#Interview

Nach 12 Jahren treten die Studitemps-Macher ab

Benjamin Roos und Andreas Wels verlassen das Kölner Unternehmen Studitemps. "Wir haben gerade in der Krise gesehen, wie schnell sich Studitemps neu erfinden kann. Das war für uns das Zeichen, dass wir uns selbst überflüssig gemacht haben", sagt Roos.
Nach 12 Jahren treten die Studitemps-Macher ab
Donnerstag, 16. Juli 2020VonAlexander

Im Sommer 2008 gründeten Benjamin Roos und Andreas Wels das Startup Studitemps. Nun verlassen sie das Kölner Unternehmen. “Als Gründer ist man oft Generalist und baut alle Bereiche mit auf, wir haben jetzt für jeden Bereich Spezialisten gefunden, die dort mehr Wert schaffen können. Gleichzeitig sind wir stolz darauf, Studitemps von null zu einem Umsatz von fast 100 Millionen gebracht haben”, sagt Roos zum Abgang.

Im Interview mit deutsche-startups.de erzählt der Studitemps-Macher wie die Gründer ihren Ausstieg vorbereitet haben, wie sie die Hypes der vergangenen Jahren erlebt haben und was sie nun vorhaben. “Andreas und ich verstehen uns auch nach 12 Jahren immer noch sehr gut und können uns gut vorstellen, nochmal gemeinsam etwas zu gründen. Allerdings haben wir die letzten 12 Jahre ohne Pause Gas gegeben, so dass wir uns sicher einige Monate nehmen werden, um zur Ruhe zu kommen”, sagt Roos.

Nach 12 Jahren verlässt du gemeinsam mit deinem Mitgründer Studitemps. Warum tretet ihr gerade jetzt ab?
Es gibt für einen Gründer nie den richtigen Zeitpunkt zu gehen, entweder man geht zu früh und lässt das Unternehmen im Stich oder man klebt zu lange an seiner Position und gibt Anderen nicht den Raum, zu wachsen und das Unternehmen weiterzuentwickeln. Wir haben unseren Abschied intern am 30. Juni 2020 verkündet, also genau 12 Jahre nach der Gründung am 1. Juli  2008. Wir haben gerade in der Krise gesehen, wie schnell sich Studitemps aufgrund der einzigartigen Kultur neu erfinden kann und die Resilienz besitzt, auch solche Phasen zu durchstehen. Das war für uns das Zeichen, dass wir uns selbst überflüssig gemacht haben.

Inwiefern?
Wir hätten noch viele Ideen gehabt, was man innerhalb von Studitemps an neuen Geschäftsfeldern hätte angehen können, aber die Krise hat uns auch gezeigt, dass sich das Unternehmen auf eine Sache fokussieren soll – die digitale Plattform für flexible Arbeit. Diese Plattform – die wir uns vor 12 Jahren erträumt hatten – ist nun Realität geworden. Studenten können sich über unsere App selbst in Schichten einbuchen, Unternehmen über das Kundenportal neue Schichten bereitstellen, die gesamte Administration wie Verträge, Zeiterfassung und Lohnabrechnung geschieht automatisiert im Hintergrund. Im Grunde genommen sind es also drei Gründe: Selbst überflüssig gemacht, Fokus und das Erreichen unserer Vision.

Ist euer Abgang ein spontaner Entschluss oder war er von langer Hand geplant?
Wir haben mehrere Jahre lang zu viert in der Geschäftsführung gearbeitet, um die Leitung sehr gut und nachhaltig zu übergeben. Dafür haben wir mit Eckhard Köhn als CEO seit 2015 und André Swientek als COO seit 2018 genau die richtigen Partner gefunden, sodass wir uns sicher sind, dass die Kultur und Vision, die wir bei Studitemps über Jahre entwickelt haben, auch so weitergetragen wird. Parallel dazu haben wir eine fantastische zweite Ebene aufgebaut. Als Gründer ist man oft Generalist und baut alle Bereiche mit auf, wir haben jetzt für jeden Bereich Spezialisten gefunden, die dort mehr Wert schaffen können. Gleichzeitig sind wir stolz darauf, Studitemps von null zu einem Umsatz von fast 100 Millionen gebracht haben und damit knapp 50 Millionen an Gehältern jedes Jahr an Studierende zu zahlen. Wir sind der Meinung, dass der Weg von 100 Millionen zum nächsten Meilenstein von Anderen gegangen werden sollte, da es jetzt weniger um Aufbau und das neue Erschaffen von etwas geht, sondern viel mehr um Skalierung und Kostenbewusstsein innerhalb der geschaffenen Strukturen.

