#Interview
“Ich habe den bürokratischen Aufwand unterschätzt – obwohl ich der Jurist im Team bin”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Constantin von der Groeben, Mitgründer von Demecan.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Kein Tag gleicht dem anderen: Da wir das einzige deutsche Unternehmen sind, das die komplette Wertschöpfungskette von medizinischem Cannabis im eigenen Land abdeckt – von der Produktion über die Weiterverarbeitung bis zum Vertrieb – gibt es immer viel zu tun und meist weiß ich morgens noch nicht, was der Tag mit sich bringt. Wichtig ist daher, fit in den Tag zu starten mit einem kurzen Workout, und wenn es nur 15 Minuten sind. Dann ein gesundes Frühstück und ein Blick auf die neusten Meldungen zum Markt für medizinisches Cannabis. Den ersten Kaffee gibt’s dann im Büro.
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Ganz wichtig ist der Spaziergang mit meiner aus Spanien adoptierten Hündin Desi. Allein wenn sie mich abends freudig begrüßt, bin ich im Abschaltmodus. Allerdings kommt Desi jetzt auch schon öfter mit ins Büro – das tut einfach meiner Stimmung und der des Teams gut. Ansonsten lese ich zum Abschalten bzw. höre meine Audiobücher, gerne historisches und Romane des magischen Realismus.
Was über das Gründer-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Meine beiden Mitgründer Adrian und Cornelius und ich sind Erstgründer. Wir haben uns vor circa 15 Jahren an der Universität in Köln kennengelernt, sind dann erst einmal eigene Wege gegangen in unseren jeweiligen Bereichen, Jura, Wirtschaft und Medizin, haben im Ausland geforscht und alle promoviert. 2016 haben wir uns in Berlin wiedergetroffen. Damals öffnete sich der Markt für medizinisches Cannabis und die Idee zu Demecan, das steht für Deutsches Medizinal Cannabis, war geboren. Zu Beginn habe ich den bürokratischen Aufwand unterschätzt – obwohl ich der Jurist im Team bin. Vom ersten Notarbesuch bis zur Gewerbeanmeldung ist schon eine Menge Papierkram nötig. Als das geschafft war, ging es daran, wichtige Entscheidungen zu treffen und strategisch zu denken. Da nimmt man manche Gedanken abends mit ins Bett. Es gibt eigentlich keinen Feierabend. Aber das tut langfristig nicht gut. Ich bin daher sehr froh, mich mit Adrian und Cornelius austauschen zu können und wichtige Entscheidungen tragen wir gemeinsam.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Die Bewerbung für die Produktion im eigenen Land war bis jetzt die größte Herausforderung, und das direkt zu Beginn unseres Gründerdaseins! Ohne den Zuschlag zum Cannabisanbau durch die deutsche Cannabisagentur wären unser Geschäftsmodell und unsere Vision, eine flächendeckende Patientenversorgung mit medizinischem Cannabis in Made in Germany-Qualität zu gewährleisten, nicht möglich gewesen. Am Ende hat sich die intensive Arbeit jedoch gelohnt und wir konnten mit unserem Konzept überzeugen. So haben wir 2019 den BfArM-Zuschlag für den nationalen Anbau erhalten. Das ist nun ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal und durch den Auftrag der Bundesregierung haben wir eine 100-prozentige Abnahmegarantie unserer Produktion. Das bietet auch unseren Investoren Sicherheit, bei denen wir in zwei Finanzierungsrunden bereits Kapital eingeworben haben.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Zum Glück haben wir bisher keine kapitalen Fehler begangen, aber natürlich viele kleine. Doch das ist gar nicht schlimm, denn man muss darauf vorbereitet sein, auch mal falsche Entscheidungen zu treffen und diese dann korrigieren zu müssen. Ohne einen Plan B und einen Plan C sollte man gar nicht erst an den Start gehen. Zu Beginn wollten wir mit einem kanadischen Produzenten zusammenarbeiten. Durch die finanzielle Schräglage des Produzenten, mussten auch wir schnell handeln, haben uns weitere Standbeine aufgebaut und konnten auf die Unterstützung von unseren deutschen Investoren zählen. Dann haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und konnten die deutsche Anlage des Kanadiers übernehmen und errichten nun Europas größte Produktionsanlage für medizinisches Cannabis.