Warum und wie Datenschutz nicht nervig, sondern ein wertvolles Alleinstellungsmerkmal sein kann
“Um den Datenschutz kümmern wir uns später”, “Die DSGVO ist ein Bürokratiemonster”, “Wie sollen wir uns als junges Startup denn auch noch um den lästigen Datenschutz kümmern” – solche Töne hört man oft im Startup-Umfeld. Datenschutz als vermeintliches Hindernis und Hemmnis für Innovationen ist ein beliebtes Thema. Dabei wird andersherum ein Schuh daraus. Datenschutz kann für Unternehmen zum wichtigen Alleinstellungsmerkmal werden.
Die Gretchenfrage: Startups, nun sagt, wie habt ihr’s mit dem Datenschutz?
Wie sieht es also um den Datenschutz in der deutschen Startup-Landschaft aus? Die kurze Antwort lautet – durchwachsen. Eine Studie der Bitkom aus dem Jahr 2018 gibt erste Einblicke: Nur drei Wochen bevor die DSGVO von allen Unternehmen umgesetzt werden musste, hatten lediglich 9 Prozent der befragten Startups dies bereits abgeschlossen; bei fast der Hälfte der befragten Unternehmen gab es hingegen noch immensen Nachholbedarf: 32 Prozent hatten gerade erst damit begonnen, sich mit dem Thema zu befassen, 11 Prozent hatten noch gar nichts unternommen, 3 Prozent hatten noch nichts davon gehört und 1 Prozent hatte sich ganz bewusst dafür entschieden, nichts mehr zu unternehmen.
Was man hingegen häufig findet, sind Beschwerden über die DSGVO. Bevor man sich von diesem Beschwerdechor vereinnahmen lässt, sollte man sich allerdings fragen, ob sie auch gerechtfertigt sind. Ist denn vielleicht gar nicht so sehr der Datenschutz das Problem als vielmehr die Denkweise? Natürlich können Regularien wie die DSGVO als scheinbar unüberwindbare Hindernisse wahrgenommen werden und man kann sich vortrefflich darüber beschweren, dass die Umstellung Geld, Zeit, Kapazitäten und Nerven kostet – wenn man sich im Vorfeld nicht darum gekümmert hat. Denn wenn bereits von Beginn an Wert darauf gelegt worden wäre, datenschutzfreundliche Prozesse, Techniken etc. zu implementieren, müsste man auch nichts umstellen.
Die Beschwerden über vermeintlich umständlichen und teuren Datenschutz, der Innovationen hemme, ist also vielleicht doch nur ein indirektes Eingeständnis der eigenen schlechten Planung. Stattdessen sucht man die Sündenböcke woanders – und der Datenschutz kann sich eben nicht wehren, weshalb man fabelhaft auf ihn einhauen kann oder versucht, ihn zu ignorieren.
Push- und Pull-Faktoren für mehr Datenschutz werden größer
Dieses Verhalten ist gleichzeitig aus vielerlei Perspektiven sehr kurzsichtig: Zum einen kann es mittlerweile durch die DSGVO gegebenenfalls auch ernst zu nehmende finanzielle Folgen haben, wenn man als Unternehmen Nutzerdaten nicht ausreichend schützt. Zum anderen ignoriert man einen riesigen Trend und damit auch ein riesiges Potenzial.
So ist im b2b-Bereich zum Beispiel Datenschutz nicht nur ein Nice-to-Have, sondern ein absolutes Must-Have. Kann man hier als Startup nicht dafür garantieren, dass die eigenen Prozesse, Technologien und Produkte datenschutzfreundlich sind, katapultiert man sich selbst vom Spielfeld.
Auch im b2c-Bereich geht der Trend eindeutig in die Richtung mehr Datenschutz. Das Bewusstsein dafür, dass die eigene digitale Privatsphäre geschützt werden sollte, steigt. So sorgen sich nach aktuellen Zahlen 92 Prozent (!) der befragten Nutzer:innen weltweit um den Schutz ihrer Daten. Dies haben mittlerweile auch die Big Player der Branche erkannt. Tim Cook von Apple bezeichnete das Thema deshalb vor Kurzem als “one of the top issues of the century. We’ve got climate change – that is huge. We’ve got privacy – that is huge”. Dass Apple diesen Aussagen auch Taten folgen lässt, zeigen die strengeren Privatsphäreeinstellungen für iPhones.
Für Startups aus Deutschland und Europa kommt außerdem noch ein dritter, wichtiger Punkt hinzu: Die aktuelle Rechtsprechung wie beispielsweise Schrems II und die Strategie der EU-Kommission mit ihrer Digital Decade stellen Datenschutz – und generell die Ethik von Technologien – in den Mittelpunkt. Das Thema wird also nicht verschwinden, sondern im Gegenteil immer wichtiger werden. Mit anderen Worten: Die Push- und Pull-Faktoren für mehr Datenschutz werden immer größer.
Drei Schritte für Datenschutz als Alleinstellungsmerkmal
Wir Startups sind also gut dabei beraten, wenn wir Privacy als Alleinstellungsmerkmal erkennen und nutzen. Im ersten Schritt sollten wir dazu das eigentliche Problem an der Wurzel packen – nämlich die Denkweise: Betrachten wir Datenschutz nicht als Hindernis, was im Nachgang die Arbeit erschwert, sondern lasst uns den Datenschutz bereits bei der Entwicklung und Implementierung mitdenken.
Anschließend können wir sogar noch einen Schritt weiter gehen: Wenn wir smart sind, warten wir Startups deshalb auch nicht darauf, bis die Politik und Rechtsprechung Datenschutz bis ins letzte Detail durch Regularien abgedeckt hat, sondern arbeiten bereits jetzt proaktiv an neuen datenschutzfreundlichen Lösungen.
Und wenn dies heißt, dass wir ausgetretene Pfade verlassen müssen: umso besser! Nicht umsonst entstehen neue Ideen und Innovationen eben genau dort, wo der Status Quo nicht mehr hält und Kreativität gefragt ist. Oder um das Startup-Bullshit-Bingo zu bemühen: Wir müssen out of the box denken, um Privacy als USP umzusetzen. Dies kann zum Beispiel heißen, dass anstelle der üblichen KI neue dezentrale Technologien verwendet werden. So kann man KI trainieren, ohne Unmengen an Nutzerdaten zu sammeln, die man zunächst umständlich anonymisieren muss, um die Privatsphäre der User zu wahren.
Zukunftstechnologien aus Europa
Setzen wir dies konsequent um, können wir uns an die Spitze des gerade erst anlaufenden Trends machen, ein riesiges Wachstums- und Nutzerpotenzial nutzen und damit auch Europa zu einem Hotspot an datenschutzfreundlicher Technologie machen, der Strahlkraft in die ganze Welt hat.
Über den Autor
Leif-Nissen Lundbæk ist promovierter Informatiker und Mitgründer sowie CEO von Xayn. Er ist spezialisiert auf Cybersecurity sowie Privatsphäre-schützende Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI). Gemeinsam mit Professor Michael Huth und Felix Hahmann gründete er 2017 das Privacy-Tech-Unternehmen als Fortführung seines Forschungsprojektes zu Datenschutz und KI. Xayn entwickelt die gleichnamige sichere Suchmaschine, die Usern Kontrolle über die Suchalgorithmen bietet und transparent personalisierte Suchergebnisse liefert. Das Berliner Unternehmen gewann den ersten Porsche Innovation Contest und arbeitete bereits erfolgreich mit Porsche, Daimler, der Deutschen Bahn und Siemens zusammen.
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