#Interview
“Wir haben vom ersten Tag an auf das falsche Geschäftsmodell gesetzt”
Bei gigmit, 2012 in Berlin gegründet, dreht sich alles um Musik. “Wir bringen Bands und DJs auf die Bühne und helfen Festivals, Clubs und anderen Veranstaltern Bands zu entdecken und dabei abzuschätzen wie viel Potential eine Band oder ein DJ hat”, erklärt Gründer Marcus Fitzgerald das Konzept von gigmit. 12 Mitarbeiter:innen wirken derzeit für das musikalische Startup. Im Corona-Jahr 2020 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz in Höhe von knapp 1 Million Euro.
Der Weg dahin war alles andere als gradlinig! “Wir haben viel ausprobiert – Corporate Booking, Merchandise etc. – und auch einmal mit einem Transaktionsmodell auf jedes Booking gestartet. Was sich durchgesetzt hat, ist unser Fokus auf das Wesentliche: Künstler und Veranstalter einfach zusammenbringen”, sagt Fitzgerald. Der gingmit-Macher verweist zudem auf einen zentralen Fehler am Anfang: “Wir haben auf das falsche Geschäftsmodell gesetzt – also erst einmal ohne Geschäftsmodell zu starten und uns rantasten”.
Seit 2016 ist Sony Music an gigmit beteiligt. Ansonsten setzen die Hauptstädter auf Crowdinvesting. “Ich bin großer Crowdinvestment-Fan. gigmit steht für eine Demokratisierung des Livemusik-Marktes und hier haben wir mit Crowdinvestment viel gemeinsam”, erzählt Fitzgerald. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der gigmit-Gründer außerdem über Fandaten, Late-Adopter und die Champions League!
Wie würdest Du Deiner Großmutter gigmit erklären?
Wir bringen Bands und DJs auf die Bühne und helfen Festivals, Clubs und anderen Veranstaltern Bands zu entdecken und dabei abzuschätzen wie viel Potential eine Band oder ein DJ hat. Alles in wenigen Klicks und Minuten statt aufwändiger Recherche und monatelangem Verhandeln. Seit Corona vermitteln wir Auftritte auch in Radio, TV und Online – Live-Streaming.
Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Ganz klar. Wir haben viel ausprobiert – Corporate Booking, Merchandise etc. – und auch einmal mit einem Transaktionsmodell auf jedes Booking gestartet. Was sich durchgesetzt hat, ist unser Fokus auf das Wesentliche: Künstler und Veranstalter einfach zusammenbringen. Das ist unsere Founders Vision und die haben wir klar nach vorn gestellt. Was über die Jahre immer wichtiger geworden ist: Data Analytics! Seit Spotify & Co die Art verändert haben, wie Musik konsumiert wird, sind damit auch Fandaten verfügbar, die Eventveranstaltern helfen besser einzuschätzen, welcher Künstler wirtschaftlich zu einem passt. Hier aggregieren wir Daten und stellen diese breit zur Verfügung. Derzeit arbeiten wir an einer KI, um Vorhersagen zu treffen und unser Matching zwischen Künstler und Veranstalter noch besser zu machen.
Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Wir sind wie Linkedin: Ein Freemium-Service, komplett kostenlos für alle. Veranstalter können ihre Kriterien angeben, über welche Künstler sie informiert werden wollen oder eine offene Ausschreibung machen – wie bei Fiverr oder Upwork. Künstler erstellen einen B2B-Profilseite, mit der sie sich beim Veranstalter vorstellen und bekommen unzählige globale Kontakte für Liveauftritte. Sind Facebook, Spotifly und Youtube verbunden, erhalten Veranstalter Empfehlungen – je nachdem, wo die Künstler Fans und Hörer haben. Für mehr Insights, mehr Informationen und eine höhere Sichbarkeit bieten wir gigmit PRO für 19 Euro im Monat.
Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Uns hat das massiv betroffen. Zuerst haben wir umgestellt auf Partnerschaften mit Livestreaming Plattformen. Ich bin meinem Team unglaublich dankbar, dass sie in dieser Zeit konstruktiv überlegt haben, was Sinn macht und sich nicht unterkriegen lassen haben von dieser Ausnahmesituation. Das Ergebnis: Wir sind stärker gewachsen als zuvor und haben über 5.000 Livestreaming-Events im letzten jahr auf der Plattform gehabt. Aus meiner Sicht eine Menge, dafür dass eigentlich “nichts geht”. Aber es ist noch etwas anderes passiert: Veranstalter haben angefangen offen für digitale Themen zu werden. Das war vorher nicht so und hilft uns jetzt beim Wachstum.
Wie ist überhaupt die Idee zu gigmit entstanden?