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Zu Beginn haben wir im näheren Umfeld nach Mitarbeiter*innen gesucht. Doch je größer wir werden, desto klarer wird, wir benötigen Personal mit hoher Expertise beispielsweise in der Produktion. Die unterliegt strengen Hygiene-Vorschriften. Daher setzten wir bei unserem Personal große pharmazeutische Kenntnisse in der Herstellung von Medizinprodukten voraus, nicht zuletzt, weil wir auf einem sehr hohen Qualitäts-Level arbeiten. Daher suchen wir gezielt im pharmazeutischen Bereich. Dabei ist der persönliche Austausch mit den Bewerber*innen ein wichtiger Faktor, um ein gutes Team aufzustellen, das auch harmoniert. Letztlich ist entscheidend, ob jemand für unsere Mission und die Idee brennt, so wie wir Gründer es auch tun. Denn wer Spaß an seiner Arbeit hat, liefert automatisch gute Ergebnisse.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
Qualität ist nicht nur in der Pharmazie von großer Relevanz. Wer einen hohen Qualitätsanspruch an sein Produkt, aber auch an seine tägliche Arbeit richtet, wird langfristig im Markt bestehen. Macht die Arbeit also gründlich und legt Wert auf Qualität. Vor allem wenn es in der Anfangsphase bei der Gründung oft schnell gehen muss.
Ohne welches externe Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Jedes Tool ist austauschbar. Wichtig ist, dass man die Prozesse genau durchdacht hat, bei denen das Tool dann helfen soll. Diese Leistung nimmt einem aber kein Tool ab, da braucht es schon kluge Köpfe im Team, die komplexe Prozesse antizipieren können. Zum Glück haben wir viele super Mitarbeiter, mit deren Hilfe wir da schnell vorankommen. Mein Lieblingstool ist Wrike, ein Prozessmanagement-Tool, mit dem wir einen guten Überblick über alle Aufgaben behalten, die so anfallen und den jeweiligen Bearbeitungsstatus.
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Alle unsere Mitarbeiter*innen teilen unsere Mission, endlich medizinisches Cannabis auch in Deutschland herstellen zu können und damit die Patientenversorgung hierzulande zu verbessern. Zudem bringen wir damit ein spannendes Produkt und eine ganz neue Branche nach Deutschland. Da herrscht schon noch Aufbruchstimmung. Daher knien sich alle voll rein und sind top motiviert. Wir wissen das sehr zu schätzen und versuchen trotz wachsender Aufgaben und steigendem Tempo immer auch ein Ohr für die individuellen Belange zu haben.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
So wild war das bisher noch nicht. Und da wir mit Medizinal Cannabis arbeiten, greifen strenge regulatorische Auflagen, da muss man besonders umsichtig sein. Selbst zu gründen bedeutet immer auch viel Arbeit und viel Verantwortung, das bringt die Selbständigkeit mit sich. Mir macht das sehr viel Spaß, weil wir etwas bewegen, etwas Neues schaffen und weil ich Mitgründer und Mitarbeiter*innen habe, mit denen ich unglaublich gerne zusammenarbeite. Wer aber glaubt, wir stehen alle mit coolen Kapuzenpullis am Kickertisch, chillen abends auf der Dachterrasse unseres Büros und reden locker über Growth Rates und Market Shares, der ist weit weg von der Realität. Aber eine interessante Abwechslung war letztes Jahr eine Geschäftsreise in die USA zum weltgrößten Cannabiskongress. Der Austausch mit internationalen Branchenvertreter*innen ist immer spannend und empfehlenswert.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.
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