#Interview

“Wir hatten eine Lieferung bei unserem Investor, welche leider komplett schief gelaufen ist”

Lendis vermietet Büroausstattung. Inzwischen kann das Startup, das 50 Mitarbeiter:innen beschäftigt, 700 Kunden vorweisen. "Unsere Vision ist es, in Europa der führende Anbieter von Ausstattung für Unternehmen zu werden", sagt Gründer Julius Bolz.
“Wir hatten eine Lieferung bei unserem Investor, welche leider komplett schief gelaufen ist”
Freitag, 12. Februar 2021VonAlexander Hüsing

Das Berliner Startup Lendis, das 2018 von Julius Bolz und Stavros Papadopoulos gegründet wurde, bot seinen Kunden – Unternehmen und Gewerbetreibenden – zum Start unter anderem Tische, Stühle und Kaffeemaschinen gegen eine monatliche Gebühr an. “Mittlerweile bieten wir auch Technik, Elektrogeräte und viele verschiedene Services an, quasi den kompletten Arbeitsplatz im Büro oder im Homeoffice”, sagt Mitgründer Bolz.

Inzwischen verfügt das Startup, das unter anderem von HV Capital, DN Capital und Picus Capital unterstützt wird, über 700 Kunden. Lendis beschäftigt aktuell über 50 Mitarbeiter:innen. Im vergangenen Jahr konnte die Jungfirma ihren Umsatz im Vergleich zu 2019 verdreifachen. “Bis Ende 2021 wollen wir unsere Mitarbeiterzahl verdoppeln und alle Weichen für weiteres Wachstum in 2022 stellen”, führt Bolz aus.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Lendis-Macher außerdem über Remote Working, Flexibilität und Logistikpartner.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Lendis erklären?
Lendis bietet Unternehmen eine Software, mit der sie ihre gesamte IT – etwa Laptops und Smartphones – sowie Ausstattung – etwa Arbeitsplätze – digital verwalten und auf monatlicher Basis mieten können. Mit unserer Lösung können Unternehmen ihr gesamtes Inventar online managen, Mitarbeiter on- und offboarden, Reparatur- und Wartungsanfragen stellen oder per Klick Ausstattung hinzumieten und kündigen.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Absolut! Ähnlich zu Amazon haben wir bei unserem Start 2018 mit einer einzigen Kategorie – den Büromöbeln – angefangen und dann im Laufe der Zeit unser Portfolio konsequent erweitert. Mittlerweile bieten wir auch Technik, Elektrogeräte und viele verschiedene Services an, quasi den kompletten Arbeitsplatz im Büro oder im Homeoffice. Die größte Veränderung war aber definitiv der Launch der Lendis-Plattform im letzten Jahr. Wie schon kurz angesprochen vereinfacht diese Software alle Prozesse, die rund um das Management von Arbeitsplätzen entstehen. Damit kommen wir unserer Vision, zukünftig das Betriebssystem der Arbeit zu werden, einen großen Schritt näher: Bei uns kann man alles mieten, was man zum Arbeiten benötigt, wir kümmern uns um alle notwendigen Services, zum Beispiel Lieferung, Montage oder Versicherung und man kann das alles über unsere Software einfach und transparent managen. Damit sind wir sozusagen das Pendant zur HR-Software Personio für Equipment.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Die Corona-Krise hat uns alle natürlich vor neue Herausforderungen gestellt. Wir und unsere Kunden sind quasi gezwungen, Themen wie Remote Working und Homeoffice deutlich früher und schneller zu lösen, als dies normalerweise der Fall gewesen wäre. Laut einer Fraunhofer-Studie hat COVID-19 die Digitalisierung des Arbeitsplatzes um mehr als 15 Jahre beschleunigt und sowohl Experten, als auch Unternehmen und Arbeitnehmer sind sich einig, dass diese Entwicklung auch über Corona hinaus Bestand haben wird. Diesen Schub haben wir auch bei Lendis gemerkt und gerade in den letzten Monaten sind viele Kunden explizit auf uns zugekommen, um das Thema Homeoffice oder auch Device-as-a-Service für ihre Mitarbeiter zu ermöglichen. Hier kommen sowohl unsere Produkte als auch unsere Software voll zum Einsatz: unsere Kunden haben auch bei hohen Mitarbeiterzahlen jederzeit den Überblick über die Ausstattung, auf eigener Seite aber keinen Aufwand damit, die Komplexität der vielen Lieferungen etc. abzubilden. Das Mietmodell bietet dabei die notwendige Flexibilität und die Vermeidung hoher Vorabinvestitionen, die beim Kauf nicht möglich sind.

