“Die Gesundheit, Freunde, Beziehungen und die Produktivität litten enorm”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Tristan Brümmer, Mitgründer von JoyBräu, einem Hamburger Unternehmen, das alkoholfreies Bier, dem unter anderem Protein beigesetzt wurde, vertreibt.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Startup-Alltag bedeutet für mich, dass kein Tag wie der andere ist. Daher versuche ich, alle Dinge, die ich regelmäßig in mein Leben integriere, – neu-Deutsch Habits – direkt morgens zu machen, um im Laufe des Tages nicht überrascht zu werden. Konkret heißt das für mich: 15 Minuten meditieren, eine Stunde bis ans Limit Sport machen und eine ausgiebige kalte Dusche für einen perfekten Start in den Tag! Um 8 Uhr beginnt dann der tägliche Wahnsinn in unserem schnell wachsenden Startup.
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Ehrlich gesagt: abschalten zu lernen war eine der schwierigsten und langwierigsten Herausforderungen für mich als Gründer bisher. Wenn ich für eine Idee brenne, dann tue ich das mit 110% und gebe alles, um sie zur Realität werden zu lassen. So konnte es schnell mal passieren, dass mein Mitgründer Erik und ich Wochen und Monate ohne Pause durcharbeiteten. Dann folgte meist plötzlich das böse Erwachen: die Gesundheit, Freunde, Beziehungen und die Produktivität litten enorm. Heute habe ich das zum Glück besser im Griff. Durch bewusst gesetzte Pausen, die ich am liebsten mit Freunden und Familie in der Natur verbringe, kann ich effizient meine Energiespeicher auffüllen. Ganz wichtig ist es, in dieser Zeit auch wirklich mal das Handy aus zu machen. Auch, wenn du es als Gründer manchmal anders befürchtest und deine Gedanken rund um die Uhr um deine Firma kreisen: dein Unternehmen wird in der einen Stunde am Tag, in der du deine Mails nicht checkst, nicht untergehen.
Was über das Gründer-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Auch wenn wir ein weltweit einzigartiges Produkt auf den Markt bringen, sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen, dieselben wie bei vielen anderen Gründern. Rückwirkend betrachtet hätten wir Fehler vermeiden und schneller und effizienter zum Proof of Concept kommen können, wenn wir intensiveren Austausch mit erfahrenen Gründern und Geschäftsleuten gesucht hätten. Zum Beispiel war unsere anfängliche Preisstruktur nicht kompatibel mit den Anforderungen des Handels. Bis wir uns das diesbezügliche Wissen angeeignet hatten, verging viel Zeit und wir mussten entsprechendes Potential auf der Straße lassen, da wir nicht gelistet wurden und unsere Distributoren mit ihren knappen Margen gekämpft haben.
Ein simpler Austausch mit Experten hätte uns vor allem im ersten Jahr viel Kopfzerbrechen gespart. Und nicht zuletzt machen wenig Dinge so viel Spaß, wie von Mentoren zu lernen und die eigenen Ideen auf den Prüfstand zu stellen.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Definitiv unsere Produktentwicklung. Mit der Schnapsidee vom weltweit ersten alkoholfreien Proteinbier im Kopf sind mein Mitgründer Erik und ich 2015 an den Start gegangen und wurden von Produktexperten jeder Art, vom Braumeister bis zum Biochemiker, für verrückt erklärt. Über ein Jahr hat es gedauert, bis wir mit der TU Berlin jemanden gefunden hatten, der an unsere Idee und deren Umsetzung glaubte. Weitere zweieinhalb Jahre Forschung und diverse Rückschläge folgten, während derer Erik und ich unsere hart ersparten Reserven aus dem regulären Arbeitsverhältnis und jede freie Minute in die Produktentwicklung steckten. Heute ist unsere größte Hürde unser größtes Asset: das entstandene Patent und die einzigartigen brauereitechnologischen Verfahren, die wir entwickelt haben, sind bis heute weltweit einzigartig. Und fast genauso wichtig: durch die Überwindung dieser Hürde haben wir gelernt, dass es sich auszahlt, niemals aufzugeben. Nichts ist unmöglich, solange man optimistisch bleibt, um die Ecke denkt und kreative Wege zum Ziel sucht.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
