#Interview
“Ich habe einmal nicht auf mein Bauchgefühl gehört – und viel Geld verloren”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Anna-Sophia Kouparanis, Gründerin von Algea Care, einem Startup, das sich um die Behandlung chronischer Krankheiten auf Cannabisbasis kümmert. Zuvor zog Kouparanis Ilios Sante, einen pharmazeutischen Großhändler hoch.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Zu aller erst bereite ich mir in Ruhe einen Smoothie zum Frühstück zu. Wenn ich den trinke, lese ich die ersten E-Mails und priorisiere bereits To-dos für den Tag. Abhängig davon wie eng mein Morgen getaktet ist, habe ich Zeit für einen Workout oder gehe nach dem Frühstück direkt ins Office.
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Ich bin begeisterte Hobbyköchin und zaubere mir meist nach der Arbeit ein leckeres Abendessen. Das ist auch der Moment, bei dem ich komplett abschalte und nebenbei Musik höre. Erst nach dem Essen widme ich mich, an einigen Tagen, nochmal der Arbeit – bin noch in dem ein oder anderen Call oder schreibe noch E-Mails. Die vorherige Pause ist wesentlich für diese erneute Konzentrationsphase.
Was über das Gründer-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Als erste Mitarbeiterin im Unternehmen meines Bruders habe ich live miterlebt, was es heißt ein Unternehmen zu gründen und binnen eines Jahres zum Exit zu führen. Entsprechend war ich für meinen nächsten Schritt als Gründerin sehr gut vorbereitet.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Pharmazeutisches Cannabis ist ein streng reguliertes Geschäft. Wir handeln mit einem Betäubungsmittel. Ich war deutschlandweit die erste Frau, die einen Großhandel für pharmazeutisches Cannabis gegründet hat. Alle erforderlichen Lizenzen zu erhalten, war ein anspruchsvolles Unterfangen. Für mich war vergangenes Jahr aber auch klar, dass die aktuelle Herausforderung nicht mehr in Produktion und Vertrieb von medizinischen Standards entsprechendem Cannabis besteht, also EU GMP zertifiziert, sondern der derzeitige Pain Point der Patienten vielmehr der Zugang zu ärztlicher Expertise für Cannabinoid basierte Therapien ist. Mit Julian Wichmann habe ich einen Facharzt und absoluten Experten für Cannabis-Therapien als Mitgründer gewinnen können.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Ich habe einmal nicht auf mein Bauchgefühl gehört – und dadurch viel Geld verloren. Das gehört zum Lernprozess dazu. Für mich gilt seitdem mehr denn je: Vertraue bei Business Entscheidungen nicht nur Zahlen, Fakten und Daten, sondern auch auf dein Bauchgefühl.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Gerade in der Anfangsphase ist das persönliche Netzwerk entscheidend: Kontakt zu den besten Mitarbeitern erhältst du oft über eigene Kontakte oder über Freunde und Ex-Kollegen. Wichtig ist, dieses Netzwerk auch zu aktivieren. Außerdem kann ich für Start-Ups die Plattform Indeed empfehlen. Anzeigen sind kostenfrei und Unternehmen erhalten Bewerbungen von sehr qualifizierten Kandidaten. Algea Care haben wir im Juni gegründet, sind im September in Frankfurt gestartet – und verfügen inzwischen über ein 45-köpfiges Team, darunter auch 15 Ärzte. Ohne unsere eigenen Netzwerke hätten wir in so kurzer Zeit nicht so viele qualifizierte Mitarbeiter einstellen können.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
Baut euch ein gutes Netzwerk in eurem Bereich auf – und zwar nicht erst, wenn ihr euch entscheidet zu gründen, sondern schon vorher. Gute Partnerschaften sind für junge Unternehmen das A und O. Und verhaltet euch in jedem einzelnen Meeting professionell – die Business-Welt ist sehr klein. Ich verspreche, dass man sich mehr als zweimal über den Weg läuft. Das gilt umso mehr in unserer noch recht jungen pharmazeutischen Cannabis-Industrie, die erst im März 2017 mit dem Gesetz „Cannabis als Medizin“ ins Rollen gekommen ist.
Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Bei Algea Care sind wir auf viele Tools angewiesen. Sei es für die Zahlungsabwicklung, das Onboarding der Ärzte und Patienten oder deren Videosprechstunden in den Folgetermin der laufenden Behandlung. Vermutlich ist für uns als Telemedizin-Anbieter ein Praxentool am wichtigsten. Für uns ist zudem die Interoperabilität der Tools entscheidend, damit Ärzte Zeit mit ihren Patienten verbringen können. Als kleiner Exkurs: Für viele Ärzte ist das Verschreiben von medizinischem Cannabis mit hohem Aufwand verbunden. Wir haben diesen Prozess weitestgehend digitalisiert und automatisiert. Außerdem optimieren und individualisieren wir unsere Therapien fortlaufend basierend auf den vorliegenden Patientendaten. Um es kurz zu machen: Ein Tool alleine wird dir nicht weiterhelfen, aber der intelligente Mix wird dir als Unternehmer ermöglichen, dich voll und ganz deinen Kunden, in unserem Falle unseren Patienten, zu widmen.
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Unser Office Hund “Pretzel” wird von jedem geliebt und sorgt für Abwechslung – wenn wir durch die aktuellen Sicherheitsmaßnahmen denn im Office sind. Ansonsten natürlich unsere beachtlichen unternehmerischen Erfolge: Seit September haben wir nach Frankfurt auch Anlaufstellen in München, Berlin, Köln und Hamburg eröffnet. Und, was auf keinen Fall fehlen darf, ist das Feedback der Patienten, viele von ihnen leiden seit Jahren an chronischen Beschwerden und teilen unseren Ärzten häufig mit, wie sehr ihnen unsere Behandlungen helfen.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Ich habe bei Farmako den Startup-Zyklus im Schnelldurchlauf durchlebt: von der Gründung, über das erste große Investment, rasche Lizenzierung nicht nur in Deutschland, sondern auch in Großbritannien, mittlere sechsstellige Monatsumsätze in kurzer Zeit, und letztendlich dem achtstelligen Verkauf der Firma. Und das alles in nicht einmal einem Jahr. Mein wohl wichtigstes Learning für die eigene Selbstständigkeit aus dieser Zeit: Das Gründerteam, Investoren und deine engen Partner sind extrem wichtig und tragen einen großen Teil zum Erfolg einer Firma bei. Schnelligkeit ist zwar essentiell für ein Start-Up, gesundes Wachstum aber mindestens genauso wichtig. Bei Algea Care finanzieren wir uns aktuell komplett aus eigenen Mitteln und monatlichen Umsätzen. Auch wenn wir jeden Monat einen neuen Standort eröffnen konnten, hat die Zufriedenheit unserer Patienten*innen und der Full-Service-Ansatz oberste Priorität. Wir beantworten alle Anfragen binnen 24 Stunden online, Termine vergeben wir innerhalb von vier Tagen und vor allem schulen wir unser Ärzteteam gründlich für Cannabis spezifische Therapien und auch für andere natürliche Arzneimittel.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.
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