Von Alexander
Freitag, 17. Juli 2020

“Alle kochen nur mit Wasser. Punkt”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Mein Arbeitsalltag beginnt generell schon lange, bevor ich die Bürotür öffne", sagt Daniel Schnadt, Gründer von Gambio. "Im Büro angekommen, stehen meistens alltägliche Dinge an, also Meetings, Mitarbeitergespräche usw."

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Daniel Schnadt, Gründer von Gambio. Bereits seit 2004 bietet das Bremer Unternehmen individuelle Cloud-Lösungen für E-Commerce-Startups und etablierte Unternehmen an.

Wie startest du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Mein Arbeitsalltag beginnt generell schon lange, bevor ich die Bürotür öffne. Ich checke meine E-Mails übers Smartphone und je nachdem, welche Fragen oder Informationen reingekommen sind, greife ich auch noch einmal zum Notebook und kümmere mich darum, ehe ich ins Büro fahre. Im Büro angekommen, stehen meistens alltägliche Dinge an, also Meetings, Mitarbeitergespräche usw. – wenn es gut läuft. Wenn es zwischendurch irgendwo brennt und Dringliches an mich herangetragen wird, dann geht das natürlich vor.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Häufig gar nicht! Mittlerweile gelingt mir das etwas besser als früher, aber so richtig abschalten tue ich nur selten. Aber das stört mich auch gar nicht weiter, im Gegenteil! “Abschalten” hat irgendwie eine negative Konnotation, also für mich persönlich gesagt, weil mir meine Arbeit ja Spaß macht. Du als Gründer, du willst das ja auch. So sollte es zumindest sein. Wenn du auf dein Unternehmen Bock hast, dann ist das positiver Stress. Wenn du dein Ziel vor Augen hast, dann machst du das Ganze auch gerne. Klar, das kostet viel Kraft, und nein, das kannst du so nicht 40 Jahre lang machen, aber insbesondere am Anfang ist es nicht verkehrt, so zu ticken. Inzwischen ist Gambio ja längst ein Unternehmen mit einem eingespielten Team. Es ist somit für mich nicht mehr ganz so krass, daher schalte ich gerne mit meinen Kindern ab und gehe in den Garten.

Was über das Gründer-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Alle kochen nur mit Wasser. Punkt. Wenn man sich das vor Augen führt, dann macht man sich viel weniger Gedanken und dann klappt das, was man vorhat, auch. Die meisten Leute, die gründen wollen, starten nie, weil sie sich nichts zutrauen oder alles bis ins letzte Detail und darüber hinaus zerdenken. Einfach machen, nicht zu viele Gedanken vorab machen, das ist meine Empfehlung.

Was waren die größten Hürden, die du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Keine. Nur die Hürde, sich selbst zu trauen.

Was waren die größten Fehler, die du bisher gemacht hast – und was hast aus diesen gelernt?
Ich weiß gar nicht, ob das ein Fehler ist, aber man hätte häufiger noch mutiger sein können. Aus damaliger Sicht war es richtig so, wenn wir lieber eine Entscheidung auf “Nummer sicher” gefällt haben, statt etwas risikoreicher zu entscheiden – und rückblickend ist man eh immer schlauer.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Am Anfang am besten tatsächlich über Empfehlungen. Aus meiner Sicht ist das auch der schwerste Punkt: Gute Mitarbeiter müssen idealerweise so zufrieden sein, dass sie von alleine überlegen, wer aus ihrem Netzwerk gut ins Team passen würde und diese Leute dann empfehlen. Was Gründerinnen und Gründern klar sein muss, ist, dass es vielen Menschen nicht mehr alleine um das Gehalt geht. Inzwischen möchte eigentlich jeder lieber etwas machen, das Spaß macht, etwas, woran er glaubt. Es motiviert, etwas beitragen zu können, etwas Gutes zu tun und anderen helfen zu können. Daher ist es wichtig, dass ein Unternehmen für etwas steht und Haltung zeigt. Dann muss man diese Haltung transportiert bekommen und Leute finden, die auch für diese Werte stehen. Ein Anreizsystem haben wir im klassischen HR-Sinne nicht. Die ultimative Motivation sind die Menschen selbst, mit denen man arbeitet: In einem Team zu arbeiten, das Bock hat, zu pushen und sich gegenseitig zu Größerem zu befähigen. Und am Ende auch etwas Konkretes von den gemeinsamen Erfolgen zu haben.

Welchen Tipp hast du für andere Gründer?
Mein Tipp für andere Gründer, auch wenn ich damit Gefahr laufe, abgedroschen zu klingen: Machen. Auch, wenn es mal nicht so läuft, wie geplant. Die meisten, die ein Start-up gründen wollen, beachten dabei alles: Der Businessplan und das Pitchdeck werden bis ins kleinste Detail ausgefeilt. Das ist gut und sinnvoll, denn natürlich lernst du dadurch dein eigenes Unternehmen richtig gut kennen – aber hin und wieder fehlt das letzte bisschen Mut, auch mal von diesen vorgedruckten Pfaden abzuweichen.

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Da gibt es kein “Tool”, das Tool heißt Internet. Dem bin ich sehr dankbar. Wir sind mit Gambio in der richtigen Zeit ziemlich unkompliziert an den Start gegangen. Es gab viel Raum für das Ausprobieren neuer Geschäftsmodelle. Das ist jetzt, 15 Jahre später, aus meiner Sicht viel schwerer aber grundsätzlich immer noch möglich..

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Ja, eine gute Frage. Gerade in den ersten Monaten der Corona-Zeit saß ja jeder zuhause, das war noch einmal eine ganz besondere Herausforderung in Sachen Stimmung. Wir haben aber schnell einen guten Dreh rausgehabt und gute Lösungen gefunden, damit das Zwischenmenschliche bei uns nicht zu kurz kam. Generell herrscht in einem guten Team ein guter Umgang, denn dann ist automatisch die Stimmung positiv. Und klar, es ist auch schön, wenn die Leute nach Feierabend mal ein Bier zusammen trinken gehen. Bisher ist meine Erfahrung, dass das ziemlich gut funktioniert, vor allem, wenn ich als Gründer einen offenen und wertschätzenden Umgang vorlebe.

Was war dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Vielleicht nicht wild, aber ungewöhnlich und es regt zum Nachdenken an: Wir wollten im Jahr 2009 gerne in die USA expandieren. Wir haben also Pläne gemacht, uns einen US-Amerikaner als Partner gesucht, Geld in die Hand genommen und sogar ein Büro angemietet – wir waren schon relativ weit. Ich bin dann rüber in die Staaten geflogen, um persönlich vor Ort alles zu klären. Und plötzlich hat sich unser Partner nicht mehr gemeldet. Direkt in der Gründungsphase! Ich habe versucht, ihn auf allen Kanälen zu erreichen – ohne Erfolg. Er meldete sich dann ein paar Tage später und sagte mir, er wäre von einem Einbrecher in seinem Haus angeschossen worden, als er diesen überwältigen wollte. Ein paar Tage später erlag er seinen Verletzungen. Das war eine traurige und schockierende Erfahrung, nach der wir unsere Pläne erst einmal auf Eis legen mussten.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

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Foto (oben): eToro