie Angst hatte, wie wir als potenzieller Arbeitgeber ihre auffällige Haarfarbe aufnehmen würden. Doch das Team begegnete ihr sogar mit Komplimenten. Von da an war sie überzeugt, mit uns arbeiten zu wollen, weil wir sie als Person willkommen hießen, unabhängig von Äußerlichkeiten. Damit will ich veranschaulichen, wie Zugehörigkeit zu einer Firma sich durch die Annahme von Individualität entwickelte.
Das wichtigste für eine erfolgreiche Umsetzung zur Förderung von Individualität ist, aus Überzeugung und in Übereinstimmung mit der eigenen Haltung zu agieren. Dann erleben Führungskräfte und Mitarbeiter*innen das stärkste Gefühl von Authentizität, indem sie sich sowohl zugehörig fühlen, als auch individuell an ihrem Arbeitsplatz geschätzt werden.
Offene und ehrliche Kommunikationskultur pflegen
Mitarbeiter*innen erwarten heute absolute Transparenz und Ehrlichkeit von der Führungsetage. In erster Linie gilt es, Teammitgliedern zuzuhören, ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen und aufrichtig zu fragen, wie es jemanden geht. Ganz ohne Pokerface, die Mitarbeiter*innen kennenlernen. Dies gilt besonders für große Unternehmen. Denn wer sich als kleines Rädchen im Getriebe wahrnimmt, ist in Gefahr, sich in seiner Arbeit als wenig authentisch zu erleben. Wir wirken dem beispielsweise entgegen, indem jedes Team monatlich ein Budget für eine Aktivität ihrer Wahl zur Verfügung bekommt. Mein Team gibt das Geld am liebsten für Essen aus, andere veranstalten online Trivia- oder Bastelabende. Dieses lockere Umfeld ist wichtig, da jeder entspannter ist und Manager*innen und Arbeitskolleg*innen so leichter eine Beziehung zueinander aufbauen können.
Eine sichere Umgebung schaffen, in der man keinen psychischen Druck ausgesetzt ist
Wer authentisch ist, agiert im Einklang mit seinen innersten Werten, Motiven und Emotionen. Dies wirkt sich wiederum positiv bei den Mitarbeiter*innen aus und verstärkt ihre Bereitschaft, ebenfalls dem wahren Ich zu entsprechen. Zu einer authentischen Unternehmenskultur zählt auch die Größe zu haben, seine negativen Seiten oder Unwissenheit zu offenbaren. Wir handhaben dies bei uns im Unternehmen so, dass jedes Arbeitsmitglied selbst bei Besprechungen mit Geschäftspartnern zu Wissenslücken steht und auf formale Sprache verzichtet. Niemand muss versuchen sich schlauer oder anders darzustellen. Es ist doch so: Nur wer ehrlich zu sich selbst steht, ist auch glaubwürdig und kann langfristig kraftvoll für die Organisation auftreten.
Nähe trotz räumlicher Distanz schaffen und Vertrauen aufbauen
Insbesondere in Krisenzeiten ist Vertrauen in Unternehmen zwingend erforderlich. Eine vertrauensvolle, verlässliche Beziehung kann auch trotz Distanz aufgebaut und gepflegt werden – wie ich am eigenen Leib erfahren habe. Meine aktuelle Managementstelle trat ich während der Krise an und habe seither nur eine Person des Unternehmens persönlich kennengelernt. Kleingruppenmeetings und persönliche Gespräche mit den einzelnen Teammitgliedern halfen mir dabei, sich auf persönlicher Ebene zu begegnen. In den Unterhaltungen zeigte ich mich auch selbst verletzlich, erzählte von Fällen des Scheiterns und Erlebnissen aus meinem eigenen Leben. Manchen Personen hilft das dabei sich selbst zu öffnen und manchen tut es einfach nur gut zu hören, dass niemand alleine ist und jeder mit eigenen Problemen zu kämpfen hat.
Schlussendlich ist es so: Wir befinden uns in einer neuen Arbeitswelt, an die sich Unternehmen schnell anpassen müssen. Einigen wird es leicht fallen, andere müssen ein aufwendiges Change-Management betreiben. Laut mehreren Studien kann Authentizität die Produktivität der Mitarbeiter*innen um 20 % steigern, denn sie erzeugt eine höhere Motivation, größere Arbeitszufriedenheit und eine Identifikation mit der Führungskraft und dem Unternehmen. Wer authentisch ist, wird darüber staunen, welche Auswirkungen dies auf das Umfeld, den persönlichen Erfolg und den des Unternehmens hat.
Über den Autor
Mark Astley ist Director of Talent Acquisition bei Vinted und leitet in diesem Jahr den Ausbau des Berliner Teams, der sich auf Entwickler, Data Scientists und Produktmanager im Senior Level konzentriert. Er war in seiner Karriere bereits im Bankwesen tätig und für das Wachstum und die Skalierung von Tech-Startups und Scaleups zuständig. Mit einer wachsenden Community von über 37 Millionen Mitgliedern ist Vinted das größte Online-C2C-Unternehmen in Europa, das sich der Secondhand-Mode widmet. Derzeit erstreckt sich die Mitgliederzahl über 13 Märkte. Das 2008 von Milda Mitkuté and Justas Janauskas in Litauen gegründete Unternehmen steht heute unter der Leitung von CEO Thomas Plantenga und wird von fünf führenden Venture-Capital-Firmen unterstützt. Das europäische Start-up hat seinen Hauptsitz in Vilnius mit weiteren Offices in Berlin, Utrecht und Prag und beschäftigt insgesamt über 600 Mitarbeiter.
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