Von Alexander Hüsing
Montag, 9. November 2020

Mambu: Von der Studienarbeit zum millionenschweren FinTech

Mambu liefert Banken die Technik, um "moderne erstklassige Bankprodukte zu entwickeln". Das FinTech, das 2011 an den Start ging, beschäftigt inzwischen 400 Mitarbeiter. Bessemer Venture Partners, Acton Capital, CommerzVentures und Co. investierten zuletzt 30 Millionen in die Jungfirma.

Das Berliner FinTech Mambu, das 2011 an den Start ging, ermöglicht Bankdienstleistern Kredit-Produkt in kurzer Zeit zu entwickeln. Der US-Investor Bessemer Venture Partners sowie die Altinvestoren Acton Capital, CommerzVentures, Point Nine Capital und Runa Capital investieren zuletzt 30 Millionen Euro in die Berliner SaaS-Banking-Plattform, die von Frederik Pfisterer und Eugene Danilkis gegründet wurde.

Zum Start fokussierte sich das Startup zunächst auf Mikrofinanzinstitute in Lateinamerika und Afrika. Doch inzwischen gehören Unternehmen wie N26 und Orange zu den Kunden des Startups. “Wir sind derzeit ein Team von über 400 Personen, das auf unsere Hauptbüros in Berlin, Amsterdam, Singapur, London, Ia?i (Rumänien), Vilnius (Litauen) und Miami verteilt ist. Mambu betreut fast 200 Kunden mit über 20 Millionen Endnutzern in mehr als 60 Ländern”, sagt Mitgründer Danilkis.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Mambu-Macher außerdem über Digitalisierung, Finanzprodukte und Agilität.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Mambu erklären?
Wir stellen eine Technologieplattform zur Verfügung, die Finanzinstitute dabei unterstützt, moderne erstklassige Bankprodukte zu entwickeln und sie ihren Kunden digital anzubieten.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Aufgrund der Art unserer Geschäftstätigkeit hat COVID-19 den Bedarf an Services von Mambu tatsächlich gesteigert. COVID-19 wirkt wie ein Katalysator für die Digitalisierung, insbesondere im Großbankensektor. Etablierte Finanzinstitute müssen heute mehr denn je agiler werden. Sie müssen sich an den Wandel anpassen, sonst können sie in Bezug auf den Wettbewerb, das Makroumfeld oder die Bedrohungen, die von FinTechs ausgehen, nicht auf den Markt reagieren. Unsere Aufgabe ist es, ihnen dabei zu helfen, die Grundlagen zu schaffen – mit einer Plattform, die es ermöglicht, die nächste Innovationswelle zu nutzen. Wir unterstützen unsere Kunden dabei, die Krise zu meistern und am Ende gestärkt daraus hervorzugehen.

Wie ist überhaupt die Idee zu Mambu entstanden?
Alles begann mit einer Studienarbeit von drei Master-Studenten an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh. Meine Mitbegründer und ich arbeiteten an einem Projekt über die technologischen Möglichkeiten in Wachstumsmärkten, als wir schnell feststellten, dass wir an etwas dran waren: Die Betriebssysteme, die diese Finanzinstitute einsetzten, erwiesen sich entweder als veraltet oder zu komplex für kostengünstige, digitale Finanzprodukte, die benötigt würden, um 3 Milliarden Menschen in den formellen Bankensektor zu bringen. Im Mai 2011 gründeten wir Mambu mit der Mission, die Funktionsweise von Finanzdienstleistungen so zu verändern, wie es Salesforce ein Jahrzehnt zuvor für CRM getan hatte: eine Software-as-a-Service-Plattform für Finanzinnovation bereitzustellen. Unsere ursprüngliche Vision war es, “Einzelpersonen und aufstrebende Unternehmen in die Lage zu versetzen, durch den Zugang zu Finanzdienstleistungen wirtschaftliche Chancen wahrzunehmen – überall auf der Welt.”

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Wir ermöglichen traditionellen Banken ebenso wie FinTechs, Kreditgebern, Unternehmen und Telekommunikationsfirmen die Entwicklung der nächsten Generation von Bankdienstleistungen auf unserer Plattform. Mambu bietet eine flexible SaaS-Plattform, auf der Kunden ihre Finanzproduktportfolios anbieten können, wodurch eine innovative Benutzererfahrung entsteht. Unsere Kunden nutzen unsere APIs, um ihren USP auszubauen und vom vielfältigen und sich schnell entwickelnden Fintech-Ökosystem zu profitieren. Wir unterstützen unsere Kunden dabei, neue Produkte einzuführen, in neue Märkte zu expandieren, ihre bestehenden Geschäftsstrukturen zu transformieren, um ihr Geschäft schneller und agiler zu entwickeln, bereitzustellen, zu warten und zu skalieren. Der Einsatz von Technologie, um Geschäftsprozesse zu optimieren und gegebenenfalls zu automatisieren, ist definitiv ein Bereich, in dem traditionelle Finanzorganisationen von FinTechs lernen können.