Wie genau habt ihr euren Abgang vorbereitet?
Wir haben lange und intensiv zu viert in der Geschäftsführung zusammengearbeitet und immer mehr Themenfelder und Aufgaben an unsere Geschäftsführer Kollegen Eckhard und André oder an unsere extrem gute zweite Ebene übergeben.  So weit, dass wir nur noch unseren wöchentlichen Jour Fixe mit unseren Abteilungsleitern durchführen mussten sowie unser wöchentliches Management Meeting. Hier hatten wir das Gefühl, dass wir nur noch kleine Impulse in die richtige Richtung geben konnten, da die großen Baustellen alle bearbeitet waren. Es blieb somit nur noch die Möglichkeit entweder innerhalb von Studitemps ein bis zwei neue große Projekte zu beginnen oder dies außerhalb der Strukturen von Studitemps zu tun.

Als ihr Studitemps vor 12 Jahren gegründet habt, war die Startup-Szene noch eine ganz andere. Eure wichtigste Erkenntnis aus 12 Jahren Gründer-Dasein?
Was mich in den 12 Jahren am meisten beeindruckt hat, waren die Wellen von neuen Gründungen, wenn jeder gefühlt die gleiche Idee zur gleichen Zeit hatte – und für viele dieser Wellen haben wir bei Studitemps die Mitarbeiter gestellt, sei es im mehrsprachigen Telefon Support oder als Fahrer oder Logistiker: Soziale Netzwerke am Anfang unseres Gründer-Daseins. Gefolgt von Gutschein Portalen wie Groupon und DailyDeal. Umzugsunternehmen wie Movinga und Movago. Reiningungsunternehmen wie Helpling und Book A Tiger. Sämtliche Lieferdienste von pizza.de, über Lieferheld bis Foodora. Und erst im letzten Jahr die E-Scooter Unternehmen.

Von solchen Hype-Themen lebt die Szene bekanntlich…
Als Gründer scheint man daher zwei Alternativen zu haben: Entweder auf eine solche Welle zu warten und der weltbeste Unternehmer in Sachen Execution und Timing zu sein. Oder sehr lange und beharrlich eine Sache zu verfolgen und darauf zu warten, das die eigene Zeit irgendwann kommt – Trivago, Fond of Bags und HelloFresh sind neben Studitemps Beispiele, die mir spontan einfallen. Beide Wege können zu wahnsinnigen Erfolgen führen, aber gleichzeitig auf ihre ganz eigene Art und Weise schwerlich und steinig sein: Schwimmst du gerade auf der Welle mit, ist es bspw. unheimlich einfach Funding für deine Idee zu bekommen, gleichzeitig ist die Konkurrenz dir meist einen Schritt voraus oder Dicht auf den Fersen. Hast du hingegen wenig Konkurrenz, sind Finanzierungsrunden oft unheimlich beschwerlich, weil keiner das Modell und das Potential zu verstehen scheint.

Wie geht es für Dich, für euch nun weiter?
Andreas und ich verstehen uns auch nach 12 Jahren immer noch sehr gut und können uns gut vorstellen, nochmal gemeinsam etwas zu gründen. Allerdings haben wir die letzten 12 Jahre ohne Pause Gas gegeben, so dass wir uns sicher einige Monate nehmen werden, um zur Ruhe zu kommen. Bei einer neuen Idee soll dann von Anfang an eine starker Purpose im Fokus stehen, denn bei Studitemps haben Wachstum und Geschwindigkeit exponentiell zugenommen je klarer wir unseren Zweck und unsere Vision formuliert haben, das wollen wir beim nächsten Mal von Anfang an besser machen.

Tipp: “In der Krise haben wir es geschafft, Kunden zu gewinnen”

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Foto (oben): Studitemps

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.