#Interview
“Ich kann nur jedem Gründer raten, sehr selbstbewusst an seiner Idee festzuhalten”
Das Münchner Startup Usercentrics, das andere Unternehmen dabei unterstützt, ihre Webseiten DSGVO-konform zu machen, wurde 2017 von Mischa Rürup, Vinzent Ellissen und Lisa Gradow gegründet. Der amerikanische Geldgeber Full In Partners sowie die Altinvestoren Alstin Capital, Reimann Investors und Cavalry Ventures investierten zuletzt 17 Millionen Euro in die Consent Management-Plattform.
Inzwischen wirken 120 Mitarbeiter:innen für das Unternehmen. “Regional haben wir seit Corona die Anstellungen dezentral vorgenommen, d.h. wo immer wir Talente gefunden haben, wurden diese eingestellt. So sitzen nunmehr einzelne Mitarbeiter in Berlin, Hamburg, London, Frankfurt, München und Lissabon. München und Lissabon haben sich als Kern-Standorte entwickelt, mit je circa 40 Mitarbeitern”, sagt Mitgründer Rürup.
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Usercentrics-Macher außerdem über Saure-Gurken-Zeiten, Zweifel und falsche Investoren.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Usercentrics erklären?
Besucht man eine Website, lesen tausende von Technologien den Besuch mit und erstellen ein User Profil. Das ist so ähnlich, als würde man einer Person beim Shoppen zuschauen. Usercentrics verhindert dies und gibt den Nutzern die Möglichkeit zu widersprechen. Das DSGVO Datenschutz Gesetz erfordert dieses Wahlrecht. Usercentrics stellt seine Software an Website- und App Anbieter bereit.
Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Wir möchten es den Nutzern einfach machen, zu verstehen, was auf der Website passiert. Insofern hat sich unser Design stark geändert, eine aktuelle Version befindet sich auf www.zalando.de
Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell
Wir bieten unseren Service Firmen und Website Betreibern an, die den Datenschutz sicher umsetzen und in keine Abmahngefahr laufen möchten. Die Kosten belaufen sich auf 8 Euro pro Monat für kleinere Webseiten, bis hin zu mehreren hundert Euro pro Monat für größere Webseiten. Zu unseren Kunden gehören Zalando, Daimler, die Commerzbank und viele hunderte weitere.
Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Zum Glück und unserem Erstaunen hatte Corona eher wenig negativen Einfluss auf uns; im Gegenteil, die Digitalisierung von Unternehmen nimmt zu, so dass die Website eine der wichtigsten Kanäle bleibt. Ebenso ist international eine starke Tendenz in Richtung Privatsphäre der Nutzer zu spüren. Usercentrics konnte über die letzten 12 Monate mit über 300% wachsen.
Full In Partners, Alstin Capital, Reimann Investors und Cavalry Ventures investierten zuletzt 17 Millionen Euro in Usercentrics. Wofür braucht ihr so viel Geld?
Wir internationalisieren aktuell, etwa in die USA, da dort ähnliche Gesetzgebungen wie in Europa auf den Weg gebracht wurden. Das CCPA (california consumer privacy act) Gesetz schützt hierbei ebenfalls die Rechte der Nutzer und entstand circa zwei Jahre nach der europäischen Gesetzgebung GDPR.
Wie ist überhaupt die Idee zu Usercentrics entstanden?
Jeder Marketer weiß, dass eine gute Datenqualität die Basis für solide Marketing Erfolge ist. Nachdem ich 2012 mein vorheriges Unternehmen intelliAd an die Deutsche Post DHL verkaufte, wurde mir 2015 bewusst, dass ein Umdenken im Marketing nötig wird, von 3rd Party-Daten in Richtung 1st Party Daten. Der Werbungtreibende kann weiterhin Daten erfassen, muss jedoch hierbei sensibel die Interessen der Besucher abwägen und entscheiden, für welche Daten er legitimes Interesse hat. So sind zum Beispiel bei Vertragsdaten von einer Geschäftsgrundlage auszugehen, während die Profilierung des Nutzers eine explizite Einwilligung des Nutzers benötigt.
Wie genau hat sich Usercentrics seit der Gründung entwickelt?
Unser Team hat sich auf mittlerweile 120 Mitarbeiter mit 45 Nationalitäten erweitert. Regional haben wir seit Corona die Anstellungen dezentral vorgenommen, d.h. wo immer wir Talente gefunden haben, wurden diese eingestellt. So sitzen nunmehr einzelne Mitarbeiter in Berlin, Hamburg, London, Frankfurt, München und Lissabon. München und Lissabon haben sich als Kern-Standorte entwickelt, mit je circa 40 Mitarbeitern.
Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Usercentrics inzwischen?
Der Umsatz von Usercentrics hat sich über 12 Monate um mehr als 300 % entwickelt, und wir sind auf über 100.000 Domains eingebaut. Wir verwalten aktuell circa 1 Milliarde Einwilligungen pro Tag.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Sicherlich muss man sagen, dass wir zu zögerlich agiert haben. Ich kann nur jedem Gründer raten, sehr selbstbewusst an seiner Idee festzuhalten. In unserem Fall mussten wir über zwölf Monate warten, bis der Markt anfing, das Produkt auch aktiv nachzufragen. Eine Saure-Gurken-Zeit, die es zu überwinden gilt. In dieser Zeit ist der Erfolg nicht sicher, Zweifel kommen auf, die durch die falschen Investoren gestärkt werden. Wir hatten das Glück, dass ich aus meiner intelliAd Zeit die Investoren hinter Alstin, Cavalry und Reimann bereits kannte und es ein tiefes Vertrauen in beide Richtungen gab. Ansonsten hätten wir ggf. nicht das weiterentwickelt, was anfangs niemand benötigt.
Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir hatten das Glück, ein hervorragendes Middle-Management von erstklassigen Mitarbeitern aus meinem alten Netzwerk zu gewinnen. Als Gründer weiß man, dass man nichts weiß, sprich sich auf seine erfahrenen Mitarbeiter verlassen muss. Sehr früh ist zum Beispiel Jürgen Weichert zu uns gestoßen, CRO und Geschäftsführer, ein sehr erfahrener Manager, der die letzten sechs Jahre bei Google als Head of Strategic Partnerships tätig war und viel Wert beiträgt.
Wo steht Usercentrics in einem Jahr?
Wir haben das Ziel, im europäischen Markt als führendes Privacy Unternehmen die Kategorie Consent Management mit zu definieren. Hierzu gehört es, den Nutzern die Einwilligung möglichst einfach zu machen, und dennoch transparent darzustellen, so dass das Wahlrecht gewährleistet bleibt.
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