Inwiefern?
Banken sollten ihre Strategie langfristig anpassen, anstatt auf taktische Ad-hoc-Lösungen zu setzen. Wir wollen den Banken helfen, ihre Perspektive zu ändern – weg von der Konzentration auf interne Systeme und hin zu einer langfristigen, kundenorientierten Strategie, die letztlich das Wachstum und die Effizienz des Unternehmens und natürlich die Kundenbindung fördert. Für traditionelle Banken besteht der eigentliche Handlungsbedarf darin, sich für den Wandel aufzustellen. Das ist beängstigend, denn es bedeutet, sich intern anders zu strukturieren, um extern neue Dinge zu tun. Es bedeutet einen Paradigmenwechsel gegenüber ihrer derzeitigen Arbeitsweise.

Wie hat sich Mambu seit der Gründung entwickelt?
Als Mambu ins Leben gerufen wurde, hatten fast 30 % der Weltbevölkerung sowie Millionen von Unternehmen noch keinen Zugang zu Finanzinstituten. Die Berücksichtigung der lokalen Bank- und Kreditvergabebestimmungen erwies sich bei der Gründung von Unternehmen in diesen Regionen der Welt als großer Vorteil. Die Branche hatte einen klaren Bedarf, die Agilität und die niedrigen Betriebskosten der Cloud-basierten Dienste von Mambu waren unschlagbar – weshalb immer mehr Aufsichtsbehörden die Nutzung von Mambu nicht nur genehmigten, sondern förderten. Innerhalb weniger Jahre nach der Einführung wurde die Cloud-Banking-Technologie von Mambu von Organisationen in 26 Ländern weltweit übernommen – von Kolumbien bis Nigeria, von Mexiko bis zu den Philippinen. Als Acton im Jahr 2016 zum ersten Mal in Mambu investierte, war Mambu bereits in mehr als 30 Ländern aktiv. Mambu galt als “die führende SaaS-Core-Engine” und hatte sein Produkt- und Geschäftsmodell verfeinert und auf die Zusammenarbeit mit komplexeren Kreditgebern, Banken mit neuen Geschäftsmodellen und anderen FinTechs ausgedehnt.Im Jahr 2017 wurde Mambu zum dritten Mal in Folge in den FinTech 50 aufgenommen und gewann den Asian Banker Technology Award für die beste Cloud-Anwendung. Etwa zur gleichen Zeit begannen Großbanken, sich für die Plattform zu interessieren. Heute bietet Mambu Finanzinstituten die Möglichkeit, auf der Kernbankenplattform Kredit- und Einlagenprodukte für Konten, Kredit- und Darlehensvergabe zu konfigurieren und auf den Markt zu bringen. Zu den Kunden gehören ABN AMRO, Santander, N26 und Orange.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Mambu inzwischen?
Wir sind derzeit ein Team von über 400 Personen, das auf unsere Hauptbüros in Berlin, Amsterdam, Singapur, London, Ia?i (Rumänien), Vilnius (Litauen) und Miami verteilt ist. Mambu betreut fast 200 Kunden mit über 20 Millionen Endnutzern in mehr als 60 Ländern.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
In den ersten fünf Jahren nach unserem Start waren sich die etablierten Finanzinstitute unsicher über die Vorteile der Cloud. Ihnen war nicht klar, welche Auswirkungen auf die Geschäftsprozesse ein Ökosystem mit frei kombinierbaren Produkten und Services auf der Basis von offenen Schnittstellen (APIs) auf ihren Wertbeitrag, ihre Agilität und ihre Kostenstruktur haben könnte. Sie hatten auch keine Richtlinien von den Aufsichtsbehörden hinsichtlich der Rolle, die die Cloud in ihren Geschäftsabläufen spielen könnte. Dies machte es anfangs schwierig, bei den größeren Instituten Fuß zu fassen, aber um 2016 begann sich die Situation schnell zu ändern. Heute verfolgen die meisten Finanzinstitute überall auf der Welt eine Cloud-first-Strategie.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir sind dem Produkt, dem Plattformgedanken und dem SaaS-Modell von Anfang an treu geblieben. Auf der Grundlage unserer Vision und dem Input, den wir vom Markt, unseren Kunden und Partnern erhalten, haben wir die Funktionalität der Plattform kontinuierlich verbessert. Dennoch nehmen wir keine Anpassungen vor oder nehmen Abkürzungen, die unsere langfristige Vision gefährden würden. Unser Ziel ist es, Finanzinnovation zu ermöglichen und in diesem Jahrzehnt einer Milliarde Menschen ein besseres Bankwesen zu bieten. Deshalb verfolgen wir bei unseren Entscheidungen weiterhin eine langfristige Strategie, während wir gleichzeitig sehr schnell wachsen.

Wo steht Mambu in einem Jahr?
Wir expandieren weiterhin in fast jedem Bereich: Wir erweitern unsere Fähigkeiten, um in neue Finanzdienstleistungsbereiche wie das Investmentbanking vorzudringen und gleichzeitig durch lokale Führung und Partnerschaft tiefer in das Finanzökosystem in den 60 Märkten einzudringen, in denen wir tätig sind. Unsere Plattform entwickelt sich auch mit neuen technischen Möglichkeiten rasch weiter. Dadurch ist es für unsere Kunden und ihre Technologiepartner noch einfacher und schneller möglich, moderne Finanzdienstleistungen aufzubauen und sie in einer schlanken und agilen Art und Weise zu betreiben, die für das Wachstum in der heutigen Fintech-Ära von entscheidender Bedeutung ist.

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Foto (oben): Mambu