Steadify: Ohne Zahlen geht es nicht
Ein Kamera-Stativ, das tragbar, schnell einsetzbar und wenig sperrig ist: für viele ambitionierte Hobbyfotografen und Profis bestimmt ein absolut sinnvolles Produkt. Das fanden auch die Löwen, als das Gründergespann von Vater und Sohn ihnen ihr Startup Steadify vorstellte.
Alle schienen sehr interessiert, es gab viel Lob vor allem für den 83-jährigen ehemaligen Fotografen Gert Wagner, der atemberaubende Bilder aus seiner Karriere präsentierte. Die fachliche Komponente bezüglich des Produkts konnte also nicht einmal ansatzweise in Frage gestellt werden.
Doch wer die Löwen kennt, weiß, was als nächstes folgt: die Zahlen. Und die sollten das Blatt wenden.
Bei den Herstellungskosten und dem Verkaufspreis lief noch alles glatt, die hohe Marge gefiel den Löwen natürlich sehr. Stolz nannten die Gründer auch ihren Umsatz über eine Kickstarter-Kampagne von über 200.000 Euro. Die erste Verwunderung zeigte sich jedoch direkt im Anschluss, als sie zugeben mussten, seit dem kaum weitere Verkäufe realisiert zu haben.
Die Begründung sorgte dann für das erste große Stirnrunzeln: Man sei nach dem Crowdfunding “finanziell erschöpft” gewesen.
Erst nach mehrmaligem Nachfragen ergibt sich ein einigermaßen klares Bild hierzu: zum einen gab es wohl einen Werbepartner, der in Vorleistung gegangen ist und erst hinterher einen hohe Rechnung gestellt hat. Dies allein war allerdings wenig überzeugend, denn von einer so hohen Marge, wie die Gründer sie zuvor angegeben hatten, sollte auch mit recht aufwändiger Werbung noch einiges übrig bleiben. Andernfalls hätte man hier rechtzeitig gegensteuern müssen, denn zu hohe Kundenakquisekosten können ein komplettes Geschäftsmodell zerstören. Und Gründer vergessen gerne einmal, dass jeder Kunde zunächst einmal Geld kostet.
Dann schoben die Gründer die Erklärung nach, dass sie vorab 5.000 Stück hatten produzieren lassen, um für einen großen Ansturm gewappnet zu sein. Über die Kampagne wurden aber “nur” 1500 Stück verkauft. Man habe also ein volles Lager, aber kein Geld mehr, um diesen Lagerbestand zu vermarkten.
So etwas kann prinzipiell passieren, und ist für Investoren auch kein Deal-Breaker. Allerdings sollte man als GründerIn immer, wenn man mit Zahlen argumentiert, sich auch bewusst sein, dass das Gegenüber praktisch sofort an zu rechnen fängt.
Auch die Löwen haben ihre Notizbücher nicht zur Dekoration. Bei den von den Gründern angegebenen 20 Dollar Herstellungskosten hätten die 5.000 Stück 100.000 Dollar gekostet, bei dem Umsatz von über 200.000 Euro müsste also selbst bei einer wirklich sehr teuren Crowdfunding-Kampagne noch gut etwas übrig geblieben sein. Also entweder hat man es mit dem Marketing stark übertrieben (wie wohl auch mit der Vorbestellung), oder irgendetwas stimmt nicht ganz.
Was Investoren auch stutzen lässt: Hätte man die 5.000 Stück zu je etwas 130 Euro verkauft (der Preis ergibt sich aus den 1.500 Stück für insgesamt 200.000 Euro), hätte man 650.000 Euro eingenommen, für eine deutsche Crowdfunding-Kampagne schon extrem viel. Eine zusätzlich überdimensionierte Werbekampagne würde für die meisten Investoren schon stark darauf hindeuten, dass die Gründer zu schnell zu viel wollen und wenig Risikomanagement betreiben.
Also Vorsicht: Investoren sind es gewohnt, schnell ein paar Überschlagsrechnungen zu machen und so laufend Schnell-Checks durchzuführen, ob das, was die Gründer ihnen da erzählen, halbwegs zusammenpasst.
Das hat es wohl nicht, denn einer nach dem anderen stieg wegen der undurchsichtigen Zahlen aus. Carsten Maschmeyer fragte dann noch einmal, wie denn der Gesamtumsatz über die drei Jahre am Markt nun war. Doch darauf hatten die Gründer nicht einmal einen Antwort, was alle Löwen sichtlich enttäuschte. Nico Rosberg drückte es als mangelndes Vertrauen in die betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten aus, Dagmar Wöhrl als zu viele Fragezeichen bei den Zahlen.
Die Gründer gaben sich im Anschluss verwundert, dass sie diese Zahlen überhaupt beantworten mussten. Sie waren wohl “nicht darauf gefasst, so präzise Zahlen nennen zu müssen.” Das ist schon verwunderlich, ging es doch um Zahlen, die Investoren immer, aber wirklich immer abfragen, und die man sich wohl schon 100fach in “Die Höhle der Löwen” anhören konnte, wie auch Dagmar Wöhrl treffend bemerkte.
GründerInnen können aber ein zentrales Learning daraus ableiten: Wenn man sich auf Investoren vorbereitet, egal ob im Team, mit Coach oder anderen Sparringspartnern, sollte man mindestes einen Durchlauf machen, in dem man völlig ohne Hilfsmittel auskommt. Denn besonders am Telefon kann der Gesprächspartner am anderen Ende oft nicht ahnen, ob man abliest oder weiß, wovon man redet.
Zahlen sind nicht alles, aber ohne sie im Griff zu haben, braucht man von einem Investment gar nicht erst zu träumen. Schließlich müssen Investoren eine Chance haben, das Geschäftsmodell einschätzen zu können. Mit “in die Enge treiben” hat das nun wirklich nichts zu tun. Eine Kritik, dass man seine Zahlen nicht im Griff hat, sollte man als GründerIn also immer gründlich reflektieren, und sich selbst nicht erlauben, diese allzu schnell abzutun. Denn ohne Zahlen geht es nicht, egal, wie toll das Produkt ist und wie sehr man liebt, was man tut. Die bittere Wahrheit ist, dass man beides braucht, aber das eine das andere nicht ausgleichen kann.
Die Investorensicht brachte dann Judith Williams präzise auf den Punkt: “Zahlen sind die Kernessenz aus der Höhle der Löwen”.
Tipp: Alles über die Vox-Gründer-Show gibt es in unserer DHDL-Rubrik. Die jeweiligen Deals und Nicht-Deals gibt es hier: “Die Höhle der Löwen (9. Staffel)“,”Die Höhle der Löwen (8. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (7. Staffel)“,”Die Höhle der Löwen” (6. Staffel)“,“Die Höhle der Löwen” (5. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (4. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (3. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (2. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (1. Staffel)“.
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