#Interview

“Sobald ich am Schreibtisch sitze, geben Slack und Asana den Takt an”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Ich starte jeden Tag auf dieselbe Art: Kaffeetrinken im Wohnzimmer mit der Familie, für meinen zweijährigen Sohn gibt es einen Babyccino - heiße aufgeschäumte Milch", sagt Maria Spilka, Mit-Gründerin von Mädchenflohmarkt.
“Sobald ich am Schreibtisch sitze, geben Slack und Asana den Takt an”
Freitag, 5. März 2021VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Maria Spilka, Mit-Gründerin von Mädchenflohmarkt, einem Marktplatz für Second Hand-Klamotten.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Ich starte jeden Tag auf dieselbe Art: Kaffeetrinken im Wohnzimmer mit der Familie, für meinen zweijährigen Sohn gibt es einen Babyccino – heiße aufgeschäumte Milch. Das ist unser achtsamer Moment, bevor der Tages-Trubel losgeht. Mein Mann kümmert sich anschließend um unser Frühstück. Sobald ich am Schreibtisch sitze, geben Slack und Asana den Takt an. Da ich in Teilzeit arbeite und die meiste Kommunikation mit meinem Team asynchron stattfindet, gehe ich als erstes alle ungelesenen Slack-Threads und Mails durch, die dringend eine Antwort benötigen. Dann werfe ich einen Blick auf Asana und entscheide, worauf an diesem Tag mein Fokus liegen soll, um den größtmöglichen Impact zu erzeugen.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Mein Arbeitstag endet meist mit dem Kochen des Abendessens, am liebsten bei Musik und während mein Sohn fröhlich mithilft. Bewusst abzuschalten kommt bei mir leider manchmal zu kurz – aber ich arbeite daran. Wenn ich die nötige Zeit und Ruhe finde, nehme ich ein Bad, höre Gute-Laune-Podcasts wie „Happy, holy and confident“ oder lese ein Buch.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Ich habe in meiner Kindheit und Jugendzeit zwar beobachtet, wie mein Vater sein Unternehmen gegründet und aufgebaut hat – aber „nur“ dabei zu sein oder selbst zu gründen, sind einfach zwei völlig unterschiedliche Dinge. Das habe ich recht schnell festgestellt und musste dann lernen damit umzugehen, meine eigenen Erfahrungen sammeln und Rückschläge und Erfolge selbst durchleben. Aber auch, wenn die Zeiten der schlaflosen Nächte schon eine Weile hinter mir liegen, habe ich den existenziellen Druck, den man bei einer Gründung erfährt, tatsächlich unterschätzt.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Die Gründung an sich war tatsächlich der einfachere Part. Schwieriger war es, die richtigen Leute ins Team zu holen, aus einem Produkt ein Unternehmen aufzubauen, das Führen der Mitarbeiter:innen zu lernen und natürlich auch neue Investor:innen zu begeistern.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Als Fehler würde ich es nicht bezeichnen, aber ich habe definitiv unterschätzt beziehungsweise nicht ausreichend bedacht, dass die allerersten Mitarbeiter:innen quasi wie Mitgründer:innen sind und den Maßstab für jede:n weitere:n Mitarbeiter:in setzen. Das hat die Talentsuche in den ersten Jahren nicht unbedingt einfacher gemacht.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Wir haben unseren Recruiting-Prozess viele Male umgestellt. Seit einigen Jahren nun nutzen wir einen von Google inspirierten Prozess – näher beschrieben im Buch „How Google Works“ -: Nach einem ersten virtuellen Intro-Call durch unsere HR-Abteilung, gibt es ein bis zwei strukturierte und intensive Interviews mit zwei bis vier potenziellen, direkten Kolleg:innen anhand eines Fragebogens. Darin liegt der Schwerpunkt auf fachlichen Kompetenzen, Werten und bisherigen Erfahrungen sowie im zwischenmenschlichen Umgang und deren Reflektion. Eine der Fragen beispielsweise lautet: „Beschreibe bitte eine Situation, in der du verantwortlich warst, andere zu einer Veränderung zu bewegen. Wenn du es noch einmal tun müsstest, würdest du etwas anders machen?“ Anschließend wird das Gesagte in einem Debriefing nochmals diskutiert. Und da wir noch ein kleines Team sind, hat jede:r am Prozess beteiligte Kolleg:in ein Veto-Recht, ob die:der Kandidat:in eine Zusage bekommt. Wir haben zwar schon einige Aufsteiger:innen im Unternehmen, die wir in den vergangenen Jahren gezielt aufgebaut haben – wir sehen aber noch Entwicklungspotenzial, wenn es darum geht, Frauen in Führungspositionen einzustellen. Hier wollen und müssen wir besser werden.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Im Einzelnen kommt es natürlich darauf an, in welchem Stadium ihrer Gründung sie sich befinden. Zu Beginn lautet mein Rat immer „Einfach machen!“, später muss man lernen zu delegieren und „am“ Unternehmen und weniger „im“ Unternehmen zu arbeiten. Genauso wichtig ist es, zu lernen, sich auch Auszeiten zu gönnen, um nicht auszubrennen. Aber am Ende geht es als Gründer:in auch um den Fokus auf den größtmöglichen Impact: Erzähle und verbreite unentwegt deine Vision und dein „Why“ – was treibt dich an? Finde und halte die besten Talente. Stelle die Liquidität deines Unternehmens sicher.

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Für das kollaborative und oftmals asynchrone Arbeiten sind bei uns Google Workspace, Slack und Asana unerlässlich.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Im Grunde verbreiten meine Mitgründer Peter und Thorsten und viele andere Kolleg:innen immer gute Laune. Vor Ausbruch der Pandemie haben wir jeden Monat an den jeweiligen Standorten gemeinsam gefrühstückt. Ich bin eine totale Frühstücks-Liebhaberin und unsere Pancake-Towers haben nicht nur mich, sondern auch das Team, glücklich gemacht. Bis wir uns alle wieder im Büro wiedersehen können, machen wir regelmäßig eine virtuelle Tea-Time oder ein Zoom-Mittagessen. Jedes Quartal gibt es ein Team-Event, wenn wir unsere Ziele erreicht haben – zuletzt fand dieses digital statt, zuvor aber waren wir beispielsweise Gokart fahren oder Lasertag spielen.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Wirklich wild wird es eigentlich immer, wenn man mit meinem Mitgründer Thorsten auf Reisen ist. Er hat nicht umsonst den Spitznamen “Reisemonster”, da wirklich immer etwas schief geht, wenn man mit ihm unterwegs ist. Von gecanceltem Flieger bis hin zu gebuchten Hotels im falschen Bundesstaat mitten im Nirgendwo in Arkansas. Da war schon alles dabei. Nur gut, dass wir ohnehin kaum noch reisen.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

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Foto (oben): Mädchenflohmarkt