#Gastbeitrag

Startups und Mittelstand – geht das auch in gut?

Für den Mittelstand sind Start-ups essenziell, um am Puls der Entwicklung zu bleiben. Die Möglichkeiten sind vielfältig: ob durch eine Beteiligung, eine Kooperation oder die Auslagerung von Prozessen – immer fließt auch Know-how in das eigene Unternehmen zurück.
Startups und Mittelstand – geht das auch in gut?
Montag, 7. Dezember 2020VonTeam

Die deutsche Startups-Landschaft und der Mittelstand erleben geraden so etwas wie eine zweite Chance. Beim ersten Mal, als hierzulande die ersten Firmen aus der Rocket-Internet-Schmiede aus dem Boden schossen, bewegte man sich in der deutschen Provinz, da, wo sich das Rückgrat der Wirtschaft befindet, zwischen Überheblichkeit und Ignoranz. So ganz konnte man die Newcomer „ohne echte Produkte“ doch nicht ernst nehmen.

Das ändert sich gerade. Es gibt Austausch und Bewegung, Mittelständler investieren in Startups, gründen Spin-offs, oft nachdem sie oder eine Führungsmannschaft sich in den vergangenen Jahren im Silicon Valley umgeschaut haben. Hier lernten sie plötzlich: „Hardware is hard“. Software ist hier der Stoff der Gründerträume und gleichzeitig erinnert die Goldgräberstimmung an den Esprit der Generation von Pionieren, die in Deutschland die heutigen Marktführer aus dem Boden gestampft haben. Es entstehen Kooperationen und neue Formen des gegenseitigen Knowledge Transfers. Das ist wichtig. Ich habe selbst im Silicon Valley direkt in einige Startups als Angel investiert. Jetzt arbeite ich vorrangig mit mittleren Investmentfonds. Über die Investmentfonds gehe ich mehr in Software. Zusätzlich kann ich auch in spätere Phasen investieren. Das wichtigste ist neben dem richtigen Team ein überzeugendes Geschäftsmodell, das global möglichst ohne variable Kosten skalieren kann. Da ist Software natürlich im Vorteil, aber wir erleben auch Hardware, die abgeht wie eine Rakete.

Innovation sichert das Überleben. Das gilt nicht nur für die Geschäftsidee eines Star tups. Das gilt ebenso für den Mittelstand. Wo sie sich unterscheiden? Ein Startup wird mittlerweile geradezu schablonenartig so gebaut, dass sich der Exit in etwa fünf Jahren skizzieren lässt. Ein Mittelstandsunternehmer will die Firma hingegen an die nächste Generation weitervererben. Der eine will – überspitzt formuliert – Schnellig keit, der andere Genauigkeit. Oder noch zugespitzter: Hier der Disruptor, da der Tüftler. Nicht wenige Start-ups geben öffentlich die Parole aus, uns, den Markführer im Bereich Temperierung, alsbald abhängen zu wollen. Mit agiler und intelligenter Technologie gegen unsere Jahrzehnte lang bei uns beschäftigen Ingenieure. Dieses Spannungsfeld ist bedeutend. Wie also sollen sie zusammenfinden, Start-ups und Mittelständler?

Beide müssen ihre Vorbehalte und offen gesprochen auch ihre Arroganz ablegen.

Für den Mittelstand sind Start-ups essenziell, um am Puls der Entwicklung zu bleiben. Die Möglichkeiten sind vielfältig: ob durch eine Beteiligung, eine Kooperation oder die Auslagerung von Prozessen an die Neugründer – immer fließt auch neues Know-how in das eigene Unternehmen zurück.

Start-ups wiederum treffen in Deutschland mit dem in großen Teilen inhabergeführten Mittelstand auf starke Partner und Teilhaber, die an einer langfristigen Zusammenarbeit eher interessiert sind als am schnellen Profit.

Es folgt daraus eine Gemeinsamkeit: Beide, Gründer*in und Mittelständler*in treibt eine größere Kraft an, als einfach nur gute Zahlen zu schreiben. Die Dilemmas des Mittelstands heute, sich zwischen Kerngeschäft und Innovation zu bewegen und da bei stets zu adaptieren – was bedeuten Netzwerkökonomie und Plattformen für uns und unser Geschäftsmodell? – sind Herausforderungen, denen für die Start-ups Lösungen entwickelt haben. Nun gilt es, dass uns die Adaptation des Silicon Valleys in der deutschen Provinz gelingt.

Tipp: Sebastian Borek (Founders Foundation) entzaubert das Szenethema Startups und Mittelstand

Über den Autor
Gunther Wobser ist Mitglied von Band of Angels, Mittelstandsunternehmer und Buchautor. In seinem Buch “Neu erfinden: Was der Mittelstand vom Silicon Valley lernen kann” zeigt er unter anderem: Startups und der Mittelstand operieren vor völlig unterschiedlichen Realitäten.

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Foto (oben): Shutterstock