Wie ist überhaupt die Idee zu Lendis entstanden?
Mein Mitgründer Stavros und ich haben uns während unserer Arbeit für die Unternehmensberatung BCG kennengelernt. Bei mehreren gemeinsamen Projekten für deutsche Mittelständler und Konzerne haben wir immer wieder gesehen, dass das Management der Ausstattung für Mitarbeiter extrem aufwendig war. Alle Beteiligten wie etwa HR, IT und Facility Management beschäftigen sich dabei immer wieder mit denselben lästigen Prozesse: die richtige Ausstattung kaufen, viele Lieferanten koordinieren, manuelle Erfassung und Durchführung administrativer Prozesse – dazu kommt die fehlende Transparenz und Flexibilität. Im Sommer 2018 haben wir dann angefangen zu testen, ob es für ein Mietmodell eine Nachfrage gibt, und bei der positiven Resonanz unserer ersten Kunden ist Lendis dann ziemlich schnell gewachsen und wir haben die Idee weiterentwickelt.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Die Elektronik- und die Möbelindustrie sind in vielen Belangen veraltet. Die meisten Prozesse sind heutzutage noch immer komplett manuell und sehr aufwändig. Mit unserer Software – der Lendis Plattform – revolutionieren wir diese Industrie, denn komplette Arbeitsplätze – inklusive Laptops, Smartphones, Möbel – sind nun per Klick mietbar, verwaltbar und beinhalten einen Komplettservice. Als Beispiel: Früher musste ich mehrere Emails schreiben und Telefonate führen, um für einen Mitarbeiter der in zwei Wochen anfängt, die richtige Ausstattung zu bestellen und diese rechtzeitig zu erhalten. Über unsere Plattform ist der Onboarding Prozess in wenigen Sekunden für diesen Mitarbeiter erledigt. Dabei ist der gesamte Service schon enthalten: Auslieferung, Aufbau, Reparaturen, Versicherung, Klimaneutralität, etc. Für diesen Service berechnen wir eine Gebühr. Zusätzlich verdienen wir auch an der Vermietung der Gegenstände, die wir für unsere Kunden quasi “vorfinanzieren”.

Wie hat sich Lendis seit der Gründung entwickelt?
Lendis wurde im Juli 2018 gegründet. Seitdem konnten wir stark wachsen und haben mittlerweile über 700 Kunden in Deutschland und Österreich von unserer Lösung überzeugen können – zum Beispiel die Lufthansa, Volkswagen, Amway, Toyota, Hochtief, Carl Zeiss, ABB, Sparkasse, WWF, Raisin und vielen mehr. Auf unserer Mission, die Zukunft der Arbeit vollumfänglich zu digitalisieren, werden wir dabei von drei VC-Investoren unterstützt: HV Capital, DN Capital und Picus Capital. Diese sind auch bei anderen bekannten Startups investiert sind wie zum Beispiel Flixbus, Zalando, home24, Auto1 und vielen mehr.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Lendis inzwischen?
Lendis beschäftigt aktuell über 50 Mitarbeiter und bedient über 700 Kunden in Deutschland und Österreich. Dabei haben wir unseren Umsatz im letzten Jahr trotz Covid im Vergleich zu 2019 verdreifachen können.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wir hatten eine Lieferung Ende 2018 bei unserem Investor, welche leider komplett schief gelaufen ist. Der Liefertermin war nicht ordentlich kommuniziert, es haben Produkte gefehlt und die Monteure waren nicht ordentlich auf die Produkte geschult. Es ist also so gut wie alles schief gelaufen, was hätte laufen können. Im Nachhinein war es für uns jedoch ein Segen, denn wir haben daraus vieles gelernt: Wir haben verstanden, dass unser Service viel stärker auf digitalen Tools basieren muss, dass wir unsere Logistikpartner sorgfältiger auswählen und schulen müssen und wir unser Produktportfolio ständig verbessern müssen.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Beim Teamaufbau – das wichtigste ist die enge Zusammenarbeit in einem super Team. Mit einem guten Team lassen sich viele Herausforderungen eines Startups meistern. Daher investieren wir viel Zeit in die Suche und Auswahl der richtigen Talente, um eine starke Unternehmenskultur aufzubauen. Uns ist dabei besonders wichtig, Personen für unser Team zu gewinnen, die unternehmerisches Denken mitbringen.

Wo steht Lendis in einem Jahr?
Bis Ende 2021 wollen wir unsere Mitarbeiterzahl verdoppeln und alle Weichen für weiteres Wachstum in 2022 stellen. Dabei wird die Lendis Plattform die entscheidende Rolle spielen! Dieses Jahr werden viele weitere Features hinzukommen, die den Arbeitsplatz der Zukunft unterstützen werden. Zusätzlich werden wir unsere Umsätze in IT-Hardware und Software weiter vorantreiben. Mittelfristig ist auch geplant, dass wir unsere Lösung in weiteren Ländern in Europa anbieten – etwa in U.K. oder Frankreich, wo Unternehmen heute schon ähnlichen Problemen wie in Deutschland begegnen aber noch keine geeignete Lösung haben. Unsere Vision ist es, in Europa der führende Anbieter von Ausstattung für Unternehmen zu werden.

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Foto (oben): Lendis

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.