Vor gigmit war ich Veranstalter, Künstlermanager, Booker und haben einen guten 360 Grad-Blick erhalten, wie schwierig der Prozess ist, Bands & DJs und Clubs & Festivals zusammenzubringen. Seit den 50er Jahren hat sich der Prozess auch nicht verändert und die Branche gilt als “Late-Adopter”. Durch Musikstreaming und damit verbunden weniger Einkommen beim Künstler, hat sich die Situation verschärft. Live Konzerte sind die wichtigste Einkommensquelle. Und kein digitales Tool hat sich durchgesetzt? Das ändern wir.
2016 investierte Sony Music in gigmit. Wie ging es seitdem weiter?
Sony Music hat uns mit einem großen Netzwerk an Künstlern verbunden. Viele nutzen gigmit nun. Sie unterstützen, wo es geht und ich bin sehr dankbar für diese produktive Zusammenarbeit. Wir haben uns aber seither auch stärker auf unser Kerngeschäft fokussiert und anderes Side Business nicht weiter entwickelt. Heute kann ich sagen, dass war 100 % die richtige Entscheidung.
Inzwischen habt ihr auch zwei Crowdinvestment-Kampagnen durchgezogen. Funktioniert diese Finanzierungsart bei euch gut?
Ich sags mal so: Ich bin großer Crowdinvestment-Fan. gigmit steht für eine Demokratisierung des Livemusik-Marktes und hier haben wir mit Crowdinvestment viel gemeinsam. In der Livemusikbranche in Deutschland beschweren sich oft die Independents, dass die großen amerikanischen Konzerne mit ihrem digitalen Vormarsch alles andere kaputt machen. Wir entgegnen damit und schaffen die Möglichkeit, dass sich kleine Indies an gigmit beteiligen können, um gemeinsam ein deutsches bzw. europäisches Unternehmen aufzubauen, was international gut wachsen kann. Das haben schon einige wahrgenommen und hilft uns beim weiteren Wachstum! Außerdem bringen sich die Investoren ein mit Hinweisen, Vorschlägen und ihrem Netzwerk. Das ist wirklich motivierend zu sehen, wie viel Positives von der Crowd ausgeht.
Wie genau hat sich gigmit seit der Gründung entwickelt?
Vor drei Jahren haben wir unser Modell, unseren Weg und das richtige Team so zusammengebaut, dass es schnell nach vorn und nach oben geht. Wir haben unseren Umsatz in den letzten drei Jahren verdreifacht, Tendenz steiler wachsend.
Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist gigmit inzwischen?
Ich fahre die Strategie, angepasst wachsen und mit kleinem Team Lean unterwegs zu sein. Wir sind aktuell 12 Mitarbeiter:innen. Wir haben unseren Umsatz im letzten Jahr noch einmal verdoppelt und liegen bei knapp 1 Millionen Euro im Corona-Jahr. Außerdem haben wir 160.000 Nutzer, davon 150.000 Bands und DJs und 10.000 Festivals und Clubs in über 100 Ländern – Schwerpunkt Europa.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Das kann ich dir ganz klar sagen: Wir haben vom ersten Tag an auf das falsche Geschäftsmodell gesetzt – also erst einmal ohne Geschäftsmodell zu starten und uns rantasten. Außerdem haben wir zu schnell drei Preisoptionen und Pakete angeboten und damit unsere Entwicklung verlangsamt. Und wir haben viel zu früh vertikal ausgebaut: Corporate Booking, Merchandise und Ticketing. Hier haben wir losgelegt und zu früh Personal verbrannt. Mit dem Wissen bin ich natürlich insofern gereift, als dass unsere Entscheidungen in Zukunft rosiger und gewinnbringender sind.
Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir sind flexibel geblieben und hören auf unsere Nutzer und passen uns an. Mancher sagt, das ist nicht gut. Ich bin da ganz anderer Meinung. Wir haben bei uns in der Company eine Atmosphäre aufgebaut, in der sich Mitarbeitende wohl fühlen und ich achte auf eine gesunde Balance im Team. Mit unserem Fokus auf Daten-Analyse seit zwei Jahren haben wir uns zur rechten Zeit einem Innovationsthema gewidmet, was uns die nächsten Jahrzehnte begleiten wird.
Wo steht gigmit in einem Jahr?
Wir sind gerade in der Bundesliga und planen die Champions League! Unsere Community wird weiter stark wachsen und wir zielen auf nichts geringeres als die Globale Nummer eins in unserem Markt. Wir möchten Musikern und Veranstaltern durch die Fan-Daten ihr Wirtschaftspotenial erhöhen: Einfach, aus ihrer Hosentasche raus. Das heißt für uns Matching, Data-Analytics und Predictions so gut zu mobilisieren, dass mein Telefon mir hilft, ein relevantes Einkommen aus dem Live-Geschäft zu erzielen. Wir sind damit gestartet. Aber wir sind noch nicht am Ziel. Ende 2021 hoffen wir da Meter gemacht zu haben.
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