JoyBräu hat als erstes deutsches Startup in der Bierbranche seine Marke primär über den eigenen Onlineshop aufgebaut. Obwohl wir in diesem Bereich schnell Erfolge gefeiert haben, wollten wir zu früh zu viel und haben unsere Aktivitäten auf verschiedenste Vertriebskanäle – vom Lebensmitteleinzelhandel bis zum Export in die ganze Welt – ausgeweitet. Rückwirkend ziemlich verrückt, wenn man bedenkt, dass wir damals erst 3 Mitarbeiter hatten. Heute führen wir uns über das Sprichwort „wenn du versuchst, zwei Hasen zu fangen, fängst du keinen“ regelmäßig vor Augen, wie wichtig Fokus für ein Startup wie JoyBräu wirklich ist. Eine weitere essentielle Erfahrung für mich war, in der Vermarktung zu produktverliebt zu agieren. Über Jahre haben wir unser Herz und unsere Seele für JoyBräu gegeben. Wir waren so stolz auf unser Produkt, dass wir anfänglich in der Vermarktung den Kunden aus den Augen verloren haben und nur darüber gesprochen haben, was JoyBräu so besonders macht. Ein fataler Fehler, denn es interessiert deinen Kunden nicht, wie toll du bist, sondern wie du sein Leben besser machst! Durch eine radikal kundenorientierte Markenkommunikation konnten wir binnen weniger Wochen unsere Werbekosten pro Kunde mehr als halbieren.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Für uns bei JoyBräu gibt es nichts Wichtigeres, als den kulturellen Fit. Fähigkeiten kann jeder lernen – Einstellungen und Werte hingegen sind fast unmöglich, zu beeinflussen. Wenn du bei JoyBräu arbeiten möchtest, erwarten wir außerordentlichen Einsatz und Leidenschaft für unsere Unternehmung, sowie ein klares Verständnis für Leistung. In einem kleinen Team steht und fällt der Erfolg mit jedem einzelnen Mitarbeiter. Daher versuchen wir im Rahmen eines mehrstufigen Bewerbungsprozesses, sowohl schriftlich als auch persönlich, jeden Bewerber als Mensch zu verstehen. So die Theorie. In der Praxis gibt es kaum eine Aufgabe, die so herausfordernd ist, wie die Findung, Weiterentwicklung und Führung eines leistungsfähigen Teams und ich rate jedem Gründer, mit Mentoren und Experten den individuell besten Weg zu finden und kontinuierlich zu hinterfragen.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
“See it – own it”. Als Gründer sind letztendlich jeder Erfolg und jeder Misserfolg auf dich zurückzuführen. Wenn bei JoyBräu etwas schief geht, frage ich mich immer zuerst „wie hätte ich die Situation besser handhaben können?“. Suche den Fehler und die Schuld nicht bei anderen, sondern immer bei dir. So lernst du aus jedem Misserfolg und kannst die Situation beim nächsten Mal meistern, statt in Frustration über externe Faktoren, die du meist nicht beeinflussen kannst, zu verfallen. „Extreme Ownership“, nach dem gleichnamigen Buch vom NAVY SEAL Jocko Willink war für mich eines der wichtigsten Konzepte, das ich je verinnerlichen durfte. Ganz wichtig ist aber die Gradwanderung zwischen „Verantwortung tragen“ und „alles selber machen“ zu meistern und ein leistungsfähiges Team aufzubauen, an das du sinnvoll Aufgaben übergeben kannst.
Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Ganz einfach: zwei kühle, leckere, erfrischende Biere! 99% aller Probleme entstehen durch Kommunikation und es gibt kaum ein Thema, das sich nicht in einem persönlichen Gespräch mit einem guten Bier lösen lässt.
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Gute Stimmung ist allen voran das Ergebnis guter Arbeit! Wenn wir als Team erfolgreich sind, feiern wir unsere Erfolge gemeinsam – egal ob großer oder kleiner Meilenstein. Durch unseren werteorientierten Mitarbeiterauswahlprozess und eine geteilte Leidenschaft für unser Produkt sorgen wir für ein hohes Grundvertrauen und eine freundschaftliche Atmosphäre im Team.Darüber hinaus sind wir in Bezug auf Zielerreichung unternehmensweit zu 100% transparent. So bekommt jedes Teammitglied mit, wenn wir erfolgreich sind und es entsteht eine gesunde Dynamik und Ehrgeiz, wenn mal nicht alles rund läuft. Wir feiern und trauern gemeinsam und führen uns gegenseitig zum Erfolg.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Das war mit Sicherheit unser erster Messeauftritt auf der weltgrößten Fitnessmesse in Köln in 2018. Die Messe fand im April statt und wir entschieden uns spontan während unseres Produktlaunches im März, ohne eine einzige verkaufte Flasche, rund 30% unseres Gesamtkapitals – damals waren wir noch komplett durch unser Erspartes finanziert – in einen Stand zu investieren. Innerhalb von drei Wochen durfte ich parallel zum Launch den kompletten Messeauftritt organisieren. Vor Ort auf der Messe haben wir uns vier Tage praktisch ausschließlich von JoyBräu ernährt, da unser Stand aufgrund mangelnden Budgets nur durch uns und ein paar Freunde bemannt wurde. Ich war noch nie im meinem gesamten Leben so erschöpft. Doch der Aufwand und das Risiko haben sich ausgezahlt: wir wurden mit dem “Oskar der Fitnessbranche” als innovativstes Produkt des Jahres ausgezeichnet und konnten uns vor Presse- und Kundenanfragen kaum retten.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.
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