Öffentlich im Fegefeuer – warum Startups so oft in der PR-Hölle landen
Was wir vorweg festhalten können: Gründer*innen haben meist keinen blassen Schimmer von PR. Sie verstehen die Disziplin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nicht. Sie wissen nicht, wie Journalist*innen arbeiten, was eine gute Geschichte ausmacht. Sie wissen auch nicht, welche wirtschaftliche, aber auch gesellschaftliche Aufgabe PR erfüllen kann – und welche eben nicht.
Die gute Nachricht ist: Das ist auch gar nicht schlimm. Wer ein Startup aufzieht – das nichts mit Medien zu tun hat – muss keine Ahnung haben, wie Öffentlichkeitsarbeit funktioniert. PR ist ein Handwerk, wie jedes andere. Das muss man lernen. Und das haben die wenigsten. Zum Glück gibt es dafür Fachleute, Presseabteilungen oder Agenturen, die den Gründer*innen diese Arbeit abnehmen oder als Teammates an ihrer Seite stehen.
In Agenturen zum Beispiel sitzen Leute, die einen Überblick darüber haben, welche Formate und Kanäle für ein Startup wichtig sein können. Um einen guten Service bieten zu können, arbeiten sie im besten Falle eng mit den Gründer*innen zusammen – und suchen mit ihnen gemeinsam sowohl nach den passenden Geschichten, als auch nach den für sie passenden Medien.
Gerade in Zeiten, mit stetig steigenden medialen Angeboten, einer krassen Flut an Informationen, ist es für Außenstehende schwer, den Überblick zu behalten. PR-Fachleute helfen Gründer*innen dabei, die richtigen medialen Ansprechpartner*innen zu finden. Mehr noch: Bevor es darum geht, Informationen in die Öffentlichkeit zu bringen, ist es wichtig, die eigene Zielgruppe zu identifizieren. Hier ist ein gutes Erwartungsmanagement wichtig – denn Journalist*innen, die als Katalysatoren für die eigene Story dienen können, brauchen ebenfalls Einordnung.
Schiefes Bild von Medienarbeit
Man kann die Geschichte ja auch umdrehen: Journalist*innen sind keine Gründer*innen. Sie können nur darüber berichten, was sie wissen und sie suchen sich die Storys aus, die für ihre Leser*innen interessant sind. Wir “Agenturmenschen” schließen diese Lücke. Im besten Fall zugunsten beider Seiten.
Ich stelle immer wieder fest, dass Gründer*innen ein falsches Bild davon im Kopf haben, wie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit funktioniert. Und ich glaube, dass das langfristig zu einem Vertrauensverlust führen kann. Auf der anderen Seite können Journalist*innen meiner Meinung nach schnell das Interesse verlieren, wenn Startups nicht klar kommunizieren.
Ich erlebe das täglich – die Anfragen, die Gründer*innen an uns schicken, sind ein guter Indikator für die Verwirrung darüber, was PR und Pressearbeit leisten kann. Das soll überhaupt nicht zynisch klingen und wir arbeiten immer mit der Prämisse im Hinterkopf, dass die Arbeit kompliziert ist, dass sie Fingerspitzengefühl benötigt und Geduld.
Trotzdem hier ein paar Beispiele für Anfragen, die so oder so ähnlich bei unserer Agentur ankommen. Und ich hoffe inständig, dass Journalist*innen das so nicht zu lesen bekommen:
· “Hallo, ihr macht doch PR. Könnt ihr unsere Pressemitteilung über unseren neuen Produktlaunch bitte prominent im Handelsblatt platzieren?”
· “Corona ist ja ein großes Thema in den Medien. Wir wollen dazu auch was sagen, um die Welle für uns zu nutzen.”
· Das ernüchternde Highlight: “Unser Wettbewerber ist immer in den Medien, dabei ist unsere Technologie viel weiter und besser. Könntet ihr in der Presse platzieren, dass ihr Produkt fehlerhaft ist? Dazu haben wir viele Informationen.”
Der Weg aus der “PR-Hölle”: People, people, people!
Menschen nutzen Medien aus zwei Gründen: Sie wollen informiert, vor allem aber unterhalten werden – am besten gleichzeitig. Das Angebot an Informationen und Unterhaltung ist riesig. Die Frage ist also: Was bleibt im Kopf? Drei Zauberwörter kann man sich hier merken: People, People. People. Und natürlich – Emotionen.
Nüchtern gesagt, sind es die Faktoren, die hängen bleiben. Gründer*innen müssen sich also fragen, was Menschen an ihnen als Personen interessieren könnte – in fast keinem Fall “ das Produkt” die Antwort. Dabei ist es wichtig, die eigene Geschichte immer wieder kritisch zu hinterfragen. Eine Frage, die man sich immer wieder stellen muss, ist: Ist ein Aspekt nur für mich als Unternehmer*in wichtig, oder auch für die Leser*innen, die ich erreichen will? Lernen die Menschen dadurch etwas, das sie in ihrem Alltag gebrauchen können? Lösen wir ein Problem – oder mit mehr Pathos gesprochen: Verändern wir damit die Welt?
Hunderte Anfragen am Tag
Diese Fragen wirken auf den ersten Blick redundant, sie sind es aber keinesfalls. Denn Öffentlichkeitsarbeit erreicht nicht nur potenzielle Kund*innen, sondern auch Investor*innen – und gerade hier wird klar, warum man selbst sein schärfster Kritiker sein muss, wenn man den Schritt nach draußen wagt. So lassen sich auch Journalist*innen erreichen, die jeden Tag hunderte Anfragen von PR-Buden und Unternehmen in ihren Postfächern haben. Schlichte Updates ziehen da schon lange keinen Hering mehr vom Teller. Just sayin’.
Mein Appell ist daher: Wer sich als Gründer*in an die Öffentlichkeit wendet, sollte sich sehr genau überlegen, was er sich davon verspricht. Das Eingeständnis, wenig Ahnung von Medienarbeit zu haben, ist keine Schande. Im Gegenteil: Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Holt euch Hilfe, lasst euch beraten, sucht euch im besten Fall einen Profi, der versteht, was ihr braucht. So vermeidet ihr Frust im Umgang mit Medien – und oft kann medialer Schaden vermieden werden, noch bevor er entsteht. Ich weiß, dass der Glaubenssatz „Einfach machen“ tief in vielen Startups verankert ist, in den meisten Fällen ist das gut. Hier nicht. Um die Öffentlichkeit zu erreichen, braucht man einen Plan, eine Taktik – und natürlich die richtige Story, die in jedem Menschen zu finden ist.
Über den Autor
Jannis Johannmeier ist Co-Founder und Geschäftsführer bei der PR-Agentur TheTrailblazers mit Sitz in Bielefeld und Berlin. Jannis ist erfahrener Kommunikations-Experte, der sein journalistisches Werkzeug bei der BILD gelernt hat. In den letzten Jahren hat er die Kommunikation der Founders Foundation und der Hinterland of Things Conference aufgebaut und verantwortet. Er ist Anhänger einer offenen, ehrlichen und authentischen Kommunikationskultur und denkt jede Marke aus der “Menschperspektive” heraus.
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