5 Tipps, die Healthcare-Startups beachten sollten
Die Pandemie hat uns schonungslos vor Augen geführt, welchen Flickenteppich wir in Deutschland in Sachen Digitalisierung des Gesundheitswesens in den letzten Jahren ausgelegt haben. Gleichzeitig sehen wir, dass die Politik zunehmend darum bemüht ist, diesen Zustand zu verändern. Healthcare-Startups werden dabei eine immer wichtigere Rolle als Innovatoren spielen. Da sie sich aber in einem besonderen Ökosystem bewegen, unterliegen sie teilweise anderen Marktbedingungen als klassische Startups. Fünf Dinge, auf die Healthcare-Startups achten sollten:
Berücksichtigt den Investitions-Lifecycle bei der Investor:innensuche
Der Investitions-Lifecycle eines Startups wird üblicherweise vom Zusammenspiel aus Risiko, Investmentvolumen und Umsatz abgebildet. Diese drei Faktoren hängen wiederum maßgeblich vom Geschäftsmodell, den Marktgegebenheiten und den Skalierungsmöglichkeiten des Startups ab. Von Idee/Konzept bis Marktreife durchläuft ein Startup in der Regel die gleichen Phasen. Im Vergleich zu einem klassischen E-Commerce-Startup ist der Lifecycle bei einem Healthcare-Startup jedoch doppelt so lang – sechs bis zehn, statt drei bis fünf Jahre –, weil Healthcare-Startups teilweise anderen Marktbedingungen unterliegen: Das Gesundheitswesen ist hochkomplex, die Zahlungsbereitschaft für medizinische Dienstleistungen lässt sich aufgrund der vielen mittelbaren Marktakteure nur schwer testen und die regulatorische wie medizinische Validierung kosten viel mehr Zeit und Geld. Das hat zur Folge, dass das Risiko eines Investments höher und die Produktentwicklungsphase länger ist, was wiederum Auswirkungen auf das erhöhte Investitionsvolumen und die verspätete Umsatzerzielung hat.
Sucht Euch Investor:innen, die ein spezialisiertes Health-Investment-Team haben
Die obigen Gründe machen deutlich, dass es sinnvoll ist, Investor:innen zu wählen, die sich über diese Besonderheiten im klaren sind. Die üblichen Wachstums- und Marketing-Reportings, die Gründer:innen aus anderen Branchen kennen, werden Healthcare-Startups an den Rand der Verzweiflung bringen. Die rechtlichen Anforderungen wiederum, mit denen Startups aus dem Medizinbereich vertraut sind, sind Investoren aus dem Digital- oder E-Commerce-Bereich gänzlich unbekannt. Es braucht realistische Vorgaben von Investor:innen, die einen darüber hinaus mit ihren Verbindungen zum Gesundheitsmarkt und der Politik in entscheidenden Phasen der Zertifizierung helfen können. 200.000 Euro für eine Performance-Marketing-Kampagne, um Prototypen zu testen, reichen im Gesundheitsmarkt nicht aus. Stattdessen braucht es sehr viel mehr Geld für Vertrauens- und Validierungs-KPIs.
Entwickelt frühzeitig belastbare Validierungs-KPIs
Startups, die im Healthcare-Markt unterwegs sind, brauchen frühzeitig belastbare Validierungs-KPIs. Diese helfen ihnen bei der Zertifizierung für die Erstattung und der Glaubwürdigkeit gegenüber Ärzt:innen als Intermediäre. Denn Ärzt:innen und vor allem Krankenkassen sind die Gatekeeper im Gesundheitsmarkt, die es zu überzeugen gilt. Das geht bei vielen Digital Health Lösungen nur über klinisch wissenschaftlich durchgeführte Langzeitstudien, die sehr zeit- und kostenintensiv sind. Möchte man beispielsweise über die DiGA-Zertifizierung als “App auf Rezept” in die Erstattung aufgenommen werden, ist dies nur dann langfristig möglich, wenn man mittels Studien die Wirksamkeit der App validieren kann.
Versteht die Abhängigkeit zu Leistungserbringer:innen
Die oben angesprochene Abhängigkeit zu Intermediären wie Krankenkassen und Ärzt:innen macht deutlich, wie sehr Healthcare-Startups von den Leistungserbringer:innen im Gesundheitswesen abhängig sind. Das hat weitreichende Folgen – nicht nur für die Produktentwicklung, sondern auch für die Vermarktung. Nur wenn ein:e Ärzt:in die zu verschreibende App als valide ansieht, wird er/sie diese den Patient:innen auch verschreiben. Dafür braucht ein Startup zuerst natürlich die Zulassung und belastbare Studien. Gleich danach aber müssen eben auch ein Vertriebsmodell und eine Vertriebsmannschaft her. Das Team stellt sicher, dass Ärzt:innen wie Krankenkassen von dem Produkt und Wirksamkeit wissen. Viele Startups scheitern aktuell daran, diesen langsamen, sehr komplexen B2B-Vertriebsprozess nicht zu Ende zu denken. Wer das unterschätzt, dem geht vor der Ziellinie das Geld aus.
Habt jemanden im Team, der den Markt kennt
All die vorherigen Punkte machen deutlich, dass der Gesundheitsmarkt sehr komplex ist. Der größte Ratschlag, den ich einem angehenden Healthcare-Startup deshalb geben kann: Baut Euch ein Team auf, das neben Digital-Kompetenzen auch eine starke Expertise für den Markt besitzt und ihn aus vorherigen Berufserfahrungen bereits kennt! Hier geht es im Moment vorrangig um Expertise hinsichtlich der Zertifizierungen und klinischen Studien. Aber auch um Vertriebserfahrung mit den jeweiligen Leistungserbringer:innen oder Versicher:innen. Es ist eben schon etwas anderes, wenn man mit einem Krankenhaus, einer Pflegeeinrichtung oder der Rentenversicherung spricht. Deshalb: Erweitert Eurer Netzwerk, stellt Fragen, sucht den Austausch zu regulatorischen Instanzen, wie dem health innovation hub. Baut ein Team auf, das eine Leidenschaft für den Markt und nicht nur für das Thema “digital” besitzt. Denn: Der deutsche Gesundheitsmarkt steht vor einem enormen Umbruch. Innovative Startups, die diesen Umbruch proaktiv mitgestalten, können wir allemal gebrauchen.
Tipp: Digitale Gesundheitsanwendungen – Wie Startups die wichtigsten Hürden überwinden können
Über die Autorin:
Luisa Wasilewski ist Digital-Health-Expertin beim Brainwave Hub und hat gemeinsam mit dem Handels-Experten Nils Seebach das Healthcare-Fachbuchs „Digitaler Puls“ geschrieben. Wasilewski hat sich als Expertin im Digital-Health-Bereich etabliert und bringt Einblicke sowohl in die Investorenseite als auch die Unternehmerseite digitaler Lösungen im Gesundheitswesen mit. Ihre Erfahrungen hat sie gemeinsam mit dem Digitalexperten Nils Seebach im Healthcare-Fachbuch „Digitaler Puls“ verarbeitet, dass vor Kurzem erschienen ist.